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Presse

Datum:
01.03.2003

Zeitung:
junge Welt

Titel:
Kronzeuge unter Schutzbefehl

Kronzeuge unter Schutzbefehl

117. Verhandlungstag beim Berliner RZ-Prozeß. Wochenzeitung interim ohne Beweiswert

Keine Relevanz hat nach Meinung der Bundesanwaltschaft (BAW) die Frage, welche Rolle der Verfassungsschutz bei der "Entstehung" des Kronzeugen Tarek Mousli gespielt hat. Mousli ist das wesentliche "Beweismittel" im Prozeß gegen fünf Frauen und Männer, die wegen Aktionen der Revolutionären Zellen (RZ) in den 80er und frühen 90er Jahren in Berlin angeklagt sind. Auf diesen Nenner läßt sich eine Stellungnahme der BAW bringen, die am 117. Verhandlungstag vor dem Kammergericht Berlin zu einem entsprechenden Beweisantrag der Verteidigung des Angeklagten Harald G. abgegeben wurde.

Rechtsanwältin Silke Studzinsky hatte beantragt, den Sicherheitsleiter des Netzbetreibers e-plus sowie den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz als Zeugen zu laden. Von beiden Zeugen erhoffte sich die Verteidigung Aufklärung, ob Mousli 1999 neben dem BKA auch vom Verfassungsschutz telefonisch überwacht wurde. Hintergrund dieser beantragten Zeugenladungen sind sogenannte G-10-Reporte von e-plus über Abhörmaßnahmen nach dem G-10-Gesetz, mit dem Telefonüberwachungen ohne richterlichen Beschluß auf Antrag der Geheimdienste geregelt werden, die in den Verfahrensakten auftauchen.

Nachdem bereits der Beweiswert einer Mitschrift vom Prozeß gegen Tarek Mousli im Dezember 2000 aus der Berliner Wochenzeitung interim bezweifelt wurde, verwarf die BAW am Donnerstag einen weiteren Beweisantrag der Verteidigung von Harald G. Mit diesem sollte der Kronzeuge der Lüge hinsichtlich einer konspirativen Wohnung der RZ in Berlin-Kreuzberg überführt werden. Recherchen der Verteidigung hatten ergeben, daß zum fraglichen Zeitpunkt kein Mietverhältnis mit dem von Mousli Beschuldigten in einem der beiden genannten Wohnhäuser bestand. Eine Verlesung der interim-Mitschrift, so Bundesanwalt Wallenta, beweise jedoch allenfalls dessen Existenz. Ein darüber hinausgehender Beweiswert könne einem Beitrag aus der interim nicht zugesprochen werden. Regelrecht "veralbert" fühlte sich Rechtsanwalt Johnny Eisenberg durch diese Argumentation. Die Verteidigung reagierte mit der Beantragung der Ladung des Vorsitzenden Richters und des Berichterstatters des 2. Strafsenats des Kammergerichts, vor dem damals die Verhandlung gegen Mousli stattfand, die die entsprechende Aussage des Kronzeugen vor Gericht bestätigen sollen.

Beat Makila

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