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Datum:
22.03.2002
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Zeitung:
ak 460
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Titel:
Schlag auf Schlag im Berliner RZ-Prozess
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Schlag auf Schlag im Berliner RZ-Prozess
Im Prozess vor dem Kammergericht Berlin ist am 28. Februar
ein weiterer Gefangener nach einer Einlassung aus der U-Haft entlassen
worden. Damit sind nun vier von fünf Angeklagten auf freiem
Fuß. Obwohl Axel Haug mit seinen Angaben zur Sache den Kronzeugen
erneut demontierte, zeigt sich das Gericht unbeeindruckt. Ganz im
Gegenteil, wie es mit seiner Entscheidung zeigte, Harald Glöde
weiterhin in U-Haft zu lassen.
Hatten in der ersten Phase des Prozesses alle Angeklagten sich
geweigert, Aussagen zu machen, haben nun innerhalb von sechs Wochen
drei Angeklagte ihr Schweigen gebrochen. Hintergrund ist nicht zuletzt
der sich "unerträglich dahin schleppende Verlauf dieses Verfahrens",
wie es Axel Haug in seiner persönlichen Erklärung ausdrückte.
Erst Anfang des Jahres hatte Rudolf Schindler für eine handfeste
- und in der Soliszene nicht unumstrittene - Überraschung gesorgt
, als er im Rahmen eines Deals mit dem Gericht ein Teilgeständnis
ablegte und sich mit Einverständnis seiner Frau Sabine Eckle
auch zu deren Rolle in den Berliner RZ äußerte. (vgl.
ak 459)
"Verdammte Lügen"
Auch Axel Haug widersprach der Version des Kronzeugen deutlich.
Am Ende seiner detaillierten Erklärung, in der er alle Vorwürfe
Tarek Mouslis bestritt und lediglich Unterstützungsarbeiten
für die RZ einräumte, erschienen die Behauptungen des
Kronzeugen jedenfalls äußerst unglaubwürdig. "Unter
dem Decknamen Anton' diskutierte ich im erweiterten Kreis über
Grundlagen von Migration, die verzweifelte Lage vieler Flüchtlinge
und die daraus abgeleitete so genannte Flüchtlingskampagne
mit", so Axel Haug in seiner von seinem Anwalt Jasper von Schlieffen
verlesenen persönlichen Erklärung. Im Sommer 1984 sei
er auf ein mögliches Mitwirken in den Berliner RZ angesprochen
worden. Zwar habe er seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt,
gleichzeitig aber deutlich gemacht, dass für ihn die politische
Unterstützungsarbeit für Nicaragua weiterhin erste Priorität
habe. Wegen eines längeren Nicaragua-Aufenthaltes wurde deshalb
der Kontakt erst wieder 1986 aufgenommen. In der Folge habe er sich
lediglich an der Unterstützung der beiden untergetauchten Rudolf
Schindler und Sabine Eckle beteiligt. Der Kontakt wurde allerdings
bereits im Herbst 1986 wieder abgebrochen, da er als Zeuge im so
genannten radikal-Verfahren ins Visier der Ermittlungsbehörden
geraten war. "Da ich nunmehr sicher war, den Strafverfolgungsbehörden
zumindest als Zeuge in einem Verfahren nach § 129a StGB aufgefallen
zu sein und ständig unter polizeilicher Beobachtung zu stehen,
brach ich im Herbst 1986 entsprechend unseres Sicherheitskonzeptes
jeden Kontakt zur RZ ab." Erst im Frühsommer 1987 habe es wieder
"vorsichtige" Kontakte zwischen ihm und der RZ gegeben, wobei er
nie an konspirativen Treffen der Gruppe teilgenommen habe. "Die
wenn auch diffusen Unterstellungen des Zeugen Mousli, ich hätte
vor dem oben geschilderten Hintergrund zeitgleich einen Beitrag
zu den Anschlägen auf Harald Hollenberg und die Zentrale Sozialhilfestelle
für Asylbewerber (ZSA) geleistet, sind absurd." Auch an dem
Anschlag auf Günther Korbmacher sei er nicht beteiligt gewesen.
Da er zu diesem Zeitpunkt nur noch Kontakt zu einzelnen Militanten
der RZ gehabt habe, sei seine "Beteiligung an Vorbereitung oder
Absicherung des Anschlags niemals auch nur erwogen" worden.
1988 habe er dann auf Grund "persönlicher und politischer
Erwägungen" seine Unterstützungsarbeit für die RZ
eingestellt. Darüber hinaus wäre seine Beteiligung am
versuchten Sprengstoffanschlag auf die Berliner Siegessäule
1991 schon deshalb unmöglich gewesen, weil er zu diesem Zeitpunkt
wegen einer Knieverletzung medizinisch behandelt wurde. Vehement
sprach er sich dagegen aus, im MehringHof habe es ein RZ-Waffendepot
gegeben: "Wäre ich zu irgendeiner Zeit mit einem solchen Ansinnen
konfrontiert worden, hätte ich mich entschieden dagegen verwahrt
... Der MehringHof ist vermutlich einer der bestüberwachten
linken Treffpunkte der Stadt." Detailliert wies er zudem nach, dass
weder der von Mousli bei der ersten MehringHof-Razzia im Dezember
1999 genannte Aufzugsschacht noch der bei der zweiten Durchsuchung
im Mai 2000 von ihm per Video-Standleitung identifizierte Elektroraum
für ein Sprengstoffdepot geeignet gewesen seien. Mit letzterem
hätte Mousli "den im technischen Sinne brisantesten' Raum des
ganzen MehringHofs gewählt", so der langjährige Hausmeister
des Projekts. Hinzu komme, dass beide Räume regelmäßig
wegen Wartungsarbeiten bzw. generell öffentlich zugänglich
gewesen seien.
Brisante Enthüllungen
Wie der Senat die Einlassungen der drei Angeklagten bewertet, machte
er mit einem Beschluss vom 4. März klar. Darin lehnte er eine
Haftverschonung von Harald Glöde ab. Der "dringende Tatverdacht
ist nach wie vor gegeben", so das Gericht, und durch die Einlassungen
sogar "erhärtet worden". Mit ihren Teilgeständnissen hätten
Rudolf Schindler, Sabine Eckle und Axel Haug "die im Ermittlungsverfahren
und in der laufenden Hauptverhandlung gemachten Angaben des Kronzeugen
bestätigt". Mit ihren Aussagen hätten die drei zudem "zu
erkennen gegeben, dass sie bereit sind, die Verantwortung jedenfalls
für einen Teil der ihnen gemachten Vorwürfe zu übernehmen
und sich dem Verfahren zu stellen", weshalb auch aus Gründen
der Gleichbehandlung eine Haftverschonung nicht in Frage käme.
Dass Sabine Eckle dabei lediglich die verjährte Mitgliedschaft
in einer "terroristischen Vereinigung" eingestanden hat und Axel
Haug nur Unterstützungshandlungen "im rechtsverjährten
Zeitraum" einräumte, also beide im Kern den Anklagevorwurf
bestritten, spielt dabei keine Rolle.
Die Entscheidung des Kammergerichts macht deutlich: Nur wer einen
Unglücksfall in der Familie hat (wie bei Matthias Borgmann)
oder aber durch eine Einlassung in der einen oder anderen Form seine
Kooperationsbereitschaft mit dem Gericht zeigt, kann mit Haftverschonung
rechnen. Wer jedoch auf sein Recht auf Aussageverweigerung pocht
und somit den Ball an die Anklagebehörde zurückgibt, alleine
auf Grundlage der widersprüchlichen Aussagen des Kronzeugen
über Schuld und Unschuld zu entscheiden, muss dafür büßen.
mb., Berlin
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