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RZ / Rote Zora

WAS HAT DAS MIT REVOLUTION ZU TUN?

Der hier abgedruckte Text eines Genossen drückt Überlegungen und Gefühle von vielen Linken aus, die mit der Trennung Schwein- Mensch nichts anfangen können. Wenn Moral nur zur Funktionalisierung benutzt wird, kehrt sie sich in ihr Gegenteil um.

Euer Ton gegenüber denen, die Ihr den Schweinen so umstandslos nicht zurechnen könnt, ist härter geworden, noch ultimativer als bislang. Euer besonderer Haß richtet sich dabei gegen die Rest der ehemals militanten Sponti- Linken, deren Häuptlinge nun das Gift der klassenversöhnlerischen Alternativbewegung verspritzen. Ich glaube, Ihr habt nichts von dem begriffen, was den Zerfall der alten Sponti- Bewegung ausmacht und begründet; dazu weiter unten. Aus Eurer Lieblingsidee - dem organischen Übergang von der spontanen Spontibewegung zum massenhaften bewaffneten Kampf - ist nichts geworden. Nach den Gründen fragt Ihr nicht, redet statt dessen voller Haß von der Saturiertheit, Feigheit, Angepaßtheit der Spontis und insbesondere ihrer Führer. Diese Methode kannte ich bisher nur von den ML ern, insbesondere vom KBW (aber es paßt: auch Ihr seid ML'er). Daß Ihr das tut, ist schlimm. Noch beschissener aber ist, was Ihr damit bezweckt: schlechtes Gewissen verbreiten. Ihr spekuliert auf das Minderwertigkeitsgefühl der scheinbar Inkonsequenten gegenüber den scheinbar Konsequenten. Wer so was tut, will was von den andern - und bestimmt nichts Autonomes!

Ihr habt an einem Punkt recht: wir (die alte Sponti- Bewegung, die nicht mehr ist) haben uns der Stadtguerilla gegenüber nicht konsequent verhalten. Weil wir tatsächlich oft ein schlechtes Gewissen hatten und unser Handeln für unzulänglich hielten, haben wir lange Zeit nicht klipp

und klar gesagt, daß wir die Stadtguerilla für eine falsche Politik halten. Das war wirklich ein Fehler - ohne ihn wäre es vielleicht besser möglich gewesen, den Kampf gegen die Vernichtung in den Knästen wirkungsvoller zu unterstützen. Das Letztere ist mir immer noch wichtig- und mir ist klar, daß daraus nur was werden kann, wenn ich mir von Euch nicht mehr den Kopf okkupieren lasse. Es ginge dann um eine Gefangenenbewegung, nicht nur in den Knästen; natürlich wären die Genossinnen und Genossen der Stadtguerilla, die interniert sind, Teil dieser Bewegung. Aber das Hauptgewicht läge für mich woanders. Und vor allem sähe ich dann nicht mehr ein, warum, wenn von Gefangenenbewegung die Rede ist, auch von der Stadtguerilla die Rede sein muß.

Daß eine Bewegung der Internierten ein wirklicher Brandherd dieser - Gesellschaft werden kann, kann ich mir sehr gut vorstellen; von der Guerilla glaube ich das überhaupt nicht - auch wenn sie eine Menge Wirbel machen kann. Ihr werdet sagen: das ist das bullige Unterscheiden zwischen Opfern und Kämpfern. Wenn das, was Ihr vorzuschlagen habt, kämpfen sein soll, dann bin ich lieber - um Eure armselige Begrifflichkeit aufzunehmen - liberal.

Inzwischen habt Ihr von dem Teil der Linken, mit dem Ihr angeblich längst und endgültig abgeschlossen habt, einiges an Begriffen adaptiert: Ihr redet auf einmal von Angst, Einsamkeit, Kaputtheit, plastic people, Todeskultur, Liebe und den kolonisierten Köpfen. Das ist unehrlich und plumpe Bauernfängerei, denn all das sind Begriffe, mit denen Ihr nichts anfangen könnt. So beginnt die "Erklärung des Kommandos Ulrike Meinhof zur Hinrichtung von Buback" mit dem schrecklichen, stählernen Satz: "Für ,Akteure des Systems selbst' wie Buback findet die Geschichte immer einen Weg." Und in dem Stil geht es dann weiter - bis gegen Ende ganz plötzlich das Wort "Liebe" auftaucht: das klingt nicht weniger zum Kotzen als wenn in einer Shell-Reklame von Liebe die Rede ist. Oder: Ihr redet von den kolonisierten Köpfen; Ihr habt ja keine Ahnung davon, was das bedeutet: unter anderem eben auch, daß revolutionäres Handeln keine Entscheidung ist, die man treffen kann, daß die Feindlinien durch uns selber hindurchgehen, daß wir mit der Besetzung unserer Körper sicher nicht dadurch fertig werden, daß wir uns bewaffnen usw. Wenn Ihr den Spontis vorwerft, daß sie mit diesem Problem ungenau umgehen, habt ihr ungewollt recht; Ihr aber setzt Euch mit diesem Problem überhaupt nicht auseinander - da nützt auch ein bißchen Wortgeklingel nichts.

Aber Ihr sprecht auch Klartext. Es sei immer, so oder so, Klassenkampf: man kämpfe oder werde besiegt, man lebe oder werde gelebt: aus, Ende. Ihr betont immer wieder, der bewaffnete Kampf sei nicht das Einzige - aber von nichts anderem redet Ihr mehr. Der Schritt zur Bewaffnung ist für Euch ein Schritt zur Befreiung: ich glaube inzwischen an sich! Auf Seite XI Eurer Schrift steht der Satz: "Den Unterdrücker zu ermorden, ist Befreiung." Vor solchem Denken graut mir wirklich. Ich will überhaupt nicht die - wirklich verlogene Ideologie von der Kraft der Zärtlichkeit propagieren: ich weiß sehr wohl, daß in bestimmten Subkulturen die Lust zur Zerstörung eine produktive ist, daß sie Widerstand ist. Das aber könnt Ihr für Euch nicht reklamieren: bei Euch ist es politisches Kalkül - und der heute herrschenden Lust an der Zerstörung, am Ausmerzen und Auslöschen durchaus verwandt. "Heute haben wir ... angegriffen, zerstört, in die Luft gesprengt, hingerichtet, renoviert, flambiert." so beginnen in der Regel Eure Kommuniques, wenn Ihr mal wieder operiert habt, Tut mir leid, trotz ein paar furchtbar witzigen Schlenkern ist das dennoch die herrschende Sprache in Reinform, die Sprache der Obersten Heeresleitung. Man kann den Artikel von Joschka weiß gott kritisieren, aber nur dem Argument vom Entstehen des Vopos, der noch Revolutionär sein will, hat er wirklich recht. Eine der unseligsten Traditionen der Linken treibt Ihr auf die Spitze: daß auf jedenfall politisch, gut und revolutionär sei, was nur mit Bullen zu tun hat, gegen sie geht. Die Revolution muß im Spiel sein, wenn die Bullen massenhaft auftauchen.

Wenn ich heute nach Alternativen zu de alten Sponti- Politik suche, dann weil ich die Erfahrung gemacht habe, daß nur die alten revolutionären Vorstellungen heute nichts mehr zu begreifen ist, daß man mit ihnen nicht mehr kämpfen kann. Es reicht nicht mehr, nur gegen zu sein, sein revolutionäre Identität negativ aus den Bullen und dem Imperialismus zu beziehen. Einen Weg weiß ich noch nicht. Di durch wird Euer Geschwätz und Säbelgerassel aber keinen Deut richtiger. Ihr könnt "angreifen, zerstören, in die Luft sprengen, hinrichten, renovieren, flarbieren ..."; und Ihr könnt sicher was erreichen: Angst und Unsicherheit verbreiten, unter den Herrschenden und wo auch unter den Beherrschten.

Was aber hat das mit Revolution zutun?

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