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RZ / Rote Zora

RZ und radi - kritisch betrachtet

"Kein Dialog mit der Macht" und "Gefühl und Härte" kennzeichneten Ende 80, Anfang 81 den Ausbruch einer Neuen Revolte. In Berlin tobte seit dem sagenhaften 12.12.80 (Gott habe ihn selig) der Häuserkampf und ca. ein halbes Jahr später fing auch die Anti- Startbahn- Bewegung an sich über den regionalen Widerstand hinaus zu verbreitern und radikalisieren. Auch die "radikal" durchlebte zu diesem Zeitpunkt eine inhaltliche Wende: Aus der "sozialistischen Zeitung" für West- Berlin entstand die "Zeitung für Freiheit und Abenteuer", die gleichermaßen für das Leben mit Sekt und Selter als auch für ernsthafte politische Auseinandersetzungen stand - und Forum war. Nun, mittlerweile sind 3 Jahre vergangen und so manche Eruptionen sind abgeebt. Geblieben sind die" plündernden Nomadenhorden", die vor der Frage stehen, entweder ihre Zelte aufzuschlagen oder weiterzuziehen - rastlos. Daß die radi seit einiger Zeit angefangen hat, in der eigenen Tundra zu wildern und anderen eigentlichen Mitnomaden die Wildnis abzusprechen (so in der Nr. 121 mit den beiden Artikeln "Das freie Amrum grüßt den Rest der Welt" und "Nie wieder Politk" als Antwort auf das RZ- Startbahn- Papier: "RZ' s löst Euch auf") erzürnte nicht nur diese, sondern auch Mitglieder anderer herumschweifender Horden - z. B. mich. Und da die RZ auf die radi 121 geantwortet hat, ich es hingegen bisher verpaßt habe, meinem Ärger über o. a. Artikel Flügel zu verleihen, gestatte ich mir, nun zu beiden meinen Senf zu geben. Guten Morgen!

Insgesamt finde ich die Aussagen der RZ zu den beiden "kritischen" Artikeln in der "radikal" Nr. 121 von emzett und poltrone richtig. Mich haben die gleichen Vorwürfe - Reduzierung der RZ' s auf eine Organisation um der Organisation willen, Kaderpartei, Avantgarde und Führungsrolle gegenüber der Bewegung, "Schnelle Eingreiftruppe" - in dem ersten Artikel verärgert, von dem zweiten ganz zu schweigen. Ein paar Punkte möchte ich dazu ergänzen. Zu ersteinmal: ich finde das RZ-Papier zur Startbahn- West- Bewegung eine der besten Analysen der letzten drei Jahre. Sowohl die wirtschaftlichen Hintergründe des Startbahnbaus und dessen Einbettung in ein gesamtwirtschaftliches Konzept, als auch die geschichtlichen Voraussetzungen der Bewegung sind klar beschrieben, um die Bewegung zum Teil kapieren zu können. In dem Teil, in dem die RZ' s auf die Bewegung eingehen, Kritik leisten und herausgreifen, was ihrer Meinung nach zu kurz gekommen ist, habe ich nicht den Eindruck einer führungshungrigen, staatsgeilen Avantgardeclique bekommen, sondern daß hier ein Teil der Bewegung über die Bewegung schreibt. Und als solches bemängeln die RZ' s das Fehlen. von Organisierung im

Sinne einer Verbreiterung fester, kontinuierlich arbeitender Kleingruppen, die innerhalb und außerhalb einer Bewegung militanten Widerstand leisten. Diese Kritik schließt Massenkämpfe bzw. Bewegungen überhaupt nicht aus, sondern versucht lediglich ihre Grenzen zu beschreiben. Nichts anderes wurde 1980 in einem Interview mit der Autonomie (Autonomie4/ 5) gesagt zur Anti-AKW-Bewegung: "Nach Grohnde war uns klar, daß eine Steigerung der Massenmilitanz am Bauzaun keine realistische Perspektive mehr war. (...) Angriffspunkte sollen in erster Linie nicht die Standorte sein, sondern das vielfältige Netz von Betreibern, Firmen usw., die mit der Atomtechnologie das große Geld machen. Wir verstehen uns als Teil der Anti- AKW- Bewegung und nicht als deren bewaffneter Arm". Daß die RZ' s den gleichen Ansatz in der Anti-Startbahn Bewegung hatten, wird aus dem Papier nur allzu deutlich; daß sie sich teilweise über Beschlüsse eines großen Teils dieser Bewegung hinweggesetzt haben, bleibt problematisch. In diesem Punkt stimmt die Kritik von emzett: Die RZ' s haben es bisher versäumt, eine klare Antwort auf ein Papier von Wiesbadener Autonomen (Thesen zur Anti- Startbahn-Politik, siehe auch "radikal" Nr. 114) zu leisten, in dem einige Anschläge von RZ' s (z. B. auf ein Funkfeuer sowie die Karry- Aktion) als gegen den Konsens der Bewegung verstoßend kritisiert werden. Erst in dem Startbahn Papier erfolgte eine Antwort zur Karry- Aktion - reichlich spät, gelle?

Der Vorwurf der RZ's, die Linksradikalen hätten es verpaßt, die Bewegung, vor allem den regionalen Widerstand der Bevölkerung mitzutragen, auszuweiten und zu radikalisieren kommt meiner Meinung nicht aus dem Wunsch nach einer Konkurrenzposition zur BI, die ganz klar einen Führungsanspruch besaß. Vielmehr kritisieren die RZ' s, daß die Militanten (und sie haben sich damit nicht ausgenommen) es versäumt haben, auf der intensiven Auseinandersetzung mit dem "anradikalisierten" Teil der Bevölkerung in der Region heraus, eine gemeinsame Basis radikalen Widerstands zu entwickeln. Ein Ansatz, der in der BRD mit ihrer besonderen Tradition von Widerstandsunterdrückung schwer genug ist und an den Startbahnkämpfen die bisher besten Voraussetzungen hatte.

Mit anderen Worten, liebe radis: Eure Vorwürfe sind größtenteils nichtssagend und werfen höchstens Fragen bezüglich Eures Verhältnisses zu Bewe gungen auf - aber dazu später. Kehren wir zurück zum Stein des Anstoßes - den RZ's. Drei Sachen sind mir an der letzten Erwiderung zur radi aufgestoßen. Zum ersten finde ich es teilweise viel zu polemisch: Ihr werft den radis Unterstellungen und Konstruktionen vor (stimmt ja auch), argumentiert aber mit den selben schlechten Mitteln. Was soll die Anspielung auf den Druck der Verfolgung, der angeblich intern einen anderen Kurs durchsetzt? Und eure "zwei Seiten übelstes Gerotze und Gekotze" hättet ihr Euch genauso sparen können, um stattdessen die Artikel auf dem Niveau des Startbahnpapiers aufs schärfste zu zerpflücken. Zum anderen paßt so der Vergleich zum Frankfurter Plastikstrand nicht: Zwar sind die Parallelen interessant, und auch ich habe das Gefühl, daß emzett, poltrone und wohl auch andere Mitschreiber, das Kleingruppenkonzept, so wie Ihr und auch ich es im Kopf und Bauch haben, am liebsten in den Landwehrkanal jagen würden. Allerdings besteht ein riesiger Unterschied zwischen der Ablehnung eines solchen Konzepts und Entsolidarisierung bzw. Hinwendung zu Parlamentarismus, wie der Plastikstrand es betreibt. Der Verdacht ist lächerlich, dass die radi dem Reformismus zu liebe Ausgrenzung betreibt - ihre inhaltliche Grundlage war und ist bisher jedenfalls eindeutig militanter Widerstand. Ich bekomme eher allmählich den Eindruck, daß sich die Zeitung selber ausgrenzt in Richtung diffus- militante Kulturklausur, um dort auf die nächste Revolte zu warten. Vorwärts Nomaden!

Eure Kritik, liebe RZ, stimmt in diesem Punkt nur in der Beschreibung der Parallelen - nicht in der gedanklichen Konsequenz. Zuguterletzt, und das ist der für mich wichtigste Punkt, bleibt der Zeitpunkt der Antwort auf die radi zu bemängeln: Als die Diskussionen in der radi um militanten Widerstand und also auch die RZ's liefen, ("radikal" Nr. 114-117) und dabei noch ein "solidarisches kritisches" "RZ's ab in die Bewegung" das Ende der Artikel zierte, haben RZ's in keiner Weise darauf geantwortet. Zwar gab es den Beitrag einer "Autonomen Rev. Zelle" in der Nr. 116 und den Artikel "Beethoven gegen McDonald" von RZ's, die einen wichtigen Bestandteil o. a. Diskussionen bildeten. Der waghalsigen Wanderung über Grate und Gletscherspalten, auf die die radi sich in Nr. 114 begeben hatte, folgten die RZ's allerdings nicht; sie drückten sich bisher um eine direkte Antwort. Erst jetzt, auf dem Niveau Polemik contra Polemik, reagiert ihr auf die Zeitung. Für meine Begriffe viel zu spät und conträr zu Euren eignen Vorstellungen von solidarischer Kritik. Bleibt zu sagen: Wenn ihr einen Platz in Eurem Ministerium übrighabt, so verschafft mir eine MitarbeitersteIle - für die radi gehöre ich wahrscheinlich auch zu den Aspiranten.

Fisch auf dem Trockenen

Was nun Euch, liebe radis, anbetrifft, gestatte ich mir ein paar Fragen, auf die ihr vielleicht bald mal antworten könntet:

Ihr werft den RZ's Politikmacherei, Avantgarde sowie Abgehobenheit gegenüber der Bewegung vor. Und wie stehts mit Euch.?

Habt ihr es vor 1- 2 Jahren noch besser verstanden, z. B. die Häuserkampfbewegung mit Zynismus gewürzt zu kritisieren, indem der Stillstand bereits im April 81 proklamiert wurde ("radikal" Nr. 90/ 91: Bewegung kaputt), so seid ihr heute dazu verkommen, Tendenzen innerhalb von Bewegungen wie eben die RZ's nur noch runterzumachen. Konnte mann/ frau bis vor einiger Zeit noch Eure Positionen in kritischen Artikeln erkennen, damit streiten und vor allem aus z. Teil tollen Ausflügen, die Eurem Lebensgefühl entsprachen (Leben - nicht nur Überleben, Nr. 106) etwas weitertreibendes für sich gewinnen, so frage ich mich heute: was wollt ihr eigentlich, ey?

Wieso druckt ihr Sachen ab, die ihr absolut beschissen findet, um sie dann polemisch niederzumachen? Die RZ hat völlig recht: Wie bitte schön ist die Haltung der radi 121 mit dem in der 118/ 119 formulierten Selbstverständnis zu vereinbaren? Wenn dieses Selbstverständnis Euch weiter zum Zeitungsmachen bewegt - ich fände es gut - so solltet ihr zu folgenden Sachen mal klare Position beziehen:

Habt ihr überhaupt noch Bock, Euch als Zeitung in laufende Diskussionen einzuklinken, z. B. in Autonomentreffs, Nicaragua, Perspektiven hier in Berlin -und was is'n Eure Message dabei, häh?

Wieso findet ihr es eigentlich noch wichtig, die "radikal" weiterzumachen, wenn ihr angeblich doch nichts Neues zu sagen habt, oder ist das Eure Message? Die Konsequenz für Euch hieße dann, sich schleunigst aufzulösen.

Anstatt über andere zynisch und somit destruktiv herzuziehen, solltet ihr mal wieder eigene Standpunkte und Ideen positiv formulieren - weg von einer polemischen Plattheit hin zu einer spannenden Auseinandersetzung. Dies würde sicherlich dazu führen, daß ihr wieder mehr Fisch im Wasser seid - und Bewegungen nicht Euch gegenüber etwas Fremdes, Eigendynamisches werden. Anstatt sich mit vorgegeben Rastern (z. B. die der Supermilitanten Feierabendterroristen RZ's, die ihren Gegnern schon von der Methode her "so nahe stehen") zu beharken, sollten wir es ermöglichen, daß verschiedene militante Widerstandsformen in und außerhalb der Zeitung existieren können - daß gilt gleichermaßen für Anti- Imps, Autonome, RZ's und radis, wobei jede/ r für sich klare Positionen beziehen kann ...und sich austauscht. Und wenn ihr meint "nie wieder Politik" betreiben zu wollen, sondern stattdessen in erster Person subversiv und - kulturell weiterzuleben, so zeigt creativ und ehrlich (klingt ja wie attraktiv und preiswert, d. ätzer!) auf, wie das möglich ist bzw. ihr das täglich lebt - und damit hier Veränderungen bewirkt. Es wäre schade wenn ihr das nicht mehr könntet ...oder wolltet.

Radis - ab in die Bewegung

bazillus optimistikuß

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