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RZ / Rote Zora

Nachdem der letzte Betriebskader die Fabrik verlassen hat...

Nachdem der letzte Betriebskader die Fabrik verlassen hat, das letzte besetzte Haus geräumt ist und so ziemlich alle Bedürfnisse über den Adressenteil des Pflasterstrandes abgedeckt werden (Ralfs Fahrradladen hat gerade eröffnet, die Tageszeitulng gibt's im Frühjahr - Ich bräuchte bloß noch ein Nachtcafe, eine Abendesskneipe und eine 24-Stunden-Disco), hat unser letzter Außenposten - die Stadtguerilla - sich dem historischen Kompromiß zwischen den etablierten und den aIternativen Pappnasen angeschlossen und die Reorganisation als Scene- Guerilla in Angriff genommen. Mir fällt dabei ein Stein vom Herzen, der bald auf Deinem Küchentisch landen könnte. Denn eine Frage geisterte seit langem ohne Anwort durch sämtliche Wohnungs- und Beziehungsdiskussionen: "WAS MACHEN WIR NUR MIT DEM BULLEN IN UNS?" Ab sofort ist alles klar. Du mußt nur noch die Nummer der Sceneguerilla anrufen ("Plagt Dich Dein Bull' - Ruf drei- eins- zwei- vier- null! ") und die erledigen das bzw. den mit altgewohnter Präzision. Da ist uns mit einem Schlag ein riesiger Erfahrungsschatz zugefallen, der völlig ungeahnte Perspektiven öffnet.

Nicht nur Du hast ja nen Bullen in Dir: die anderen auch! Ist Deine Beziehung mal knatschig, dann hat sich bestimmt der Bulle in derselben zu weit vorgewagt - knatsch, knatsch - schon hat er zwei in der Fresse. Oder der Strand- Kaffee ist mal fad, schon müssen sich der Johnny und sein Bulle nach ner neuen Einrichtung umsehen. Oder die Bedienung in der Karl- Marx guckt verdrießlich, schon wird ein Büchertisch durch den Fleischwolf gedreht. Oder ein Typ schreibt so ne miese Schmiere wie ich, dann kann er Sich gleich in der Mundmalschule anmelden.

Das alles erscheint Dir vielleicht zu schön um wahr zu sein, aber die ersten Taten unserer Seneguerilla werden Dich eines besseren belehren. Nimm nur ihr konsequentes Eintreten gegen alle, die die alte Stadtguerilla auflösen und der Scene vorenthalten wollen, wie Baumann, Klein und Sympathisanten. Diese Typen sind total beherrscht von dem Bullen in ihnen, sie sind ihren Bullen hilflos ausgeliefert; diese Bullen haben ihre Texte geschrieben und ihre Interviews geführt. Weil die Sceneguerilla das wem, greift sie überall ein, wo diese Bullentexte produziert und vertrieben werden: so im Druckladen, der das Klein- Interview druckt, so im Pflasterstrand, der es vertreibt, so in der Karl- Marx, die es verkauft mitsamt dem extra von den pigs freigegebenen Bommi- Buch. Im Druckladen hat auch nicht der Grundmann eine gescheuert gekriegt, wie es immer heißt, sondern sein Bulle. Der Grundmann sollte der Sceneguerilla dankbar sein und die Scene sollte differenzieren lernen. Die Pflasterstrand- Leute waren vorneherum freundlich und hintenrum am transportieren. Das hat die Sceneguerilla leider nicht gescheckt, weil die Bullen selbst da, wenn auch nur kurzfristig, die Oberhand hatten. In der Karl- Marx sah's schon anders aus. Bei denen ist der Bulle so permanent, daß man schon von einer Staatsschutzbuchhandlung sprechen muß. Deshalb sind da Eier geflogen, damit die Buchtitel nicht mehr zu lesen sind und die Eierköppe ihrem Namen gerecht werden. Noch flogen Eier, die bekanntlich im Duden (vgl. S. 238) und in der Realität vor den Eierhandgranaten dran sind.

Es gibt viel zu tun. Packen Wirs an.

Reinhold

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