Verfassungsschutzbericht NRW 2001
3 Linksextremismus und -terrorismus
3.4 Linksextremistischer Terrorismus
3.4.3 Revolutionäre Zellen (RZ)/Rote Zora
Ende 1999 und Anfang 2000 wurden mehrere Personen
in Frankfurt/Main und Berlin wegen des Verdachts der Mitgliedschaft
in der terroristischen Vereinigung "Revolutionäre Zellen/ Rote
Zora" festgenommen. Eine dieser Personen wurde im Dezember
2000 vom Berliner Kammergericht wegen Beteiligung an einem 1987
verübten Sprengstoffanschlag auf die Berliner Sozialhilfestelle
für Asylbewerber zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.
Bei der Strafzumessung wurde berücksichtigt, dass sich der
Angeklagte als Kronzeuge zur Verfügung gestellt hat.
Reaktionen der linksextremistischen Szene
Die exekutiven Maßnahmen führten zu erheblichen
Aktivitäten sowohl im Umfeld der Festgenommenen als auch bundesweit
in der linksextremistischen/-autonomen Szene. Antifaschistische,
antirassistische und Antirepressionsgruppen riefen im Internet,
mit Flugblättern, Plakaten und in linksextremistischen Schriften
zur Teilnahme an Solidaritätsveranstaltungen und Demonstrationen,
insbesondere vor den Justizvollzugsanstalten in Düsseldorf
und Wuppertal, wo vorübergehend zwei Beschuldigte untergebracht
waren, auf.
So fanden am 15. Januar und 10. Juni 2000 in Düsseldorf
und Wuppertal Solidaritätsdemonstrationen der linksextremistischen
Szene unter dem Motto statt:
- Keine Kriminalisierung des antirassistischen Widerstandes "Axel,
Harald und Sabine müssen raus"
- gemeint sind wir alle!
- Power durch die Mauer...bis sie bricht!
Die Teilnehmerzahlen von 70 - 100 Personen blieben
allerdings hinter den Erwartungen der Organisatoren zurück.
In den gehaltenen Reden wurden unter anderem Bundesgrenzschutz
und Bundesanwaltschaft kritisiert sowie die Freilassung der Inhaftierten
und die Weiterführung der Diskussion über die "Revolutionären
Zellen" und "Rote Zora" gefordert.
In Publikationen wird der Bundesanwaltschaft u.a.
vorgeworfen, sie wolle mit der radikalen Linken aufräumen und
durch eine Kriminalisierung den "Versuch zur endgültigen
Auslöschung jeglicher militanten Widerstandsversuche"
unternehmen (Düsseldorfer Szenezeitschrift terz Juli/August
2000).
In Nordrhein-Westfalen wurden u.a. in den Szeneobjekten
"Druckluft" in Oberhausen (6. Juni 2000), "Alte Feuerwache"
in Köln (8. Juni 2000) und "Internationales Begegnungszentrum
Friedenshaus e.V." (IBZ) in Bielefeld (26. Mai 2000) Solidaritätsveranstaltungen
durchgeführt.
Solidaritätsbekundungen
Am 17. Oktober 2000 wurde auf der Bahnstrecke Köln
- Leverkusen durch einen Zugführer ein brennender Autoreifen
gelöscht.
Am 19. Oktober 2000 ging mit der Tagespost bei der
Lokalredaktion der "Frankfurter Rundschau" ein Selbstbezichtigungsschreiben
ein. In einer sog. Pressemitteilung bekennen sich die unbekannten
Texturheber, die Aktion begangen zu haben, "... um den Fahrbetrieb
der Bahn AG - als willigen Gehilfen der Energiewirtschaft beim Transport
von Brennelementen und Strahlenmüll - zu stören."
Darüber hinaus fordern sie mit einer Schlussparole
"Freiheit für Axel, Harald und Sabine", die Freilassung
der wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "Revolutionäre
Zellen (RZ)" Inhaftierten.
Auch im Internet und in linksextremistischen Schriften
wird Solidarität mit den RZ-Inhaftierten bekundet. In der bisher
dreimal erschienenen Schrift "Zitronenfalter - Für die
Freilassung der wegen RZ-Vorwürfen Verhafteten", (Ausg.
Nr. 3/Nov. 2000) und in der "Interim" (Nr. 505 v. 29.
Juni 2000) fordern Autonome aus Berlin eine politisch offensive
Solidarität mit den Inhaftierten. In dem Beitrag "In Gefahr
und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod" (Anmerkung:
Hierbei handelt es sich um den Untertitel eines RZ-Diskussionspapiers
aus dem Jahre 1983) fordern die sich als "Einige Autonome"
bezeichnenden Verfasser "Solidarität mit den Gefangenen,
ob juristisch schuldig oder nicht. ... Mit dieser eigentlich selbstverständlichen
Einstellung sollten wir auch auf andere zugehen und von ihnen eine
Solidarität einfordern. Wenn diese anderen dann über die
Sinnhaftigkeit von Knieschüssen ins Grübeln kommen, können
wir uns z.B. über die damalige Arbeit eines Herrn Korbmacher
unterhalten und was der Typ alles zu verantworten hat."
Die Autoren schlagen die Entwicklung einer offensiven
politischen Strategie gegenüber der "BAW-Hetze" vor.
Die notwendige politische Debatte dürfe sich nicht auf Antifa-
und Flüchtlingspolitik beschränken, da es der RZ und Roten
Zora im Rahmen ihrer revolutionären Perspektive "um den
gesamtgesellschaftlichen Angriff und nicht nur um einzelne besonders
herausragende Schweinereien des Staates" gegangen sei. Die
stärkste Form der Solidarität sehen sie in der "Fortsetzung
des Kampfes, für den die Gefangenen eingefahren sind",
wenngleich sie dabei andere Inhalte, Ziele und Mittel einsetzen
wollen.
In der linksradikalen Szene haben die Verhaftungen
für erhebliche Unruhe gesorgt. Heftig kritisiert wird die Aussagebereitschaft
eines ehemaligen RZ-Mitglieds. Die Beiträge in den linksextremistischen
Publikationen lassen zumeist erkennen, dass die Aktionen der Revolutionären
Zellen/ Roten Zora in der linksextremistischen/-autonomen Szene noch
immer Zustimmung finden und Aktionsmuster - auch mit Gewaltanwendung
- übernommen werden.
Die grundsätzliche Bereitschaft zu Anschlägen
des militanten, linksextremistischen/-autonomen Spektrums gegen
Einrichtungen und Objekte von Institutionen, wie z.B. BGS, Lufthansa,
Ausländerbehörden, Bahn AG, besteht deshalb weiter fort.
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