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Es ist zum Kotzen
Februar 1985
In der Taz vom 13.2.85 wurde eine angebliche Erklärung der
RZ zum Hungerstreik abgedruckt. Jeder weiß, daß es Erklärungen
der RZ nur ganz selten gibt (Ausnahmen in den letzten Jahren: Revolutionärer
Zorn, Beethoven- Papier, Diskussionspapier zur Friedensbewegung).
Diese Erklärung ist keine Erklärung der RZ: wir können
nur hoffen, daß es ein Staatsschutzprodukt ist, schließen
aber nicht aus, daß irgendein/e Aufschneider/in seiner/ihrer
Meinung mit diese beiden Buchstaben den medienwirksamen Nachdruck
verleihen will oder daß irgendjemand aus dem Zusammenhang
von Widerstandsgruppen vollkommen durchgedreht ist.
1.
Die Kritik des Papiers ist falsch und opportunistisch. Die Erschiessung
von Audran [50]
und Zimmermann damit zu kritisieren, daß sich niemand über
ihren Tod gefreut habe, ist die dümmste (und zudem nicht richtige)
aller denkbaren Kritiken. Die Entwicklung des Imperialismus entpersönlicht,
versachlicht Herrschaftsverhältnisse, macht sie in der technologischen
Struktur für den einzelnen nicht identifizierbar, abstrakt,
anonym. Direkte Herrschaft wird ausgeübt von beschränkten,
subalternen Schergen, aber die unsichtbaren, unbekannten, feinen,
gebildeten Schreibtischtäter, Manager und Aufsichtsratsvorsitzenden
sind verantwortlich! Jenseits einer Diskussion über Zeitpunkt,
Form, Moral und politisches Ziel der Operationen von RAF und Action
Directe steht fest: es hat zwei Leute getroffen, die wie wenige
andere an der Militarisierung Westeuropas verantwortlich beteiligt
waren.
Wenn die Verfasser/innen des dokumentarischen Schreibens jemand
anderen für einen Anschlag "vorziehen" - warum machen
sie es nicht? Und wenn, dann wäre nicht dieser scheintote Altnazi
Reder fällig, der doch nur für eine historisch überholte
Herrschaftsform steht, sondern der jugendfrische österreichische
Verteidigungsminister, der mit dem Empfang des auch nach 40 Jahren
unbelehrbaren Faschistenpacks und Massenmörders sich in dessen
Traditionslinie stellt.
Es mag auch sein, daß bei anderen Forderungen des Hungerstreiks
sich mehr Gefangene dem Hungerstreik angeschlossen hätten.
Das ist aber nicht unser Problem. Wir respektieren die Aktion von
fast 40 Gefangenen. Wir sind damit solidarisch, wenn sich Gefangene
in Knästen zur Wehr setzen.
Die
zahlreichen militanten Aktionen, die zum Hungerstreik gelaufen sind,
waren unterschiedlich motiviert und griffen in einem weiten, diffusen
Spektrum an. Das war ihre Stärke und Schwäche zugleich.
Es ist ebenfalls nicht unser Problem, ob die Staatsschutzpropaganda
wider besseres Wissen all diese Aktionen "auf das Konto der
RAF verbucht" - auf unserem Konto stehen sie jedenfalls nicht.
Die gemeinsamen Aktionen und Erklärungen von RAF und Action
Directe als "Vorwand für eine neue Stufe der deutsch- französischen
Innenaufrüstung" zu bezeichnen - wo sind wir nun angelangt?
Es ist eine breite und gesicherte Erfahrung der Massenbewegungen
und der bewaffneten Initiativen seit Mitte der 60er Jahre, daß
die Staatsapparate national wie supranational präventive Konterrevolution
betreiben, daß sie keinen Vorwand brauchen, nach Gusto aber
Gelegenheiten wahrnehmen, um ihre Projekte der innerstaatlichen
Aufrüstung, der "nationalen Sicherheit" durchzusetzen,
um die Identifizierung, Einkreisung, Einschüchterung, Integration
oder Verfolgung potentieller Widerstandgruppen voranzutreiben. Daß
Widerstand insofern auch zur Repression führen kann - ja, wer
hätte das gedacht?
2.
Die Funktion dieses Papiers als angebliche RZ - Stellungnahme ist
Spaltung, Desorientierung, Diskreditierung. Es nutzt den staatlichen
Projekten und den politischen Gegnern revolutionärer Politik.
Es könnte aus dem Lehrbuch der Counter- Insurgency stammen.
Behaupte niemand, eine "offene Diskusson" sei notwendig.
Es gibt diese Diskussionen überall - wenn auch nicht schlagzeilenträchtig.
Die politische Differenz der RZ zur RAF drückt sich im übrigen
nicht von Schlagzeile zu Schlagzeile und schon gar nicht als Distanzierung
gegenüber unserem gemeinsamen Gegner aus, sondern seit 1973
in dem Versuch, eine andere, sozialrevolutionäre Linie, andere
Formen des bewaffneten Widerstandes praktisch zu entwickeln. Nur
darum geht es und nicht Scheiße auf Freundinnen und Freunde
zu schmeissen, die uns in diesem furchtbaren Land näher sind
als die meisten anderen.
3. Niederträchtig und erbärmlich ist der Versuch, unsere
verbale und praktische Untätigkeit in den letzten Monaten als
politische Entscheidung auszugeben. Einzelne Menschen der RZ haben
sich an Aktionen zum Hungerstreik beteiligt, wir waren in der Vorbereitung
von Aktionen und haben diese aus verschiedenen Gründen nicht
durchgeführt: aus Unzufriedenheit mit den Objekten, aus Unsicherheiten
über die Entwicklung des Hungerstreiks, aus ganz praktischen
Problemen heraus.
Suggeriert wird aber die Gewißheit eines "sozialrevolutionären
Projektes" der RZ, der militanten Gruppen. Schön wäre
es - in der Praxis diskutieren wir seit Jahren daran, ohne bisher
ein Projekt entwickelt zu haben, daß auf die Krise der Gesellschaften
und der revolutionären Strategien eine adäquate theoretische
wie praktische Antwort gibt.
Eine Gruppe aus dem "Traditionsverein" der RZ
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