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Nur Tote schweigen
In diesem Artikel geht es uns darum, eine mögliche Liquidierung
von Jochen und die Hatz auf seine Helfer zu verhindern. Wir fordern
die bewaffnete linke zu einer eindeutigen Stellungnahme auf.Hans-
Joachim Klein hat seine Erklärung nicht nur an den "Spiegel,
sondern auch an uns in Frankfurt geschickt. Der Brief richtet sich
auch an uns, er ist der Versuch, unterbrochene Zusammenhänge
wieder herzustellen - so gut das einem doppel Gejagten wie Klein-
Klein heute möglich ist
Klein- Klein ist ein Genosse, den viele von uns kennen, der mit
uns eine weithin gemeinsame Geschichte hat. Es ist die Geschichte
der linksradikalen Bewegung in Frankfurt. Eine Geschichte auch von
Niederlagen, Verwirrungen und Resignation. Klein -Klein hat diese
Situation, die er nur noch als elend und schmählich empfand,
nicht mehr ausgehalten: er schloß sich der Stadtguerrilla
an. Daß er sich jetzt - nach schlimmen Erfahrungen von ihr
wieder trennt, freut uns. Zu Selbstbestätigung und Selbstbefriedigung
ist freilich kein Anlaß: die elende deutsche Situation dauert
an, eine kämpferische, revolutionäre und lebensbejahende
Antwort haben wir nicht gefunden. Wir suchen. Die Stadtguerrilla
hat bis vor ganz kurzem den "Kämpfer" Klein für
sich reklamiert. Dem abgesprungenen Genossen Klein- Klein, der sich
in einer entsetzlichen Lage befindet, weil er nirgendwo zurückkehren
kann, wollen wir helfen, wir wollen mit ihm reden- wir wollen ihn
aber nicht nur uns reklamieren. Er kann für sich selber sprechen.
Dem Brief ist zu entnehmen, daß Klein- Klein Angst hat: vor
der Rache der Stadtguerrilla, national oder international. Wir halten
diese Angst für mehr als berechtigt. Die Stadtguerrilla sagt
von sich, ihre Verkehrsformen seien von Solidarität und Liebe
geprägt. Wir glauben davon kein Wort. In der Logik der Stadtguerrilla
liegt es viel eher, die sogenannten "Widersprüche in den
eigenen Reihen" militärisch zu lösen. Der Mord an
Schmükker trägt diese Handschrift genauso wie eine Parole
an einer Wand der Universität in Frankfurt: Andreas raus, Dany
rein! Wo es nur die Alternative Fighter oder Bulle gibt, befindet
sich die Abweichung immer in tödlicher Gefahr. Das Liquidierungsdenken
hat mit Revolution, Befreiung und Autonomie aber auch nichts zu
tun. Es gibt eine "revolutionäre" Blutspur: Kronstadt,
Ukraine, Katalonien: Ausmerzung von Räten, Anarchisten, Trotzkisten,
Demokraten, Bürgerrechtlern. In dieser Tradition - von der
die Revolution heute vielerorts loskommen will - steht voll und
ganz die Stadtguerrilla.
Wir wünschten uns eine eindeutige Stellungnahme der verschiedenen
Gruppen der Stadtguerrilla zum "Abspringen" von Klein-
Klein und den Konsequenzen, die daraus gezogen werden. Erzwingen
können wir diese Stellungnahme nicht: es gibt keine Adresse,
an die wir uns wenden könnten. Daß Klein- Klein jetzt
über Nacht auf der "Hinrichtungs"- Liste steht, können
wir uns - leider - vorstellen. Sicher, die Stadtguerrilla lebt gefährlich:
fliegt sie auf, wartet auf sie die Hölle der Isolation und
Vernichtung.
Aber das Operieren aus der Illegalität heraus hat auch sein
furchtbar Einfaches: man ist der Diskussion, Auseinandersetzung
und Veränderung entzogen, man schmeißt den Leuten bewaffnete
Fakts vor die Füße- wenn' s sein muß, die Leiche
des Verräters. Das ist dann der heroische, in die Zukunft weisende
Beitrag der Stadtguerrilla zu dem Problem, daß einem bewaffneten
Kämpfer Zweifel gekommen sind: die Kugel aus dem Untergrund.
Wir können Euch nicht - wie Ihr sehr wohl uns- drohen. Nur:
wenn Ihr Klein- Klein umbringen wollt, dann seid Ihr eine dreckige
Mörderbande- keinen Deut besser als die Bullen, die Euch jagen.
Die vielen JEMANDE bitten wir, dem Jochen Klein unsere liebevollen,
aber auch traurigen Grüße auszurichten. Wo wir es können
,sind wir bereit, mit ihm zu reden, ihm zu helfen, finanziell und
sonstwie.
Wir vermuten, daß Jochen noch vieles zusagen hat über
die Erfahrungen, die er in den letzen zwei Jahren gemacht hat. Das
wird nicht einfach und nicht ohne Selbstzweifel möglich sein,
denn das, worum es vermutlich geht, rührt zutiefst an die internen
Solidarisierungstabus der Linken.
Wir meinen aber, daß diese Diskussion in aller Konsequenz
geführt werden muß: nicht das sogenannte "Auspacken"
ist konterrevolutionär (Jochen weiß sehr wohl WIE er
sprechen wird), sondern das Verschweigen, Zudecken und Weiterwursteln.
Selbstverständlich sind wir bereit, soweit es uns möglich
ist zur Veröffentlichung einer solchen Diskussion beizutragen.
Für die Stadtguerrilla sieht es vermutlich so aus: mit dem
"Abspringen" des "Verräters" hat sich der
revolutionäre Körper gereinigt, ist der bewaffnete Alltag
wiederhergestellt und der Unruheherd beseitigt. Wir sehen es anders:
ein ungeheuer wichtiger Prozeß hat gerade erst angefangen.
Es ist schlimm, daß erst die Erklärung von Klein- Klein
uns stärker ermutigt hat, das zu sagen, was wir schon länger
denken und vermuten: jetzt aber werden wir ganz entschieden kein
Blatt mehr vor den Mund nehmen.
Pflasterstrand - Redaktion
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