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Datum:
22.02.2002
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Zeitung:
ak 459
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Titel:
RZ-Prozess: Die Zeiten ändern sich
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RZ-Prozess: Die Zeiten ändern sich
Wenn behauptet wird, ein Prozess sei politisch verloren, müsste
dazu eine Vorstellung existieren wie ein Sieg ausgesehen hätte.
Die Frage wäre leicht zu beantworten, wenn es die RZ noch gäbe",
schreibt Matthias Borgmann, einer der Angeklagten, in dieser Ausgabe.
Damit bringt er ein Dilemma, das dieses Verfahren von Beginn an
begleitete, auf den Punkt.
Die Revolutionären
Zellen haben sich Anfang der 90er Jahre aufgelöst, weil sie für
ihr Konzept der militanten Intervention keine Basis mehr sahen.
Die Zeiten
ändern sich.
Wenig geändert
haben sich die Methoden der politischen Justiz. Von "Stammheim"
kann zwar im Gerichtssaal 500 des Kriminalgerichts Moabit nicht
die Rede sein - meist herrscht dort ein verbindlicher Ton. Dennoch
ist der politische Wille unüberhörbar, die Angeklagten zu verurteilen
- um am "Sieg" des Staates über seine "Feinde"
keinen Zweifel zu lassen.
Eines ist
wie immer: Die Herren des Verfahrens sitzen nicht auf der Richterbank.
Willfährig und vorauseilend fügt sich das Gericht beim kleinsten
Wink der Bundesanwälte.
Den vielfältigen
Fragwürdigkeiten, Ungereimtheiten und offenkundigen Lügen des Kronzeugen
Tarek Mousli will es nicht nachgehen. Das einzige Beweismittel in
diesem Prozess darf nicht demontiert werden, um die Verurteilung
der fünf GenossInnen nicht zu gefährden.
Einer von
ihnen hat nun für sich die Konsequenzen gezogen. Er hat sich gegen
U-Haftverschonung und ein garantiertes Strafhöchstmaß zu einer Einlassung
entschlossen. Damit ist nun zum ersten Mal im Gericht eine Gegendarstellung
zu Mouslis vom BKA präparierten RZ-Zerrbild zu hören gewesen. Problematisch
bleibt die Art und Weise, wie die Einlassung zustande kam. Auch
wenn es kein politisches Kollektiv der Angeklagten gibt, besteht
weiterhin die Notwendigkeit der politischen Solidarität.
Hieran haben die Zeiten nichts geändert.
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