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Für Klein- Klein war der Weg vom heimgekehrten Sohn zum Verräter
so kurz ...
Für Klein- Klein war der Weg vom heimgekehrten Sohn zum Verräter
so kurz, daß ich mich frage - ist er diesen Weg so schnell
gegangen oder die Pflasterstrand- Redaktion bzw. Teile der Redaktion.
Oder anders gesagt: inwieweit tragen andere ihre Probleme auf seinem
Rücken aus und schieben ihn rum, wie sie's brauchen?
Für ihn und Astrid Proll war das Aussteigen aus der Guerilla
ein praktisches Problem und sie haben es -verschiedene Personen,
verschiedene Situationen - unterschiedlich gelöst. Wichtig
ist erstmal, finde ich, ob es möglich ist. Vielleicht würde
Astrid Proll einen ebenso fiesen und widerwärtigen Artikel
schreiben wie einige ungenannte Pflasterstrand- Redakteure - den
könnte ich dann ernster nehmen, eben weil sie weiß, wovon
sie redet und nicht einfach linksradikale Schreibtischtaten begeht.
So ist das aber erst mal eine Geschichte von Kommentatoren, und
ich wäre froh, wenn sie auch darüber geschrieben hätten,
und ich wäre froh, wenn sie auch darüber geschrieben hätten,
was bei ihnen dabei abläuft. Ich kenne Leute, die den Sprung
zur Guerilla nicht geschafft haben und deshalb organische Krankheiten
produzieren, und ich kenne welche, die ihn nicht geschafft haben
und starke Sprüche produzieren.
Beide haben eines gemeinsam: sie nehmen ihre Angst - oder was auch
immer sie abhält - nicht so ernst, daß sie sie selber
akzeptieren würden und überlegen, was dahintersteckt.
Lieber irgendwie zu überleben, oder sich nicht in eine Situation
begeben, die ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten produziert
und eine Entwicklung erzwingt, die vielleicht gar nicht gewollt
war, oder sonst was.
Statt dessen wird mit einer wahren Nibelungentreue festgehalten
- woran eigentlich? An der Guerilla oder an einer bestimmten Lösung
der eigenen Widersprüche? Denn den Haß auf das Knastsystem,
der wohl immer stärker zur Rekrutierungsbasis der Guerilla
wird, in eine reine, papierne Linie umzusetzen ist halt auch eine
Lösung von eigenen Widersprüchen, eine von etlichen möglichen
Reaktionen auf staatliche Verbrechen. Jedenfalls bin ich ganz froh,
daß wir nicht schon im Stalinismus lebten; das erspart Uns,
alte Genossen als pensionierte Minister zu begrüßen (oder
liquidierte).
Jedenfalls: was hat der Klein- klein eigentlich verraten? Oder
hat er gar nicht? Sonst hätte die Verräterzeitung Liberation
ja wohl auch was abbekommen müssen. Hat er was allgemeines
über internationale Abhängigkeiten verraten? Selbst ich,
der ich nur ganz sporadisch irgendwelche Zeitungen lese, erinnere
mich, daß auf die Idee auch schon bürgerliche Blätter
kamen. Davon abgesehen finde ich das einen wichtigen Punkt bei der
Auseinandersetzung um die Guerilla und das Staatsschutzargument
hat immer auch die Funktion, unangenehme Auseinandersetzungen zu
unterdrükken. Und über den Waschzwang und andere persönliche
Macken unserer künftigen Herrscher bin ich schon ganz gern
nebenbei unterrichtet.
Für mich ist der Artikel nichts als eine subjektive Zusammenfassung
bekannter und vermuteter Sachen und persönlicher Erfahrungen
und der Vorwurf reduziert sich auf Klein- Kleins Großmäuligkeit,
über die wir uns gern unterhalten können, wenn die diversen
Pflasterstrand- Redakteure ihre eigenen Macken ähnlich harsch
wechselseitig kritisieren.
Und auch nachdem Teile der Sponti- Scene ihn jetzt ebenfalls an
die Wand zu drängen versuchen gibt es bei ihm einiges, das
mich erwarten läßt, daß er trotzdem andere Auswege
findet als sich mit den Bullen zu arrangieren, auch wenn sein Spielraum
kleiner gemacht wird. lmmerhin ist er vor ein paar Jahren schon
mal damit zurechtgekommen, als Bulle angesehen zu werden. Allerdings
war seine Isolation damals unvollständiger.
Für mich, falls das nicht deutlich wurde, war der Artikel
von Klein- Klein ein politischer Beitrag, auch wenn er ebenso wenig
wie sonst jemand die neue Perspektive bringt. Aber da etliche da
anderer Meinung sind können sie ihm und mir vielleicht einen
Studienplatz am Seminar für Politik vermitteln, damit wir lernen,
mal was anderes als Dönekens von uns zu geben. Sein Mangel
ist, daß er nicht so viel Möglichkeiten für Identifikationen
bietet wie anderer Kram - wenn beispielsweise ein Altstalinist wie
Glucksmann jetzt nicht mehr das internationale Proletariat, sondern
die Dissidenten des Ostblocks zum Opfer seiner Interpretations und
Führungskünste macht, finde ich, daß das eine ganz
schön üble Ideologie verbraten wird, aber das ruft in
der Pflasterstrand- Redaktion bedeutend weniger Hektik hervor. Oder
wenn ich an den Scheißdreck denke, den kürzlich - unkommentiert
.einer über die armen Millionärs- Loser in der PopScene
schrieb, die auch bloß arme Opfer sind und mit denen wir uns
so recht identifizieren können, dann werde ich das Gefühl
nicht mehr los, daß viele immer noch meinen, die Politik läuft
halt auf der Ebene der 'großen' Politik ab und da wer den
auch die zukunftsträchtigen Auseinandersetzungen geführt
. Subjektivität hin, Bedürfnisse her.
Wichtig, ernst zu nehmen, kommentierungswürdig wird irgendwas
erst auf der Ebene von Staat und Guerilla. Nun gut.
Ach so, und schöne Grüße.
Burkhard Bluem
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