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Revolutionärer
Zorn Nr. 1
Mai 1975
Stockholm ... führt zum Faschismus?
Oft wird der revolutionären Linken vorgeworfen, durch ihre
Aktionen trage sie zur Faschisierung der Gesellschaft bei, spiele
den Reaktionären in die Hände, biete einen Vorwand zum
Abbau demokratischer Rechte.
So undifferenziert und z.T. kindisch diese Angriffe sind, so undifferenziert
war meist unsere Antwort. Wachsender Widerstand, zunehmende Kämpfe
provozieren eben Krise und Unterdrückung. Das ist klar und
richtig: wer dies nicht anerkennt, der Unterdrückung nicht
standhalten will, gehört nicht zum revolutionären Lager.
Im Folgenden sollen stärker diejenigen Widersprüche analysiert
werden, die nicht allein bundesrepublikanische Ursachen haben, jedoch
Strategie und Taktik der Bourgeoisie bestimmen und sich in verstärkter
Repression auswirken. Auch lassen sich für die BRD und Westberlin
die Folgen der zunehmenden Arbeiterkämpfe, der Unruhen in den
Stadtteilen und auf dem Lande, unter den Jugendlichen, Frauen, Ausländern
auf das Gefüge der herrschenden Klassen und Parteien nicht
in der Alternative "Faschismus oder Revolution" fassen.
Der
repressive Apparat, der gegen uns aufgefahren wird, das Ausmaß
der Bespitzelung, Einschüchterung, Terrorisierung, die sich
ausbreitende Angst unter den Oppositionellen und Revolutionären,
stehen in keinem Verhältnis zur Schwäche unserer Gruppen,
zur relativen Schwäche der Arbeiterbewegung in der BRD und
Westberlin.
Der Staat ist vielmehr dabei - und in diesem Ziel sind sich die
Parteien einig - alle revolutionären und nicht reformistischen
Ansätze restlos zu eliminieren, da wo nötig, Leute einzusperren,
Organisationen aufzulösen. Dies betrifft keineswegs allein
nur Guerilla- Gruppen, sondern auch kämpferische Gruppen in
den Betrieben, Stadtteilen, Universitäten, autonome Frauen-
und Ausländergruppen.
Die Atempause für die Kommunisten in der BRD und Westberlin
ist vorüber. Es wird wieder zu einer Kampf- und Existenzfrage,
seine Meinung zu äußern, Marxist zu sein, Flugblätter
zu verteilen; es ist wieder gefährlich, Staat, Parteien, Justiz
zu kritisieren, sich zu nehmen, was einem sowieso schon gehört.
Kommunistische Politik ist notwendig (auch) illegal.
Der Staat kehrt wieder zurück zu den Formen der Totalrepression
marxistischen Denkens und Handelns, die seit 1933 bis zur Mitte
der 60er Jahre üblich war.
Vermutlich der Klassencharakter der antiimperialistischen Bewegung in den 60er
Jahren, die sich zu großen Teilen aus dem Nachwuchs der herrschenden
Klasse zusammensetzte, die Abkehr vom Sozialismus sowjetischer und
DDR- Prägung, der bis dahin besonders verfolgt wurde, sowie
vor allem die Krise der politischen und wirtschaftlichen Konzepte
der Herrschaftssicherung haben uns von 1966/67 bis 1972 Möglichkeiten
einer politischen Praxis geboten, die vorher illegal waren und illegal
organisiert werden mußten und die seit 1972 wieder - zunehmend
- illegalisiert werden. Diese Schonfrist wurde auch ermöglicht
durch die Ablösung der aufgebrauchten CDU/CSU durch eine SPD,
der wir mit unserer Mobilisierung in den 60ern einerseits ihre Wahlsiege
besorgten und die dadurch andererseits die Möglichkeit besaß,
zu zeigen, wie sie es schaffte, ohne größere Loyalitätseinbrüche
auftretende Krisen zu bewältigen.
Stockholm: wie geht es weiter?
RZ Anschlagstafel 1973 - 1975
Politische und wirtschaftliche Krise in Europa
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