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Zustände, Umbrüche, Widerstände in der BRD
In Zeiten der Rekonstitution versuchen die Herren erneut, auch
hier ihre Macht zu stabilisieren, neue Ausbeutung mit struktureller
und direkter Gewalt durchzusetzen, die Hierarchien im Geschlechterverhältnjs
wiederherzustellen, von FrauenLesben erkämpfte selbstorganisierte
Strukturen zu zerschlagen.
Gleichzeitig wird die Spaltung zwischen Frauen immer krasser. Einerseits
bietet unsere Gesellschaft weißen Frauen Karriere, gut bezahlte
Jobs und sogar manchmal Führungspositionen an. Andererseits
wächst die Armut vieler alter Frauen, von Migrantinnen und
geflüchteten Frauen, Alleinerziehenden, Sozialhilfebezieherinnen
etc.
"Hinter jedem (erfolgreichen) Mann steht eine Frau, die sich
um und für ihn sorg". Dieser Satz gehört mittlerweile
zur Frauenallgemeinbildung, wohingegen geschickt kaschiert wird,
daß immer öfter hinter der berufstätigen Mittelschichtsfrau,
mit und ohne Kinder, eine Migrantin steht, die für sie die
lästige Hausarbeit erledigt und die Kinder versorgt. Nicht
selten profitieren sie dabei von der Schwierigkeit der Migrantin,
eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, dank Ausländergesetz (Apartheid
auf deutsch). Diese Form der sozialen/ rassistischen Ausbeutung
wird dann noch als soziales bzw. anti- rassistisches Verhalten legitimiert
("ohne diesen Job geht es der Migrantin noch schlechter"..).
Viele Frauen stehen wieder vor der "Wahl", sich ihr Brot
als flexible Billigarbeitskraft zu verdienen oder sich in die Abhängigkeit
von Männern zu begeben. Die Frauen in der ehemaligen DDR besaßen
über ihre Arbeit und berufliche Qualifikation eine bestimmte
Unabhängigkeit von Männern. Durch die Verdrängung
vom garantierten Arbeitsmarkt, die Schließung von Kinderkrippen
sollen sie zu jeder schlechtbezahlten und unqualifizierten Arbeit
gezwungen und parallel dazu an Mann, Kinder und Herd gebunden werden.
Doch die Frauen lassen sich das nicht gefallen. Sie verweigern die
Ehe und das Kinderkriegen. Die Bevölkerungsplaner klagen über
Rückgang der Geburten (bis zu 60%) und der Eheschließungen.
Feministische Inhalte werden integriert und institutionalisiert
(Gleichstellungsstellen, staatliche Frauenprofilierungsprojekte)
und ihnen wird damit ihre politische Brisanz genommen. Der Geschlechterkampf
soll zumindest von seiten der Frauen als beendet erklärt werden.
Angesichts staatlicher, rassistischer, antisemitischer und sexistischer
Einbindungsstrategien, die mit emanzipativer Diktion auftreten,
ist eine Hinterfragung feministischer Forderungen ebenso wie das
Beharren auf feministischen Positionen wichtiger denn je.
Männer bauen ihre Machtpositionen aus. Sexuelle Gewalt- und
Machtverhältnisse, die durch die Frauenbewegung offengelegt
und bekämpft wurden, werden unverhohlen zu sexuellen Freiheiten
umgedeutet. Frauen, die sich dagegen zur Wehr setzen, werden gleichgesetzt
mit den Moralaposteln der Kirche, deren Frauenbild und Ideologie
ja gerade sexuelle Gewaltverhältnisse hervorbringt und begünstigt.
Die sexuelle Verfügungsgewalt von Männern über Frauen
ist in den letzten 25 Jahren massiv angegriffen worden (Kampagnen
gegen Gewalt gegen Frauen, Lesbenbewegung, Aufdeckung von sexueller
Gewalt gegen Kinder, vor allem Mädchen ...). Jetzt versuchen
Männer, verlorenes Terrain wiederzugewinnen, indem sie sexuelle
Gewalt verharmlosen, als Hysterie von Feministinnen diffamieren
und die gesellschaftliche Dimension verleugnen. Durch Gewalt gegen
Frauen und Mädchen zeigt sich jeder Frau jeden Tag die ganze
Kaputtheit, Verrohung und Unmenschlichkeit des Patriarchats. Der
Kampf dagegen rüttelt an einigen Grundpfeilern des weißen
Patriarchats: Geschlechterrolle, bürgerliche Kleinfamilie,
Zwangsheterosexualität, geschlechtliche Arbeitsteilung
Um dem gesellschaftlichen Prinzip 'teile und herrsche' entgegenzutreten,
muß eine feministische Perspektive die soziale Realität
von Frauen einbeziehen, an ihrem Widerstand anknüpfen.
In diesem Zusammenhang sehen wir die Kämpfe und Mobilisierungen
- der Roma für ihr Bleiberecht;
- von Flüchtlingen gegen ihre unmenschliche
Unterbringung und Behandlung, gegen Abschiebung;
- der geflüchteten Frauen und Migrantinnen
für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht, für das
Recht auf Asyl aufgrund sozialerund institutionalisierter Formen
der Unterdrückung von Frauen als auch aufgrund sexueller
Gewalt als Mittel der Verfolgung sowie der psychischen und physischen
Unterdrükkung und Verfolgung aufgrund von Homosexualität
- von Migrantinnen und Afro- deutschen
Frauen gegen strukturellen und direkten Rassismus;
- der jüdischen Frauen gegen strukturellen
und direkten Antisemitismus;
- von Krüppelinis gegen eugenische
Praxis und Euthanasie und die Verbreitung solcher Ideen (keine
Diskussion um das Lebensrecht!);
- von Frauen gegen den § 218, gegen das
Experiment von Erlangen als Ausdruck patriarchaler Medizin und
männlichen Machbarkeitswahns, gegen Menschen- und Organhandel;
- gegen sexuelle Gewalt;
- von Prostituierten für die Verbesserung
ihrer Arbeitsbedingungen.
Viele Frauenkämpfe dringen mit Sicherheit nicht an unser Ohr
- Arbeitskämpfe, alltägliche Reproduktionskämpfe
... und finden insgesamt in der weißen FrauenLesbenbewegung
wenig Unterstützung.
Zwar gibt es viele radikale Frauen hier, doch äußert
sich das z.Zt. kaum in nach außen gerichteten Aktivitäten.
FrauenLesbenbewegung ist derzeit eher ein Gefühl, als daß
sie sich in gemeinsam erfahrbarer Stärke manifestiert. Ursache
für Resignation, Rückzug oder bewahrende Haltungen sind
u.E. einerseits die Schärfe des patriarchalen Angriffs, andererseits
auch die Unfähigkeit, ein soziales politisches Leben in kollektiven
Formen gegen das System zu leben. Ausgeprägter Individualismus,
dogmatisches Denken, Seperatismus, Intoleranz oder Gleichgültigkeit
gegenüber unterschiedlichen Positionen, die Begrenztheit des
produktiven Streitens, genaues Zuhören fällt uns schwer
- diese soziale Realität, als Spiegelung der gesellschaftlichen
Verhältnisse, stellt nicht gerade eine günstige Bedingung
für die Durchsetzung unserer feministischen Ideen dar.
Es gibt Ansätze von FrauenLesben, die nicht von Agonie oder
Opportunismus gekennzeichnet sind, eine Politik zu betreiben, die
sich weniger an abstrakten Theorien orientiert, die andere und eigene
soziale Erfahrungen zum Ausgangspunkt nimmt. Seit einiger Zeit gehen
FrauenLesben bewußt aus dem selbstgewählten Ghetto heraus,
versuchen ihre feministische Praxis in direktem Kontakt mit FrauenLesben
aus anderen Ländern zu entwickeln, gemeinsam politische Strategien
zu überlegen, die unmittelbar mit der Bewältigung von
Alltagsproblemen verbunden sind. Wenn Wir es schaffen, diese sozialen
Verhältnisse nicht zu hierarchisieren oder zu sozialarbeiterinnisieren
und die Kämpfe der behinderten Frauen (und Männer), der
Migrantinnen (und Migranten) und Flüchtlinge und der Frauen,
die die rassistischen, antisemitischen und sexistischen Verhältnisse
nicht mehr mittragen wollen, zu einem gemeinsamen Interesse werden
lassen, liegt darin eine ungeheure Sprengkraft.
Wir müssen in Unserer Politik diskutieren, daß die individuelle
Lebensbewältigung/- organisation immer mehr Zeit und Kraft
abverlangt (Mehrarbeit durch miese Jobs, isoliertes, vereinsamtes
Leben, Arbeitslosigkeit und damit höherer zeitlicher Aufwand,
das Leben mit weniger Geld zu organisieren, Sozialhilfebezug und
zukünftige Zwangsarbeit) und die Praxis in FrauenLesbengruppen
beschneidet.
Auf die patriarchal gesellschaftlich organisierte Zersplitterung,
Spaltung und Zerstörung gemeinsamer sozialer Erfahrungen suchen
wir kollektive Antworten, in denen die Orientierung am reproduktiven,
kollektiven und kreativen Handeln, dem "weiblichen Prinzip",
zum Ausdruck kommt.
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