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Datum:
22.12.1999
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VerfasserIn:
MehringHof
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Redebeitrag der MehringHof-Projekte auf der
Kundgebung am 22. Dezember 1999
Am Sonntag, den 19. Dezember, wurden zwei Mitarbeiter desMehringHofs
(MH) in ihren Wohnungen verhaftet, die Wohnungen wurden stundenlang
durchsucht. Zeitgleich begann die Polizei, auf Anordnung der
Generalbundesanwaltschaft eine Durchsuchung im gesamten Komplex des
MehringHofs.
In diesen Wochen zelebriert der MH sein 20jähriges Bestehen!
Das heißt, der MH steht seit 20 Jahren für die Vielfalt linker
Politik jenseits der Parteien, für ein breites Spektrum von
linksliberaler bis linksradikaler Politik, die sich nicht auf einen Begriff
bringen läßt.
Der MH ist ein kultur-politisches Zentrum für mehr als 30
selbständig arbeitende Projekte. Das sind Gewerbetriebe wie
Buchverlage und der Fahrradladen, das sind zwei Theater, das sind diverse
politische und soziale Initiativen und Gruppen. Hier können sich
kranke oder behinderte Menschen Pflegekräfte für die Hauspflege
holen, hier wird Flüchtlingen und MigrantInnen medizinisch
weitergeholfen, hier gibt's eine Vermittlungsstelle für
psychosoziale Therapiewünsche, erwachsene Analphabeten können
Schreiben und Lesen lernen und, und, und. Und im MH gibt's
außerdem eine große Kneipe, die wir alle sehr mögen!
Der Mehringhof ist in der Blütezeit der radikalen Alternativkultur
und Alternativpolitik entstanden, mitgewachsen in den Jahren, beständig und doch
"aufständig". Es ist viel pragmatisches Alltagsleben
eingekehrt und doch verstehen sich die Projektmitglieder immer wieder als
kritisch zum herrschenden System.
Auch deshalb haben wir anläßlich des 20jährigen Bestehens
eine Spendenkampagne ins Leben gerufen, mit der wir Gruppen
unterstützen, die eine deutlich antirassistische Politik der
praktischen Solidarität mit Flüchtlingen, MigrantInnen und
Illegalisierten machen.
All dies zusammen bringt Politik und Justiz des Landes in Verwirrung.
Es kann nicht sein, daß für linke Politik eingestanden wird und
zugleich hier über 120 Menschen ihren Arbeitsplatz haben. Noch dazu
gehört allen Haus und Grundstück!
Das ist unkontrollierbar, keine Schublade paßt. Und das ist
gefährlich.
Der ersteVorwurf, daß hier Bomben gebaut würden, kam bereits
1979 und sollte verhindern, daß die Banken den
Gründungsprojekten Geld geben, um Haus und Grundstück vom
Vorbesitzer, der Berthold AG, kaufen zu können. Sie wiederholte sich
im Laufe der 20jährigen Geschichte, bis zur vorläufig letzten
fantastischen Spekulation darüber.
Genauso wiederholt sich die Forderung z.B. der CDU nach Schließung
des Mehringhofs. Ausgerechnet diese Partei verkennt dermaßen die
Eigentumsrechte in diesem Lande.
Unsere Kollegen Axel und Harald sie fehlen uns.
Harald ist Mitbegründer des FFM, der Forschungsgesellschaft....,
die jetzt 5 Jahre besteht. Harald hat sich inbesondere mit
Menschenrechtsverletzungen und den TaxifahrerInnenprozessen an der Grenze
beschäftigt.
Axel hat seit Gründung des Mehringhofs hier zu tun. Seit 10 Jahren
arbeitet er hier als Hausmeister der Selbstverwaltung des Mehringhofs. Er
hat das uneingeschränkte Vertrauen aller Mieter und Projekte.
Und nun der Vorwurf gegen ihn, daß er hier vor vielen Jahren
Sprengstoff versteckt haben soll. Vorwürfe, die längst verjährt sind.
Uns scheint eines sehr klar: Wäre Axel woanders Hausmeister, in einer
normalen Grundstücksverwaltung, dann wäre eine Durchsuchung, ach
was, eine Gebäudebesetzung der Art, wie sie hier am Sonntag
kriegsmäßig stattgefunden hat, so nicht abgelaufen. Von 6 Uhr
morgens bis 6 Uhr abends war der Zutritt für die Mieter nur unter
erschwerten Bedingungen möglich, für manche auch gar nicht,
Hunderte von BGS-, BKA-, LKA-, SEK- und GSG 9-Männern und -Frauen
hatten sich hier martialisch mit Waffengewalt das Hausrecht angeeignet.
Vorläufiger Schaden: mindestens 100.000 Mark.Die Nachbarhäuser
und -höfe wurden gleich auch gleich mit einbezogen: unsere
NachbarInnen kamen nur durch eine Polizeisperre und nach Vorzeigen ihres
Personalausweises in ihre Wohnungen.
Die staatsanwaltlichen Vorwürfe beziehen sich vor allem auf
Aktionen derRevolutionären Zellen und der Roten Zora in den Jahren
'86-'87 gegen die staatliche rassistische Flüchtlingspolitik -
strafrechtlich sind sie verjährt - und auf eine entsprechende
Mitgliedschaft in eben diesen sogenannten terroristischen Vereinigungen.
So steht für uns fest: Es soll auch der Mehringhof als Zentrum der
Politik-, Kultur- und Gewerbeprojekte treffen. Ein Ort, in dem die Freiheit
herrscht, gesellschaftliche Vorgänge kritisch zu reflektieren, neue,
andere Gesellschaftsentwürfe zu denken und auch auszuprobieren, wie
z.B. die Selbstorganisation des Hauses. Ein Ort, in dem sich zu den Themen
der Regierungshauptstadt und globalen Zusammenhängen theoretisch und
praktisch geäußert wird.

Besonders empörend finden wir, daß am frühen Morgen des
19.12. eine Gruppe von 20 Leuten, die im Mehringhof ein Fest gefeiert
hatte, hier stundenlang von GSG 9 und anderen Sondereinsatzkräften
ohne Grund festgehalten wurden. Kein Anruf nach Draußen war erlaubt,
keine Unterhaltung untereinander, dafür gabs aber Schläge und
Beleidigungen. Von diesen Partygästen kamen 3 Menschen in
Abschiebehaft, zwei sitzen immer noch dort.
Für uns gilt wie schon vor 20 oder 10 Jahren nach
Hausdurchsuchungen und Versuchen, den Mehringhof zu kriminalisieren: wir
lassen uns nicht einschüchtern! Unsere Politik bestimmen wir
selbst.
Freiheit für Axel und Harald und für die zur gleichen Zeit in
Frankfurt verhaftete Sabine!
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