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RZ / Rote Zora

Jochen Klein: Gelbe Karte

Jochen Klein - Im Spiegel, im Kibbuz, in französischen Gazetten, - d.h. in L' Aurore, die ihn just vor vier Monaten für tot erklärt hat, ermordet von einem Kommando der RAF, - im Zusammenhang mit den Großen der Guerillia, der Presse, der Geheimdienste und dabei noch immer in Bockenheim - zumindest im Kopf.

Uns würde interessieren was Dich reitet. Deine Antiguerillia Mission ist ebenso lächerlich wie verlogen. Die Begründung andere Leute abhalten zu wollen, sich der bewaffneten Linken anzuschließen, ist ein dürftiger Vorwand für das, was Du derzeit verzapfst. Bei diesem Hochseilakt wirst Du sehr bald feststellen, daß das Seil auf dem Du rumturnst an einem Ende frei in der Luft hängt.

Holen wir ein wenig aus. Deine Entscheidung sich der Guerillia anzuschließen war für uns nachvollziehbar, erklärbar und insoweit verständlich gewesen. Aber zumindest im Nachherein läßt sich sagen, daß Du damals eine politische Entscheidung nicht gefällt hast. Die Vorstellung sich eine Zipfelmütze überzuziehen, ein paar Opecminister zu klauen und dann wieder im Eppsteineck friedlich am Bier zu nuckeln - komisch, wenns nicht wahr wäre. Politische Entscheidung in dem Sinne, daß Dir offensichtlich nicht klar war:, für was Du Dich entschieden hast, und warum der Gang nach Wien. Dein Entsetzen hinterher festzustellen, daß die Aktion in Wien nur eine instrumentelle Geschichte gewesen ist, große Politik, Weltpolitik oder so was ähnliches, an Naivität ist Deine heutige Einsicht schwerlich zu überbieten.

Das Vorstellungsbild, daß Du offensichtlich gehegt hast und auch noch hegst, ist die platte Übertragung von Frankfurter Verhältnissen mit diversen Scharmützeln und öffentlichen Akten der Unbotmäßigkeit auf weltweite Auseinandersetzungen zwischen imperialistischen Interessen und denen der unterdrückten Völker. Und da herrscht Krieg.

Sowohl der Kalte mit den diplomatischen Ränkespielen, den Liquidierungen, den Propagandaschlachten und der heiße bis hin zur Massenvernichtung in Tel al Zaatar. Und mitten zwischendrin der brave Frankfurter Bub, der "nicht anfangen will den großen Reuigen zu spielen." Natürlich kannst Du dann auch nicht kapieren, daß es nicht die Frage ist, ob man eine Aktion ohne Blutvergießen durchführen kann und trotzdem ein paar Leute erschießt, weil es in die Logik der jeweiligen Großwetterlage paßt. Diese Form des Kampfes lebt nicht von der Rücksichtnahme auf menschliches Leben, er lebt von Faktoren, wo "Menschlichkeit" allenfalls ein Vehikel ist, eine berechenbare Größe. Das wäre ein Strang von Kritik, der akzeptabel wäre, aber Dich mit einbezieht, wenn Du in der Lage wärst zu sagen, daß Du bestimmte Sachen nicht begriffen hast, daß Du Dich für etwas entschieden hast, was Du nicht teilst. Aber im Gegenteil: deine drei Meter breiten Schultern, die nach unserer Einschätzung Dich veranlaßt haben in Wien mitzumachen, sind durch diese Erfahrung offenbar nicht schmaler geworden.

Um es klar zu sagen, nicht Dein Ausstieg ist für uns kritisierbar, sondern das "Wie" Du nimmst nach wie vor für Dich in Anspruch zur Linken zu zählen. Du sagst Du willst "verhindern" daß noch jemand sich der Guerilla anschließt. Für eine derartige Diskussion kann und darf der Adressat NUR die Linke sein. Hierbei kann und darf es nicht um Fakten und Namen aus der Guerilla gehen (das ist im übrigen das einzige, was Dich für die bürgerliche Presse interessant macht). Es kann einzig und allein nur darum gehen, zu zeigen, wie einer zur Guerilla stößt und warum er das später für eine Sackgasse hält. Nur so wird Deine Geschichte für uns diskutierbar. Im Spiegel wird das allerdings kaum möglich sein.

Über Dein "Spiegel"- Interview waren wir entsetzt und fordern Dich auf, solche Veröffentlichungen in Zukunft zu lassen. Es fängt mit diesem Organ selber an: da ist ein sensationsgeiles Blatt, das sich einen Dreck für Dein Schicksal interessiert, sondern dem es nur um den vermarktbaren Hit geht. Nur weil Du Insider- Fakts auf Lager hast kannst Du Dich verkaufen - und Du wirst Dich weiter nur verkaufen können, wenn Du mehr davon lieferst. Um es ganz klar zu sagen auf diesem Weg ist es nicht mehr weit zum offenen Verrat. Irgendwann wird der Unterschied zwischen "verraten" und "verhindern" hinfällig. In Deinem Interview sind einige Äußerungen, für die die Bullen sich dankbare Abnehmer sind. Man muß nicht zur Guerilla gehören, um sich vor Deinen nächsten Äußerungen zu fürchten.

Wahrscheinlich hast Du Dich bei dem Interview für ungeheuer clever gehalten. Dir eingebildet, Du hättest Sie nur benutzt. Aber Du hast es da mit Profis und nicht mit grünen Jungen zu tun. Das Raster der ganzen Fragerei in dem Interview ist ein Bullenraster, hat den Charakter eines Verhörs. Und Du läßt Dich entweder darauf ein oder verweigerst wenn es gar zu hart kommt die Aussage.

Doch unsere Vermutung geht weiter: wir glauben nicht, daß Du da auf etwas hereingefallen bist; wir befürchten, daß Du diesen Weg und diese Art der Veröffentlichung gesucht hast. Du willst mit Stories und Fakten und Durchblickereien groß rauskommen, um Dich von Deiner Unfähigkeit eine neue Perspektive für Dich zu entwickeln abzulenken. Wir glauben Dir nicht mehr, daß es Dein Ziel ist, andere vom Weg in "den Wahnsinn der Guerilla" anzuhalten: da müßtest Du ganz anderes erzählen: müßtest wirklich von Dir erzählen und dürftest nicht so tun, als wäre es das Absurdeste der Welt, in die Guerilla zu gehen. Aus dem, was Du sagst, wird aber weder klar, warum Du in die Guerilla gegangen bist, noch warum Du wieder rausgegangen bist.

Du stellst Dich zwischen den Zeilen nur als die pazifistische Jungfrau vom Eppsteineck dar, die erst nach der Opec- Aktion begriffen hat, daß zwischen den Herrschenden und der Guerilla Krieg herrscht.

Wenn Du, was in dem Interview klar herauskommt, auf eine Amnestie spekulierst, so kann sie individuell nur von dem System gegeben werden, wenn Du auspackst. Die Frage einer allgemeinen Amnestie kann nur von einer breiten Bewegung aufgeworfen werden. Auf dem schmalen Grad von Kritik und Verrat kannst Du Dich alleine nicht halten. Du solltest die Sache zu Ende denken, denn es kann sein, daß Du irgend wann im Gerichtssaal stehst und Genossen belastest. Ob Dirs dann besser geht, bezweifeln wir.

Mit der Protzerei über Dein Insiderwissen machst Du letztendlich nur die Presse, die Bullen und die Geheimdienste auf Dich geil. Auch wenn die Guerilla heute nicht mehr Deine Freunde sind, sind die anderen Deine Feinde. Wir verstehen auf Grund Deiner Lebensgeschichte, daß Du die Guerilla kritisierst, das aber in einer politischen Art und Weise machen zu können, ist eine Aufgabe, die Du Dir aneignen mußt, anstatt im Spiegel großklotzig Dich als Oberdurchblicker zu verkaufen.

Einige Freunde

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