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aus: radikal 115/116, April/Mai 1983
Zwischen Lebensgefühl und organisierter Militanz
- In der letzten Nummer verfolgten wir unter der Überschrift
Gratwanderungen und Gletscherspalten Entwicklungsspuren organisierter
Militanz auf bundesdeutschem Boden (einschl. Westsektoren). Unter
Berücksichtigung gegenwärtiger Relevanz konzentrierten
wir uns hauptsächlich auf die Revolutionären Zellen.
Es war uns in diesem Artikel sicherlich gelungen, ein gewisses
inhaltliches Spannungsfeld zwischen den beiden (nicht nur) von
uns diagnostizierten Hauptströmungen innerhalb der RZs zu
bestimmen. Hilfsweise hatten wir zwischen der Guerrilla- und der
Basisfraktion unterschieden - oder auch zwischen Avantgardisten
und Autonomen.
Als ob die Unnennbaren es geahnt hätten - das BKA wird sicher
einen anderen Schluß ziehen - erreichte uns 2 Tage nach
Erscheinen dieses Artikel ein Positionspapier einer Autonomen
Revolutionären Zelle. Eine passendere Fortführung der
Diskussion hätten wir uns also kaum denken können, sehen
wir einmal davon ab, daß der Schluß unseres lezten
Artikels noch eigene Ansprüche unbefriedigt gelassen hat.
Der vorliegende Text skizziert den revolutionären Prozeß
- zwischen Identitätskrise und Ökonomie des Wahnsinns
- nicht an der Militanz an sich, sondern am Ausdruck befreiter
Lebenskraft.
In diesem Sinne: viel Vergnügen!
Wir sind keine geheimnisvollen Guerilleros, deie den Untergrund
lieben. Wir sind wie jeder, der von "Reichtum für alle" und
von einer klassenlosen Gesellschaft jenseits von Staat, Kapital
und Nationalismus träumt. Es gibt natürlich Träumer,
die daran glauben, dieses Ziel durch schöne, überzeugende
Worte erreichen zu können. Für uns dagegen gibt es neben
den Worten auch noch die "Propaganda der Tat", um unsere Träume
zu vermitteln und die Schlafenden für den "Kampf um den Reichtum"
zu wecken.
Und aus dieser einfachen Tatsache ergibt sich die Notwendigkeit,
neben der legalen(verbalen) Propaganda illegale Aktionsformen zu
entwickeln. Weil wir weder ans Grrundgesetz noch an die Vernunft
der Herrschenden glauben, ist es wohl jedem verständlich, daß
wir mit Gewaltfreiheit und Parlamentssitzen nicht zufrieden sind.
Wir sind also eine Gruppe von legalen Autonomen, die in ihren
Bereichsinitiativen mit Kugelschreiber, Papier und Gedanken aktiv
sind, um in der Dunkelheit die Erfolgschancen politischer Kriminalität
zu suchen. Wir sind die RZs, wir haben illegale Kontakte, aber keine
festen Strukturen. Autonomie und Revolutionäre Zellen sind
nicht das gleiche, aber es gibt eine Menge Paralellen in Theorie
und Praxis. In diesem Papier wollen wir versuchen unsere Position
zu aktuellen Bezügen wie Autonomie, Anti-Imperialismus, Massenpsychologie,
und Illegalität zu formulieren.
Wir denken, daß der Spaß an Militanz und Sabotage
nicht ausricht. Wenn wir möglichst lange unseren Spaß
im kapitalistischen Alltag erkämpfen wollen, müssen wir
eine ständige Rückkopplung unserer Theorie und Praxis
mit den realen Verhältnissen im Kopf behalten. Damit wir noch
viele schöne Stunden erleben - mit Feuer, Flamme und Zärtlichkeit.
Identitätskrise
Es gab Zeiten in denen die Linke ihre ldentitätskrisen durch
Vereinsmeierei zu lösen versuchte. Diese Zeit belangloser Polit-Sekten
hat sich zwar z.T. in real effektivere Bewegungen aufgelöst,
aber noch nicht viel an echter ldentitätskrise beseitigt. Die
revolutionäre Linke kennt kein Land auf der Erde, das ihrer
[?] ideologischen Propaganda von Marx oder Bakunin, Lenin, Rosa,
Che Guevara und Mao auch nur entfernt entsprechen würde. Alle
Ansätze und Hoffnungen auf radikale Veränderung sind in
irgendeiner großen Enttäuschung gelandet.
Der realexistierende Sozialismus hat mit seiner verknöcherten
und autoritären Bürokratenstruktur (in der SU, China und
Cuba) nicht mehr viel mit sozialistischem Befreiungskampf zu tun.
Jede Utopie von klassenloser Gesellschaft wird in den sozialistischen
Ländern konsequent verhindert: freie Sexualität, freie
Arbeitsorganisation, experimentelles Leben. Vor einem solchen Hintergrund
steht die revolutionäre Linke mit ihrer Identitätskrise.
Da wo es Marx, Mao oder Lenin im Ausverkaufgibt, kann die metropolitane
Linke nicht leben - und da, wo das Kapital regiert, werden die Klassiker
ganz anders gelesen. Die Geschichte der Niederlagen ist tief im
Bewußtsein revolutionären Denken und Handelns verwurzelt.
Die Siege im Volkskrieg haben allesamt irgendwelche Marken: ein
AKW, Minderheitendiskriminierung usw.
Und durch diese realen Niederlagen revolutionärer Theorie
und Praxis im 20. Jahrhundert ist das gesamte sozialistische Lager
gespalten und verfeindet; denn wo es vor allem Enttäuschung
gibt, steht die Suche nach dem entscheidenden Fehler und die Suche
nach einem neuen Weltbild an erster Stelle. Daraus ergibt sich die
Tendenz zu politischer Sektiererei und totaler Sprachlosigkeit.
Alle klassischen Begriffe wie proletarischer Internationalismus,
Kommunismus, Anarchie oder Revolutionärer Klassenkampf stehen
als ideologische Relikte vergangener Zeiten und werden von "chaotischen
Realitäten" überrannt.
Veränderte Klassenzusammensetzung
Der materielle Ausdruck kapitalistischer Barbarei wird in der
sogenannten 3.Welt als Hunger, Krieg und Befreiungskampf noch deutlich,
aber in den Metropolen sind die Bedingungen der Barbarei viel zu
komplex und unüberschaubar geworden, um eine klare Front zu
entdecken, die das System sprengen könnte. Die Entwicklung
hin zu diesem homogenen, kapitalistischen "Wohlstandsstaat" hat
natürlich Geschichte. Sie ist gekoppelt an eine massivere imperialistische
Ausbeutung rohstoffreicher 3.Welt-Länder nach 45, durch den
Ausbau multinationaler lnstitutionen des Groß-Kapitals (IWF,NATO...[CFR])
und durch "Sozial-Staatsprogramme" in den Metropolen selbst.
Durch gezielteres und bewußteres Management gelang es dem
Kapital weltweit einen gigantischen, neuen Zyklus einzuleiten. In
den Metropolen durften die Lohn-Massen ihre Lohntüten füllen,
und erkauften sich materiellen Wohlstand durch politischen Reformismus
und soziale Verantwortungslosigkeit gegenüber der sog. 3. Welt.
In solchem Kapitalismus nach Keynes müssen Begriffe wie revolutionärer
Klassenkampf und proletarischer Internationalismus ihre frühkapitalistische
Bedeutung verlieren. Die klassischen Arbeiterkämpfe um mehr
Lohn und bessere Arbeitsbedingungen in der Fabrik haben nicht nur
jede Sprengkraft verloren, das Kapital verfeinerte die Fabrikorganisation
dermaßen perfekt, daß gewerkschaftliche Arbeitergruppen
zu soliden Stützen und "Sozialpartner" in den Fabriken werden
konnten. Die moderne Fabrik des Kapitals wie die Daimler- oder MBB-Werke
schießen längst nicht mehr auf ihre strebenden Lohnabhängigen.
Sie züchten sich eine regelrechte Arbeiteraristokratie von
Facharbeitern und verantwortungsvollen, technischen Eliten, die
in konzerneigenen Freizeit- und Ausbildungsheimen ein liebevolles
Verhältnis zum Arbeitgeber lernen, jenseits von Rebellion,
zuverlässig wie ein privilegierter Beamter.
Daneben steht eine Armada ausländischer, jugendlicher, ungelernter
Arbeiter und Jobber, die durch technologisch streng überwachte
Arbeitsvorgänge oder rechtlich befristete Arbeitsverträge
keine ernsthaften, kollektiven Kämpfe in den Fabriken entzünden
sollen. Diese veränderte Fabrikstruktur, diese durch technische
Erfindungen im Arbeitsvorgang bedingte Neuzusammensetzung der Lohn-Klasse
(z.B durch Wachsen der kapitalistischen Verwaltungsbürokratie)
verlangt geradezu, klassische Analysen des Kapitals zu hinterfragen
und neue Ansätze zu suchen.
Die rebellischen Randgruppen in den Metropolen und die sabotage-wütenden
Jobber in Italiens Fabriken lieferten wichtige Impulse bei dieser
Suche. Im metropolitanen Wohlstandstaat findet sich das potentiel
revolutionäre Subjekt in den nicht-privilegierten Randgruppen,
und von dort aus laufen spontane Explosionen von Rebellion, die
organisatorisch keine klare Struktur erkennen lassen, sondern sich
punktuell entladen.
Daran sind letztlich auch die italienischen Autonomen gescheitert,
die trotz neuer Klassenanalyse beim Aufbau einer neuen Klassenkampf-Organisation
in der Isolation landeten. Denn die reformistischen Massen sind
nicht an Klassenkampf interessiert und die sabotagegeilen Jobber
oder jugendlichen Streetfighter haben nichts gemeinsam mit den reformistischen
Massen. [wirklich gar nix? d. S.] Darin liegt die praktische Schwierigkeit
jeder revolutionären Praxis in den Metropolen. Das Kapital
hat auf der einen Seite die Fabrik perfektioniert und befriedet.
Dadurch wude auf der anderen Seite die ganze Gesellschaft zu einer
riesigen Fabrik, deren Ausbeutungsterror in jedem Wohnzimmer, in
jedem Hochhaus, in jedem Stadtteil, in jeder Schule und in jedem
Wald zu sehen ist. Das ist das reale Problem, vor dem alle sozialrevolutionären
Konzepte stehen. Während wir die soziale Revolution propagieren
genießen die Massen die Bild-Zeitung und würden sich
freuen uns zu erschlagen.
In dieser desillusionierten Metropolen-Realität ist die Subkultur
als politischer Ausdruck von der Suche nach einem anderen Leben
entstanden, jenseits der bürgerlichen Homogenität, als
Bruch mit Familie. Sexual- und Arbeitsmoral. Eine ganze Generation
tauschte in den 70er Jahren den Fernseher gegen einen Joint ein.
Und es sind nach wie vor die Nicht-Integrierten, die Outlaws, die
in den Metropolen rebellieren. Die Basis aller revolutionären
Kämpfe bis jetzt war die politische Subkultur, alle militanten
Kerne schwimmen in dieser Subkultur und brauchen ihre Verweigerung
bürgerlicher Normen.
Auf der anderen Seite haben die sozialen Widersprüche auch
im metropolitanen Kapital nie aufgehört zu existieren.
Der reformistisehe Sozialstaat hat nur in seiner eigenen Phantasie
den Klassenkampf abgeschafft. Der materielle Widerspruch zwischen
Kapital/Arbeit bewirkt exakt jene Krisenzyklen von periodischen
Zusammenbrüchen, deren Anfang wir z.Z. sehen und für die
bürgerliche Denker die Computer oder den Sozialstaat verantwortlich
machen. Die reformistische Lohnklasse hat nicht rebelliert, aber
sie hat zumindest daraufgeachtet, daß die Lohntüte voll
ist.
Die jetzige strukturelle Krise des Kapitals ist nicht das Produkt
heimtückisch-raffinierter Computer. Das Kapital setzt seine
technologischen Erfindungen immer als Waffen im Klassenkampf ein.
Es steigert seinen Profit und Ausbeutungsmöglichkeiten menschlicher
Arbeitskraft, während die Lohnabhängigen an mehr Lohn
interessiert sind.
Dieser reale Klassenwiderspruch ist die Basis kapitalistischer
Ökonomie, nur der Ausdruck wechselt von der friedlichen Fassade
bis hin zur sozialen Katastrophe; bis hin zu den militanten Explosionen
verfeindeter Interessen, dem Machtkampf um die Verteilung des gesellschaftlichen
Reichtums.
Ökonomie des Wahnsinns
Daß dieser Machtkampf und Interessenkonflikt auch in den
Metropolen trotz "Sozialpartnerschaft" und Mitbestirnmungsgefasel
Realität ist, wird jetzt deutlich. In der strukturellen Krise
zeigt sich, was Privateigentum und Großkapital bedeutet. Die
Konzerne rationalisieren, kassieren riesige Subventionen rationalisieren
weiter, machen pleite (AEG), kassieren wieder Subventionen und rationalisieren
weiter. Durch den Einsatz neuer Technologien wird es möglich,
mehr und billiger zu produzieren. Dadurch steigt das Warenangebot,
während die an technologischen Erneuerungen führenden
Konzerne in der kapitalistischen Konkurrenz die Preise unterbieten,
kleinere Unternehmen schlucken und ihre Zentralisation ausdehnen.
Der Konkurrenzdruck also, der sogenannte freie kapitalistische Warenmarkt
bedingt in der Phase verbesserter Produktion eine gigantische Absatzkrise.
Deswegen hebt der IMF seine Kredite, die Verschuldung der sog.3.Weltländer
steigt, der Geldmarkt bläht sich auf. Die Weltwirtschaft lebt
auf Pump, wie ein aufgeblasener Ballon. Inflationäre Tendenzen
werden auf dem Rücken der Lohnabhängigen ausgetragen.
Das Realeinkommen sinkt, die Kaufkraft fällt, die ökonomische
Spirale bewegt sich abwärts.
In dieser Absatzkrise fletscht das Kapital seine agressiven Zähne,
um neue Märkte zu erobern. Die Kriegsgefahr und die materielle
Destruktivkraft des kapitalistischen Systems steigt zusehends. Die
imperialistischen Raubzüge in der 3. Welt haben zu Beginn der
80er bereits wesentlich offensiveren Charakter (Israel, Iran/Irak,
Falkland usw.), die Fronten der kapitalistischen Rüstungsexporte
werden zusehends breiter und die NATO-Strategen bauen ihre Eroberungspläne
konsequent aus. Die ökonomische Strukturkrise des Kapitals
steigert die militaristisch-politischen Katastrophen in der 3. Welt,
und selbst wenn die Krise und der Klassencharakter durch Arbeitslosigkeit
und Sozialabbau auch in den Metropolen deutlicher wird, läuft
die materielle Gewalt des Kapitals in der 3. Welt blutigen Amok.
Die Risse von Stabilität in den Metropolen sind vergleichsweise
schleichend, in der 3. Welt zeigt die kapitalistische Barbarei jenseits
von Entwicklungshilfe ihre Unterdrückungsmentalität.
Massenpsychologie
Die Krisenanzeichen in den Metropolen sind noch lange keine notwendigen
Zeichen für eine soziale Revolution. Die materielle Betroffenheit
verelendeter Massen z.B: in Asien bewirkt auch noch lange keine
soziale Revolution, und ein paar Mark weniger in der Lohntüte
oder gesteigerte Arbeitslosigkeit bedeutet noch lange kein notwendiges
Aus fürs Kapital.
Erst wenn sich materielle Betroffenheit zu sozialrevolutionärem
Bewußtsein umsetzt, beginnt ein aktiver politischer Prozeß
und in den Metropolen züchten die Medien einen neuen Nationalismus
um eine solche Entwicklung zu kanalisieren. Der Rassismus und sein
sexualfeindlicher Inhalt erhalten ganz neuen Auftrieb. Mechanisierte
kleinbürgerliche Wertsysteme werden Solide Stützen der
Herrschenden bleiben, werden unzufriedene, unpolitische Bürger
zu aktiven Rassisten mobilisieren, die das Vaterland und damit die
herrschenden Interessen zu retten versuchen. Die massenpsychologische
Macht der Medien, ihre Politik mit dem realen Sexualfrust der Kleinbürger
müssen wir in unsere Strategie mit einbeziehen. (Phantasievolle
Aktionen gegen die patriarchalische Moral, für freie Sexualität,
gegen Kirche und Kleinfamilie.)
Diese schon immer wichtigen Inhalte der politischen Subkultur
(Verweigerung stupider bürgerlicher Sexual- und Arbeitsmoral)
gilt es, gerade jetzt deutlicher herauszuarbeiten, und mit der Politisierung
unzufriedener Arbeitslosen zusammenzubringen. Es nützt nicht
viel die Barbarei von Staat und Kapital allgemein und soziologisch
zu erklären. Der Rassismus hat keine rationale Basis, er ist
ein Ventil für realen Haß, der die Machtverhältnisse
und autoritären Strukturen im eigenen Alltag auf andere projeziert,
um den eigenen Alltag und das individuelle Bewußtsein zu retten.
Spätestens die Existenz von faschistischen Punks sollte uns
zeigen, wie wichtig es ist, die bürgerliche Moral als eine
soldatische zu entlarven, zu zeigen, daß es an der Kriegsmaschine
nichts zu verherrlichen gibt... Die autoritären Strukteren
sind in jedem, hier sozialisierten Individuum vorhanden. Der Haß
auf Staat, Bullen und Spießer kann schnell auf die Türken
umschlagen, oder die Lust an der Hakenkreuzpanik fördern, wenn
nicht deutlich wird, daß ein revolutionärer Prozeß
nicht an der Militanz an sich, sondern am Ausdruck befreiter Lebenskraft
(also qualitative Veränderungen des eigenen Alltags) zu sehen
ist.
Die Verhärtung der Militanten versaut eine Menge fruchtbarer
Ansätze und schlägt allzu oft in Resignation und passiven
Frust um. Wer kennt nicht die ehemals mutigen Kämpfer, die
nur noch an den Alkohol oder die Sinnlosigkeit glauben...
Wir müssen wieder deutlich rnachen, daß ein revolutionärer
Prozeß nicht vor dem Alltag, vor den eigenen Fehlern und Schwächen
haltmachen kann, daß Selbstkritik und Flexibilität absolut
notwendig sind, um unpolitische Innerlichkeit und politischen Amok
in alle mögliche Richtungen zu verhindern. Der praktische Kampf
gegen den Rassismus als offenster Ausdruck bürgerlich-autoritärer
Moral verlässt damit auch jenen abstrakten Anti-Imperialismus,
jene metropolitane Stellvertreterpolitik für die Befreiungsbewegungen,
die über ungenaue politische Solidarität nicht hinausgeht.
Internationale (auch militante) Solidaritätsaktionen sind nach
wie vor wichtig, aber als alleiniger Schwerptinkt ungeeignet, um
Betroffenheit und konkretes, sozialrevolutionäres Handeln hier
in den Metropolen auszulösen. Praktischer Kampf gegen Rassismus
und Ausländerhaß dagegen, könnten ein ganz neues
anti-imp. Bewußtsein vermitteln, und die verschlafene Linke
zu neuem Handeln motivieren. Und das ist entscheidend, um soziale
Unzufriedenheit nicht in nationalistische Phrasen oder faschistische
Ideologien umschlagen zu lassen. (Wie z.B. in GB die Falkland-Euphorie)
Es ist natürlich nicht notwendig, von jedem unzufriedenen
Arbeitslosen zu verlangen, in eine Wohngemeinschaft zu ziehen, um
sich mit spontanen Streiks oder möglichen autonomen Arbeitskämpfen
zu solidarisieren. Aber unsere Experimente von Subkultur aufzugeben,
statt aktiv die herrschende Arbeits- und Sexualmoral zu zersetzen,
und kollektive Praxis zu propagieren, wird uns einem fundamentalen
Umbruch des kapitalistischen Systems kein Stück näherbringen.
Die momentane Basis militanter revolutionärer Praxis in den
Metropolen ist immer noch die Subkultur, die politisierten und rebellischen
Randgruppen.
Spontane, autonome Arbeiter- oder Arbeitslosenkämpfe, die
mit dem reformistischen Gewerkschaftsapparat brechen, können
diese Basis nur verbessern. Voraussetzung dafür aber ist, gemeinsame
Punkte des Angriffs zu finden, eine Bindung herzustellen, ohne die
Autonomie der Kämpfe aufzugeben. Eine verbürgerlichte
Subkultur würde dort landen, wo die K-Gruppen und die Grünen
angekommen sind: in der Isolation oder im Reformismus. Eine fruchtbare
Verbindung autonomer Explosionen in den Metropolen dagegen schafft
punktuelle Angriffsmöglichkeiten, die ein Aufbrechen der scheinbar
homogenen Massenloyalität beschleunigen.
Militante, illegale Kerne sind für einen solchen Zersetzungsprozeß
unerlässlich, weil sie verdeutlichen, daß Teilerfolge
im Kampf um den sozialen Reichtum gegen den scheinbar allmächtigen
Herrschaftsapparat möglich sind. Wenn es diesen Kernen gelingt,
autonome Revolte (Häuser-, Arbeitslosenkämpfe, Anti-AKW,
Anti-NATO, Ökokämpfe) durch fantasievolle Aktionen zu
ergänzen, wird sich das Konzept revolutionärer Selbstorganisation
jenseits von Gut und Böse weiterverbreiten, und der Kampf um
die Köpfe wird der bürgerlichen Massenpsychologie Einflußbereiche
entziehen.
Etwas anderes allerdings können wir im Moment nicht erwarten,
selbst der tollste Anschlag sollte nie darüber hinwegtäuschen,
daß die soziale Revolution noch lange nicht auf der Tagesordnung
steht. Die militante Zersetzung von Massenloyalität kann einen
solchen Prozeß nur verbreitern und Ansatzpunkte gegen die
scheinbare Allmacht eines lebensfeindlichen kapitalistischen Alltags
liefern.
Und den Spaß, den die Zerstörung kapitalistischer Barbarei
in allen Bereichen bedeutet, brauchen vor allem auch wir selbst,
um nicht im Frust unsere Hoffnungen zu beerdigen. Die Erkenntnis,
daß Sabotage nicht nur ein politischer, sondern ein therapeutischer
Vorgang ist, daß ein erfolgreicher Angriff ein lustvolles
und befreiendes Gefühl bedeutet, sollte sich weiter durchsetzen.
Gerade in der Wirtschaftskrise werden individuelle Psychotherapien
und passive Innerlichkeit schließlich immer mehr zu einer
Geldfrage.
Wir empfehlen also Sabotage als lustvolles Mittel zur Selbsterfahrung:
billig und für kriminell Begabte sogar gewinnbringend.
In der Produktion kommt die Mikro-Technologie zum Einsatz, um
die menschliche Arbeitskraft zu steigern, indem Sabotage im Produktionsvorgang
(bewußter oder unbewußter Leistungsverweigerung durch
Krankfeiern, Verzögerung, Fehlverhalten usw.) streng überwacht
und damit unmöglich gemacht werden soll. Ist also die Computer-Technik
in der modernen Fabrik immer eine Waffe gegen leistungs-sabotierendes
Arbeiterverhalten gewesen (eben eine Waffe im Klassenkampf), muß
auch ihr sonstiger sozialer Nutzen vor allem in der Kontrolle der
,Mißratenen' liegen. Die neue Technologie findet denn auch
begeisterte Anwendung bei der inneren und äußeren Aufrüstung.
Während die menschenfeindliche Fabrikorganisation versucht,
den Unsicherheitsfaktor Mensch auszuschalten, bereitet der kapitalistische
Staatsapparat alles vor, um soziale Kämpfe durch Video- und
Rasterfahndung im Keim zu ersticken. Je mehr der Sozialstaat in
der Krise zerbröckelt, zeigt sich der reine Unterdrückerstaat.
Während die Kriminalitätsrate steigt und rebellisches
Verhalten um sich greift, setzt sich die Brutalität der Bullen
und Justizschweine im gleichen Maße durch. Der Fahndungsapparat
ist zwar technisch perfektioniert, aber die Knäste platzen
längst aus den Nähten. Die beste Fahndung kann nicht verhindern,
daß ein sinkender Reallohn die kriminelle Nachtarbeit ansteigen
läßt. Aus diesem einfachen Grund werden Terror-Urteile
und brutale Bullengewalt zunehmen, um abzuschrecken und die herrschenden
Eigentumsverhältnisse zu sichern. Die Mißachtung und
der Angriff aufs Privateigentum der Millionäre kann politisch
bewußt oder unbewußt sein, als politisch bewußter
Kampf ist mit keinem ,demokratischen Humanismus' mehr zu rechnen.
Die Haftbedingungen und die Justizmethoden gegen gefangene Genossen
aus RAF, RZ oder 2.Juni sprechen Bände darüber. Und die
Terrorurteile gegen militante Demonstranten und ihre Bedingungen
beweisen das Gleiche.
Die Verfeinerung der Fahndung geht mit einer Verschärfung
staatlicher Willkür und brutaler Abschreckungsstrategie einher,
um neben sozialdemokratische Intergrationsmodellen genügend
Angst- und Ohnmachtsgefühle zur Unterdrückung sozialrevolutionärer
Ansätze zur Verfügung zu haben. Der moderne Polizeistaat
ist es, der das Krisenmanagement für soziale Konflikte übernommen
hat. In den 60er und 70er Jahren hat er sich blendend auf die möglichen
Revolten unzufriedener Massen vorbereitet, die in der ökonomischen
Fundamentalkrise der 80er vor der Haustür stehen.
Aber wenn tatsächlich Millionenmassen den Herrschaftsapparat
zerschlagen wollen, wird auch ein Herold sie nicht aufhalten. Die
Repression funktioniert nur reibungslos, wenn noch Massen an die
Strukturen glauben und sie tragen. Die Basis sozialrevolutionärer
Propaganda (ob legal oder illegal) verbessert sich zwar in der Krise,
aber es gibt kein notwendiges Erfolgsrezept. Gerade jetzt ist es
deshalb wichtiger denn je, die neuen Überwachungs- und Kontrollpraktiken
auf Schwachstrellen zu untersuchen und da zu sabotieren, wo die
Verkabelung (z.B. Volkszählung) beginnt. Und gerade jetzt ist
es wichtig, neben der legalen Mobilisierung illegalen Widerstand
zu erlernen, um nicht total von der wachsenden Willkür und
Repression überrascht und vernichtet zu werden. Vergessen aber
dürfen wir nicht, daß unsere Illegalität noch keine
Massenbasis hat, in der sie schwimmt. Sie ist vor allem defensiv
gegen die Repression und subversiv gegenüber der Massenloyalität
bestimmt.
Organisationsstrukturen
Von dieser Position aus müssen wir auch unsere Organisationsstruktur,
die Kontakte oder punktuelen Koordinationsansätze, legale oder
illegale Treffen an sich diskutieren. Legale Treffen von "Symphatisanien
des linksterroristischen Umfelds" (also beim VS bekannte Legale)
werden natürlich im Zuge der Rasterfahndung zunehmend überwacht.
Ob Anti-AKW-Inis, Friedensgruppen, Knastgruppen oder Autonomentreffs.
Die Aktivisten werden punktuell herausgefiltert, um die illegalen,
autonomen oder revolutionären Zellen aufzuspüren.
Deshalb ist nichts Wichtiger, als auch den legalen Bereich organisatorisch
neu zu überdenken. Militante, die in außerparlamentarischen
Bereichsinitiativen arbeiten, müssen mit den Kalkulationen
und Rastern der Bullen rechnen. Wenn wir nämlich wissen, daß
die Bullen mit Rasterarbeiten unsere Bewegungen im Computer speichern,
können wir auch die Raster verschleiern ! (Durch verwirrend
unlogische Praxis). Dem steigenden Sicherheitsrisiko steht das wachsende
Bedürfnis der Autonomen gegenüber, durch regionale Zusammenarbeit
politischen Druck zu verschaffen.
Die Zahl der Autonomentreffs und gemeinsamen Vorbereitungen haben
überall zugenommen. Die legalen Möglichkeiten mussen immer
wahrgenommen werden, und es ist sehr wichtig, die legale Kommunikation
der Autonomen zu verbessern.
Weil aber die Autonomen Gewaltfreiheit und einen reformistischen
Pakt mit dem Staat (wie z.B. die Grünen) ablehnen, gelten diese
Treffs eben als legales "terroristisches Umfeld'. Die BKA-Konstruktion
einer legalen RAF, die kollektive Anwendung des § 129a beim Schwarzen
Block, beim Berliner Häuserrat usw. zeigen, was bevorsteht.
Die Möglichkeit des Staatsapparates, alle legalen Projekte
der autonomen Linken zu kriminalisieren, wird bereits jetzt intensiv
genutzt. Und an irgendeinem Tage steigender Revolten sind vielleicht
alle legalen Strukturen verboten, und die Aktivisten werden gejagt.
Auf diesen Tag sollten alle beim VS als "Terrorsymphatisant" und
andere Linke vorbereitet sein.
Also unterschiedliche Leute auf Treffen gehen lassen, Treffs als
Freundschaftstreffs tarnen, lupenreine, legale Leute kennen, um
bei Repression unterzutauchen, Pässe besorgen usw. Diese praktische
Vorsorge ist wichtig, wenn Zusammenarbeit nicht vollständigere
BKA-Listen und eine mögliche zentrale Verfolgung bedingen soll.
Die andere Frage wachsender Koordination ist eine politische, in
der die Autonomen gespalten sind. Die Ablehnung jeglicher Koordination
bei einigen Militanten, "Bildet Banden", steht oft feindlich der
Praxis autonomer revolutionärer Zellen gegenüber. Das
spontanesistische Prinzip endet aber oft genug, wenn die Militanz
auf der Straße beendet ist. Um die Revolte nicht einschlafen
zu lassen, um reale Möglichkeiten und Erfolge sozialrevolutionärer
Politik zu zeigen, sind kontinuierliche, militante Kerne nötig.
Der Avantgarde-Vorwurf gilt schon deshalb nicht, weil diese Kerne
weder eine sozialrevolutionäre Massenbewegung repräsentieren,
noch eine zentrale Struktur besitzen. Und wie zentralistische Strukturen
in einer sozialrevolutionären Massenbewegung zu vermeiden sind,
sollten wir diskutieren, wenn die schlafenden Massen tatsächlich
rebellieren. Solche Überlegungen sollten sich dieienigen machen,
die an eine soziale Revolution glauben. Hier allerdings sprengt
es den Rahmen.
Am Schluß soll das Problem der Zusammenarbeit mit ,politisch
Andersdenkenden' zur Sprache kommen. Autonome und Anti-Imp Gruppen
haben in letzter Zeit punktuell immer wieder zusammengearbeitet.
Daran ist nichts schlecht, und es gibt durchaus Erfolge. Trotzdem
brachen beim Thema RAF, Stadtguerrilla dauernd zerfleischende Konflikte
zwischen beiden Richtungen aus, und die Autonomen sollten genauso
eigene Treffs organisieren um ihre politischen Inhalte zu formuliern.
Das bat nichts mit Spaltung zu tun, Aktionsbündnisse sind absolut
notwendig; nur sollten wir öfter wissen, was wir eigentlich
politisch denken und erreichen wollen, um von den Organisierten
nicht überrannt zu werden.
In diesem Bereich fällt außerdem die eigene Bestimmung
der Zusammenarbeit. Wann wollen wir mit Reformisten wie den Grünen,
Gewaltfreie - und ähnliches zusammenarbeiten, wo nicht. Wo
sind bei den Grünen noch alte K-Gruppen Aktive, die unsere
Positionen phasenweise teilen, wo revolutionäre Gruppen, mit
denen fruchtbare Zusammenarbeit möglich ist. Das gilt nicht
nur für legale Zusammenarbeit. Die Repression steigt gegen
alle linksradikalen Tendenzen an (ob in der grün-alternativen
Bewegung, im Anarcho-Autonomen-Lager). Wenn z.B. Aktive der eigentlich
reformistischen, grün-alternativen Bewegung Tips aus dem bürokratischen
Apparat in den Sumpf geben, in den Gewerkschaften revolutionäre
Wühlmäuse mit autonomen Militanten zusammenarbeiten, wenn
in anderen legalen Bereichen Sympathisanten und Informanten sitzen,
hat das nur gegenseitige Vorteile.
Wichtig für solche Bündnisse aber ist unsere Entschlossenheit,
eigene Positionen, eine legale und illegale Praxis und Theorie zu
entwickeln um nicht beim Reformismus oder bei politisierten Kackern
zu enden.
Schafft viele autonome revolutionäre Zellen !!!
Reichtum für alle !!!
Autonome Revolutionäre Zelle
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