Anschlag auf das türkische Generalkonsulat, Köln
(Februar 84)
In der Nacht zum 8.2. erfreute sich das türkische Generalkonsulat
eines frischen Luftstoßes. Er fegte durch die Außenmauer
und Büroräume einen stattlichen Tresor von den Beinen.
In Begeisterung ob der geilen Brise bedauert es das Gebäude,
weiterhin stehen zu müssen. Schon vor dem Sprengstoffanschlag
hatte es der Generalkonsul vorgezogen, seine Residenz in einen Kölner
Vorwort zu verlagern.
Im November 82 hatten 10 türkische Asylanten das Konsulat
besetzt und 60 Beschäftige als Geiseln genommen. Grund: der
politische Faschismus und die nach wie vor schweinischen Verhältnise
in den türkischen Knästen und Internierungslagern.
Nach 15 Stunden wurde die Aktion abgebrochen, den Leuten wird zur
Zeit in Köln gerichtlich der Strick gedreht. Allein schon aufgrund
der bei diesem Prozeß abgegebenen politischen Erklärungen
droht ihnen bei Verurteilung und Abschiebung in die Türkei
der sichere Tod.
In diesem Zusammenhang die folgende Erklärung:
Die politisch Verfolgten und Flüchtlinge erfahren in dieser
Krise wieder: sie sind noch lange nicht gerettet, wenn sie den Staatsjägern,
Folterern und Henkern ihrer Länder entkommen sind. Solange
hier ein Mensch ohne die "richtigen Papiere" Freiwild
ist, solange immer gemeiner ausgeheckte Auflagen und unerfüllbare
Vorschriften jegliches Existenzrecht außer Kraft setzen, so
lange ist ein Flüchtling nirgendwo und niemals in Sicherheit.
Die BRD betreibt dieses Geschäft heute am grausamsten und
gründlichsten. "Der Papierkrieg ist für Ausländer
und Exilsuchende vor unserer aller Augen zu einem Krieg auf Leben
und Tod eskaliert worden. Bürokratisch- dunkel, schleichend
und heimlich, aber genauso kaltblütig und brutal wie jeder
andere Krieg auch." (Stephan Seidel in der Taz 3.2.84) Und
nur die allerwenigsten Opfer dieses schmutzigen Kriegs werden bekannt.
Dafür kennt jederman und jedefrau die Menschenjäger: Parteien
und Ministerien verstopfen mit immer neuen gesetzlichen Fallstricken
jedes Schlupfloch und Fremdenpolizei, Ausländerbehörde
und Gericht, Zirndorf [68]
und die Geheimdienste gehen zusammen mit den Botschaften und Konsulaten
der Verfolgerländer auf Treibjagd.
"Die BRD ist seit dem Putsch in der Türkei aufgrund der
vielfältigen Beziehungen zu den türkischen Arbeitsemigranten
hier das bevorzugte Fluchtland für türkische Oppositionelle.
Spätestens seit dem Putsch wurden der türkischen Botschaft
in Bonn und allen Konsulaten Vertreter des türkischen Geheimdienstes
MIT angegliedert, deren Aufgabe in der Auffindung und Beobachtung
geflohender politischer Gegner besteht. Dazu bedienen sie sich eines
ganzen Heeres freiwilliger oder erpreßter Spitzel. Der Verweis
Zimmermanns [69] auf die
gute polizeiliche Zusammenarbeit mit der Türkei ist wahrlich
keine Übertreibung, eher im Gegenteil." (aus: Ausgeliefert,
Cemal Altun [70] und andere)
Der Bombenanschlag auf das türkische Konsulat in Köln
und speziell auf sein Archiv ein Jahr nach dem Verbot von Devrimci
Sol und Halk Der [71]
ist sichtbarer und hörbarer Ausdruck unserer Solidarität
mit den türkischen und kurdischen Konsulatsbesetzern und gleichzeitig
eine Warnung an das Gericht, das sich anmaßt, über die
Legitimität revolutionären Widerstandes gegen die faschistischen
Verhältnisse in der Türkei ein Urteil zu fällen.
Und noch etwas: Es ist höchste Zeit, Fluchthilfe [72]
zu organisieren, wie es die "autonomen Grenzgänger"
in Berlin tun, die einreisende Ausländer vor Verhaftungen schützen.
Wie es in den USA geschieht, wo für salvadorianische Flüchtlinge
Kirchen und Gewerkschaftshäuser geräumt werden und sie
unter dem Schutz dieser Organisationen stehen. [...] Wir haben während
des Vietnamkrieges Fluchthilfe für GIs organisiert. Knüpfen
wir wieder an diesen Internationalismus an, solange wir den Kampf
gegen Abschiebehaft und Ausweisung nicht gewonnen haben.
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