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Früchte des Zorns

Anschläge gegen das Verwaltungsgericht Düsseldorf und das Oberverwaltungsgericht Münster

(1989)

Soziale Revolution gegen imperialistische Flüchtlingspolitik

Sie machen sich nicht selbst die Hände schmutzig. Sie beteiligen sich nicht selbst an Folterungen, Vergewaltigungen oder Hinrichtungen, etwa von kurdischen oder tamilischen Frauen und Männern.

Dennoch - ihre Arbeit ist ein blutiges Geschäft.

Sie sind ein kleines, aber wirksames Rad im internationalen Klassenkrieg gegen die Armen der drei Kontinente. Ihre Waffe ist das Asylrecht. Ihr Schutz die Anonymität des Justizapparates: die Richter an den Asylkammern der westdeutschen Verwaltungsgerichte.

Wenn überhaupt was über die rassistischen Praktiken der Gerichte bekannt wird, sind es die ganz spektakulären Fälle - etwa der Tod eines Schwarzen aus Sierra Leone, der, nachdem er von der 18. Kammer des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts ausgesondert worden war, in seiner Heimat von seinen Verfolgern ermordet wurde - der Täter: Richter Fix.

Die Geschwindigkeit und Präzision, mit der dieser Richter an der "Horrorkammer" abschlägige Urteile gegen Flüchtlinge fällt, hat in Deutschland Tradition. Der zynische Kommentar seines Dienstherrn: der Tod des Schwarzafrikaners seit letztlich ein "schicksalhaftes Geschehen".

Der alltägliche Horror, die Normalität ist die Aussonderung der Flüchtlinge aus dem Trikont - die Verweigerung ihres Existenzrechts.

Der weitaus größte Teil der weltweit zwangsmobilisierten Flüchtlinge sind Frauen. Die meisten von denen, die es trotz Abschottung der Metropolen überhaupt schaffen herzukommen, sind Männer. Es ist angesichts des 5jährigen Arbeitsverbotes, Bewegungsverbotes, dem Leben in Lagern, der ständigen Unsicherheit ein zweifelhaftes Privileg - aber immerhin noch besser als die Lebensbedingungen der Frauen und Kinder, die in den Flüchtlingslagern der Armutszonen der Welt täglich um ihr Überleben kämpfen müssen - wie z. B. die kurdischen Flüchtlinge in der Türkei, die vor den deutschen Giftgasgranaten [27] aus dem Irak fliehen mußten.

Die Flüchtlingsfrauen [28], die sich hier nicht als Prostituierte in Bordellen wiederfinden oder als Ehefrauen verkauft werden, sondern ihr Recht auf Leben in Form von Asyl einklagen, haben ganz schlechte Karten: sexistische Gewalt ist vor den Gerichten in der BRD kein Fluchtgrund - trotz Folter und Vergewaltigung an Frauen aus dem Widerstand oder von sozialen Minderheiten.

TürkeiWird Folter an politischen Gefangenen z.B. aus der Türkei von den Gerichten hier nur als normale Verfolgungsmaßnahme im Staatsschutzinteresse bezeichnet, so charakterisiert das Oberverwaltungsgericht Münster in einer Grundsatzentscheidung sexistische Gewalt gegen Frauen als allgemeine Verfolgungsnahme, die nicht gegen Frauen als Geschlecht gerichtet sei. In diesem konkreten Fall entschied dieses Gericht gegen eine Frau aus Sri Lanka, weil eine Vergewaltigung als ganz normale Erscheinung in Bürgerkriegssituationen kein individuell einklagbares Recht auf Asyl begründen würde.

Wenn Flüchtlingsfrauen überhaupt ein Aufenthaltsrecht zugebilligt wird, dann als Ehefrau eines anerkannten Mannes.

Es ist die Verachtung gegenüber Frauen, die ihnen hier wie dort als Sexismus gegenübertritt. Der Angriff auf die weibliche Identität ist aber auch die Angst der Herrschenden vor dem zunehmenden weltweiten Widerstand von Frauen - dem Widerstand der Besitzlosen, der alle Machtverhältnisse zum Einsturz zu bringen droht.

Wir haben heute am Oberverwaltungsgericht Münster und im Verwaltungsgericht Düsseldorf Sprengsätze gezündet, weil alle, die sich an der Aussonderung und Kontrolle von Flüchtlingen beteiligen, wissen sollen, daß auch sie die Solidarität der Unterdrückten treffen kann.

Wir haben inzwischen gelernt, daß die imperialistische Flüchtlingspolitik nicht geschlechtsneutral ist. Wenn Männer in der Metropole den Kampf gegen institutionalisierte Formen männlicher Macht aufnehmen, dann nicht unter dem Vorzeichen einer angeblichen Gleichheit. Das wäre nichts anderes, als der Ansatz zu einer neuen Dimension des Betrugs.

Denn als Metropolenmänner sind wir selbst Teil des Problems, Profiteure der sexistischen und rassistischen Machtstrukturen. Deshalb ist unser Kampf für die Aufhebung aller Gewaltverhältnisse mit Sicherheit erstmal ein widersprüchlicher Prozeß. Der Bezug auf den weltweiten Widerstand von Frauen und Farbigen muß aber praktisch werden und hier die institutionalisierten Formen des Rassismus und Sexismus angreifen - Solidarität ist ein Kampfbegriff.

Wir knüpfen heute an unsere Kampagne gegen die imperialistische Flüchtlingspolitik an, die wir begonnen hatten, als im Sommer 86 die rassistische Mobilisierung gegen Flüchtlinge als Hetzkampagne gegen "Wirtschaftsflüchtlinge" und "Überfremdung" einsetzte. Ergebnis dieser wohlinszenierten Staatskampagne waren die verschärften Lebensbedingungen für Flüchtlinge und die dichten Grenzen. Die rassistische Ausländerpolitik hier ist Teil einer globalen Bevölkerungs- und Sozialpolitik gegen die arm gemachten Massen der 3 Kontinente. Sie richtet sich gegen ihren Versuch, ihr Recht auf Leben und Existenz hier in den imperialistischen Zentren zurückzufordern. Sie ist aber auch Teil der Sozialpolitik hier zur Neuzusammensetzung der Klasse. Die rassistisch vermittelte Klassenspaltung und der Sexismus sind die einzigen ideologischen Kampfmittel der Herrschenden zur Ablenkung von den sozialen Folgen der kapitalistischen Umstrukturierung, dem Angriff auf den Soziallohn, der Entgarantierung der Arbeitsverhältnisse, den miesen Jobs zu Niedriglohnbedingungen, dem Arbeitszwang für Sozi- Empfänger, die Aussonderung der Alten und Kranken.

Die Propagierung der Kleinfamilie, die Kampagne der Rechten gegen den §218, die Einführung der neuen Reproduktionstechniken sind Teil des Angriffs auf die Identität von Frauen, die sich auch hier zunehmend patriarchalen Strukturen verweigern und widersetzen.

Die Bevölkerungs- und Sozialpolitik ist von ihrem Charakter her sozialdarwinistisch. [29] Das Prinzip der Auslese und Ausmerze wird schon daran deutlich, wie die Verschärfung des Ausländerrechts und die Durchsetzung der Gen- und EitelleReproduktionstechnologien propagiert werden. So sind in der Begründung für ein europäisches Forschungsprojekt "Prädikative Medizin" offen eugenische Kriterien benannt worden. Im ersten Entwurf für ein neues Ausländerrecht wurden nationalistisch- völkische Kriterien in den Gesetzestext wiedereingeführt. Dieser Entwurf verdeutlicht nur die Essenz der Ausländerpolitik: die Abschottung der Herrenmenschen vor den unnützen Essern, den Farbigen des Trikonts und gleichzeitig ihre Verwertung als Arbeitsvölker. Nach den Plänen für das neue Ausländerrecht wird es für die schon aus der Zeit vor dem Anwerbestop 1973 hier arbeitenden ImmigrantInnen minimale Verbesserungen geben, für alle anderen gibt es keinen gesicherten Aufenthalt. Die Bestimmungen sind so vage gehalten, daß die Ausländerbehörden, je nach den Erfordernissen des Arbeitsmarktes und politischem Wohlverhalten, befristete Arbeitserlaubnisse erteilen können. Die de- facto- Flüchtlinge sollen konsequent abgeschoben werden.

Die Aufnahme von hunderttausenden von Flüchtlingen aus Osteuropa steht zur restriktiven Ausländerpolitik nicht im Gegensatz: die Aussiedler werden zum begehrten Objekt zur Sicherung der Niedriglohnpolitik, analog der Adenauerschen Flüchtlings- und Vertriebenenpolitik in der Nachkriegszeit. Sie werden aber auch selbst zum Objekt des Rassismus in der Gesellschaft.

Die Tatsache, daß an den Grenzen der BRD heute ein NSDAP- Mitgliedsbuch mehr gilt, als die Folterspuren am Körper einer Farbigen, weist auf eine Kontinuität europäischer Großraumpolitik seit dem Nationalsozialismus hin.

So ist die Vereinheitlichung der Flüchtlingspolitik zum Schmiermittel zur Durchsetzung der Vereinigten Staaten von Europa geworden, des Europa der Bullen und Bonzen, im Interesse der Multis. Gegenstand vieler Konferenzen und Verträge im Vorfeld des europäischen Binnenmarktes, wie TREVI [30] und Schengener Abkommen [31], waren immer die Vereinheitlichung der Sicherheitsapparate und die Ausländerpolitik. Es geht dabei um nicht weniger, als den Entwurf einer modernisierten Innen- und Sozialpolitik im europäischen Großraum. Dabei sind die einheitlichen Mechanismen zur Zwangsmobilisierung der Arbeitskräfte aus den angrenzenden Armuts- und Aufstandsregionen des Nahen Ostens (einschließlich der Türkei) und Nordafrikas von besonderer Bedeutung.

Wir hatten unsere Kampagne gegen die imperialistische Flüchtlingspolitik im Herbst 86 als Vorschlag an die gesamte autonome und sozialrevolutionäre Linke in der BRD formuliert.

Wir gehen nach wie vor davon aus, daß Antiimperialismus in der Metropole nur konkret werden kann, wenn er sich auf gesellschaftliche Konflikte hier bezieht und sich ins Verhältnis setzt zu einem möglichen Klassensubjekt in der Metropole und gleichzeitig zu den Kämpfen der Massen in den drei Kontinenten. In diesem Zusammenhang sehen wir auch unsere Aktionen gegen transnationale Konzerne hier zur Unterstützung des Befreiungskampfes im südlichen Afrika.

Auch wenn unser Vorschlag nicht massenhaft praktisch aufgegriffen wurde, so waren die Auseinandersetzungen um die Kampagne gegen das Treffen des internationalen Mordkartells in Berlin [32] ein wichtiger Schritt zur Entwicklung eines antiimperialistischen Bewußtseins der Linken.

Daß der Feind aber nicht schläft, ist schon nach den Schüssen an der Startbahn [33] deutlich geworden. Die Schüsse waren nur der Auftakt einer Verfolgungswelle, mit der der Staat versucht, all die politischen Ansätze der letzten Jahre und die Entwicklung des militanten Widerstandes seit Anfang der 80er einzudämmen. Durch den permanenten Belagerungszustand, die Ausweitung der Anti- Terror- Gesetze, den verstärkten Einsatz geheimdienstlicher Mittel, ist die radikale Linke seitdem auf sich selbst zurückgeworfen.

Die Repression wird aber nicht im Protest gegen die Repression selbst gebrochen, sondern durch die Verankerung sozialrevolutionärer Politik.

Die politische Entwicklung in diesem Land, insbesondere die Wahlerfolge neofaschistischer Gruppen [34], haben uns darin bestätigt, daß antiimperialistische Politik in der Metropole nur dann eine Perspektive hat, wenn sie gleichzeitig auch eine Antwort ist auf soziale Fragen: Das Herz des Staates ist das Bewußtsein der Unterdrückten - Revolution ist ohne den Kampf um die Köpfe der Menschen nicht denkbar.

Wir hatten nie die Illusion, daß Teile der proletarischen Jugend, der Frauen, der Arbeitslosen oder anderer Teile der Gesellschaft rasch gemeinsame Interessen mit Flüchtlingen und ImmigrantInnen entwickeln würden, dafür greift der Sexismus und der Rassismus nur zu gut. Antiimperialismus muß aber genau dort angesiedelt sein und diesen Knoten durchschlagen.

Den Befreiungskampf der Frauen und Farbigen in den drei Kontinenten aufgreifen - den antiimperialistischen Kampf im "Herz der Bestie" führen!


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