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Erklärungen

Datum:
17.05.2001

VerfasserIn:
Harald Glöde

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Zum richtigen Verständnis dieser Position und Vorgehensweise des 1. Strafsenats gehört die mittlerweile sechsjährige Ermittlungsgeschichte dieses konkreten Verfahrens. Ich habe mal den Versuch unternommen, anhand der uns überlassenen Ermittlungsakten den Verlauf der Ermittlungstätigkeiten nachzuvollziehen. Dabei bin ich auf eine ganze Reihe von Lücken, von Ungereimtheiten und von Manipulationsspuren gestoßen, die für mich viele Fragen aufwerfen. Eigentlich hätten auch den Richtern dieses Senats bei einem nur halbwegs unvoreingenommenen Aktenstudium diese Merkwürdigkeiten auffallen müssen. Allerdings habe ich bis heute nicht feststellen können, dass es von Seiten des Gerichts entsprechende Nachfragen an die Strafverfolgungsbehörden gegeben hätte. Auch insofern bleibt für mich wiederum nur die Schlussfolgerung, dass der 1. Senat ohne objektive und kritische Beweisaufnahme unsere Verurteilung betreibt.

Ich möchte im folgenden ausführen, wie sich für mich nach Aktenlage die erkennbare Ermittlungstätigkeit von BKA und BAW darstellt. Mir hat sich der Eindruck aufgedrängt, als wenn die einzelnen Ermittlungsschritte anhand eines BKA-internen Leitfadens mit dem Titel "Wie schaffe ich mir einen Kronzeugen" entwickelt worden wären.

Zeitlich beginnen will ich mit dem März 1998. In diesem Monat werden TM und seine damalige Lebensgefährtin vom BKA als die Mieter des Kellers festgestellt, aus dem, fast auf den Tag genau, drei Jahre zuvor Sprengstoff gestohlen worden sein soll, der am 7. April 1995 von der Berliner Polizei beschlagnahmt worden ist. Obwohl das BKA noch am selben Tag von diesem Sprengstofffund informiert wurde, befinden sich in den uns überlassenen Ermittlungsakten bis zum November 1997 keinerlei Hinweise auf irgendwelche Ermittlungstätigkeiten des BKA. Erst Ende November 1997 beginnt nach den Akten ein etwas konstruiert wirkendes Zusammenspiel von BKA und BAW, das zur "Wiederentdeckung" dieses Sprengstofffes vom März 1995 und zu seiner sofortigen Zuordnung zum Ermittlungskomplex RZ führt. Die ab jetzt dokumentierten Ermittlungen führen zu dem besagten Keller und seinem Mieter TM. Ich will mich hier mit diesem Zeitraum von März 1995 bis März 1998 nicht weiter auseinandersetzen, da er auch in den Akten ausgespart ist. Am 6.3.98 wird TM erstmalig als Mieter des Kellers aktenkundig und am 11.3.98 leitet die BAW ein "Ermittlungsverfahren gegen unbekannt ein, wegen des Verdachts eines Verbrechens nach 129a" mit dem Stichwort RZ-Depot. Mit der Ermittlungsführung wird der EKHK Schulzke vom BKA beauftragt. Geht man davon aus, dass sich in den Ermittlungsakten die einzelnen Ermittlungsschritte dokumentieren, so kann man wieder nur konstatieren, dass offensichtlich auch in der Folgezeit keine Ermittlungen zu TM stattgefunden haben, es sei denn, man bezeichnet die mehrmalige Suche im Telefonbuch nach der aktuellen Telefonnummer und Anschrift von TM als intensive Ermittlung. Ab Ende Oktober 1998 wird dann eine richterlich genehmigte Telefonüberwachung bei TM durchgeführt. Ab diesem Zeitpunkt werden die Ermittlungsakten gefüllt mit Berichten zu einzelnen ausgewählten Telefongesprächen und vielen Vermerken zu den technischen Problemen der Telefonüberwachung. Andere Ermittlungstätigkeiten finden in dieser Zeit nicht statt, zumindest wenn man den Akten glauben darf. Das Kammergericht hat diese doch sehr lückenhafte Ermittlungsakten widerspruchslos akzeptiert und als Grundlage für die Eröffnung des Hauptverfahrens genommen. Jede Person, die schon mal mehr als einen Krimi gelesen hat, fragt sich aber berechtigterweise, was in diesem Zeitraum von März 98 bis April 99 tatsächlich an Ermittlungen durchgeführt worden ist, und warum sich davon nichts in den Akten wiederfindet? Ich gehe davon aus, dass in diesem Jahr tatsächlich intensive Ermittlungen zu der Person TM stattgefunden haben. Über die Art und das Ausmaß der Ermittlungen will ich hier nicht spekulieren, aber die dem BKA zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Methoden sind ja allgemein bekannt. Auf jeden Fall ist davon auszugehen, dass genügend Hintergrundinformationen über TM zusammengetragen wurden, um daraus ein entsprechendes Persönlichkeitsbild oder Psychogramm von ihm erstellen zu können. Auf dieser Grundlage sind dann wohl, in Absprache mit der BAW, das weitere Vorgehen und die Ermittlungsziele diskutiert und festgelegt worden. Die dann eingeschlagene Strategie unterlag vermutlich folgende Prämissen:

- aufgrund des langen Ermittlungsvorlaufs musste ein möglichst spektakuläres Ermittlungsergebnis angestrebt werden, denn immerhin waren im Frühjahr 99 schon vier Jahre vergangen seit der Beschlagnahme des Sprengstoffs. Für dieses spektakuläre Ermittlungsergebnis wäre die alleinige Verhaftung von TM nicht ausreichend gewesen, es mussten um jeden Preis weitere Personen verhaftet werden. - aufgrund der Erkenntnisse und der gewonnenen Einschätzung zu TM konnten das BKA und die BAW davon ausgehen, dass er dazu zu bringen wäre, weitere Angaben zu machen und andere Personen zu beschuldigen, wenn das polizeiliche Vorgehen entsprechend gezielt und abgestuft vonstatten gehen würde. Auf dieser Grundlage und mit dieser Strategie wurden dann bei TM, an seinem Arbeitsplatz und an einigen anderen Orten am 14.4.99 Hausdurchsuchungen durchgeführt, mit dem Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Bei seiner vorläufigen Festnahme zeigte sich TM kooperationsbereit, verwies auf seine guten Kontakte zu verschiedenen Polizeibeamten und führte schon mal einen, später als scherzhaft deklarierten, Wortwechsel mit den BKA'lern über das mögliche Auffinden von Waffen und Sprengstoff. Noch am selben Tag wird TM auf Anweisung der BAW auf freien Fuß gesetzt. Dies ist insofern bemerkenswert, als man in der Geschichte der 129a-Verfahren wahrscheinlich schon sehr intensiv suchen muss, um vielleicht ein vergleichbares Verhalten der BAW entdecken zu können. Darüber hinaus ist es das erste von mehreren Beispielen in diesem Verfahren, bei dem die BAW für den Beschuldigten TM praktisch die Rolle des Verteidigers einnimmt und diesen überflüssig werden lässt. Das vorerst letzte Beispiel war ja in dem Gerichtsverfahren gegen TM zu beobachten, in dem sein Verteidiger ja auch nicht mehr zu tun hatte, als sich den Plädoyers der BAW anzuschließen.

Bei den Gesprächen am Folgetag wird TM dann erstmalig die Kronzeugenrolle angeboten, und er erklärt, "dass er in Anwesenheit seines Anwaltes zu Vorhalten des BKA Stellung beziehen werde". Grundsätzlich zeigt TM ein kooperationsbereites Verhalten, ohne aber zu diesem Zeitpunkt irgendetwas zu den konkreten Vorwürfen zu sagen.

Einen Monat später, am 19.5.99, wird TM erneut verhaftet, da das BKA nun der Meinung ist, ihm zusätzlich zu dem Vorwurf der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, den Besitz von Sprengstoff vorwerfen zu können. Grundlage hierfür bilden Aussagen der ehemaligen Lebensgefährtin von TM.

Bei dieser Festnahme erwähnt TM erstmalig, dass bei ihm gefundene und beschlagnahmte Dinge dem verstorbenen Michael Wittmann gehören könnten. Daraufhin findet ein Gespräch zwischen TM und Schulzke statt, in dem die polizeiliche und die strafrechtliche Bewertung einer derartigen Aussage erörtert werden. Wie bei vielen anderen Gesprächen zwischen diesen beiden, ist es auch in diesem Fall nicht protokolliert, sondern wird mehr beiläufig in einem Bericht von Schulzke erwähnt und zusammengefasst.

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