Weltweite Frauenkämpfe - unsere Blicke haben sich verändert
Unser primäres Interesse gilt den Frauen, ihren Kämpfen,
ihren Positionen, auch innerhalb der Befreiungsbewegungen. Zudem
hat sich unser Blick auf Frauenkämpfe erweitert, die nicht
im Zusammenhang mit bewaffnet kämpfenden Gruppen stehen. Unsere
Sichtweisen haben sich v.a. durch Auseinandersetzungen über
Rassismen und Machthierachien zwischen Schwarzen und weißen
Frauen verändert, die Schwarze Frauen in die weiße FrauenLesbenbewegung
eingebracht haben. Wie sehr sind wir selbst noch in unseren Utopien
und Freiheitsidealen von der 'eigenen' christlich- kolonialen Geschichte
einholbar - z.B. in der Orientierung an Individualismus, Leistung
und Effektivität auch in unserer Politik, in unserem Bild von
der befreiten Frau, in unserem Glauben, schon weiter 'entwickelt'
und freier zu sein als Frauen anderswo? Vorstellungen über
ein herrschaftsfreies Leben können sich uns nur auftun, wenn
wir die Vorstellungen anderer wahrnehmen, sie mitdenken, uns auf
sie beziehen, sie unterstützen, von ihnen lernen - unsere "Gewißheiten"
infragestellen (lassen).
Es ist inzwischen klar sichtbar geworden, daß Frauen in den
Drei Kontinenten gegen den Verlust ihrer Existenzbasis sowie der
Grundlagen ihrer lebenserhaltenden. regenerativen Produktivität
einen Kampf entfacht haben, der sehr vielfältig ist und sich
oft gegen das patriarchal- technologische Prinzip richtet. Denn
dieses trachtet danach, alles Lebendige, welches im Austausch mit
den schöpferischen Kräften der Natur sich und die Natur
zugleich verändernd und bewahrend reproduziert (Vandana Shiva
nennt dies das "weibliche Prinzip"), in eine aussaugbare
"Ressource" zu verwandeln und aus den zerstörten
Zusammenhängen nur noch tote Hüllen übrigzulassen.
Das "weibliche Prinzip" versteht Vandana Shiva aus Indien
nicht als eine den Frauen biologisch- anhaftende Zuschreibung weiblicher
Naturnähe, sondern als Aufhebung des geschlechtsspezifischen
patriarchalen Dualismus von weiblich = friedfertig und passiv- reproduzierend,
männlich = gewalttätig und aktiv- produzierend, der in
der schöpferischen Kraft der Kämpfe der Frauen um die
Wiedergewinnung von gesellschaftlicher Existenz transzendiert wird.
[21]
Imperalistische Herrschaft (Weltmarkt, GATT, IWF, Kriege
zwischen patriarchalen Mächten als Kampf um die Verfügungs-
und Ausbeutungsgewalt) bedeutet in vielen trikontinentalen Ländern,
daß Menschen verhungern, ermordet, vertrieben und zur Migration
gezwungen werden, und daß der Überlebenskampf aus dem
Elend (Kinderbanden, Landbesetzungen, Schmuggel u .a. "informelle"
Quellen der Einkommensbeschaffung...) mit komplexen Formen von Repression
und Gewalt konfrontiert wird, weil er eine Bedrohung der herrschenden
Machtstrukturen ist. Diesen Verhältnissen haben sich weltweit
immer mehr Frauen mit wachsenden Kämpfen und Organisierungen
entgegengestellt. Ihr Kampf bezieht sich auf einen Jahrhunderte
langen Widerstand und knüpft an Wissen über die vorkoloniale
Zeit, an Lebensformen, in denen Frauen gesellschaftlichen Einfluß
und Bedeutung besaßen, an.
"Weibliches Prinzip" gegen patriarchale Verwertung -
Frauenkampf gegen industrielle Großprojekte in Indien
In Indien richtet sich Frauenwiderstand auch gegen industrielle
Großprojekte wie Riesen- Staudämme und Waldabholzungen
für den Bedarf der Reichen der Welt. Sie bedeuten, daß
Hunderttausende Menschen zwangsumgesiedelt werden sollen, die Landschaften
und Wälder überflutet werden, um z.B. Riesen- AgroBetriebe
für Cash- Crop- Produkte durchzusetzen.
Bei der bereits trotz breiter langandauernder Kämpfe mit internationaler
Unterstützung (weswegen sogar die Weltbank ihre Kredite zurückziehen
mußte) - begonnenen Flutung von Staubecken im Narmada- Staudamm-
Gebiet drohen die Frauen, sich eher mitsamt ihren Familien und ihren
Dörfern überfluten als zwangsumsiedeln zu lassen. Auch
wenn die Leute immer wieder gewaltsam aus ihren Hütten geholt
werden, steht schon jetzt fest, daß sich diese Großprojekte
nicht ohne weiteres gegen den Widerstand durchsetzen lassen.
Schon Anfang der 70er Jahre hatte sich die indische Umwelt- Bewegung
der Frauen konsolidiert, die Frauen kämpften für das Recht
auf Nutzung der einheimischen Walderträge und gegen die Ausbeutung
und Abholzung der Wälder. Die Bewegung entwickelte sich selbständig
und dezentral und wurde von den Bäuerinnen geleitet. "Jedes
Kind in Indien weiß, daß jeder Hungernde ein Recht auf
Brot hat und nicht nur der, der Geld in der Tasche hat. Diese Rechtsauffassung
ist in jeder Familie gültig, nur auf gesellschaftlicher Ebene
ist sie verlorengegangen. Hier gilt die Moral des Marktes, die Menschen
gehen ihr in die Falle." (Sarala Behn, "Tochter des Himalaya"
und "Mutter" der sozialen Bewegung in der Himalaya- Region,
1975).
In der Chipko- Bewegung setzten die Frauen nach langen harten Kämpfen
die Rückgewinnung von Gemeindeland durch, auf dem sie Bäume
rekultivieren, die nicht für den Export, sondern z.B. für
die Tierfütterung sich eignen. Ihr Ziel ist die Wiederherstellung
der Vielfalt des "weiblichen Prinzips", gegen das Kosten-
Nutzen- Prinzip patriarchaler Verwertungsinteressen, das alles auslöschen
will, was ihm entgegensteht. Der Kampf der Chipko ist ein Kampf
für die Rechte und Ansprüche aller Menschen auf Nahrung
und Existenz, auf Rückgewinnung der Bedingungen dafür,
und für politische Wege, die das Grundrecht auf Überleben
achten anstatt zerstören.
Frauenkämpfe in den Armenvierteln der trikontinenalen Megastädte,
Selbsthilfeprojekte
In den Slums von Bombay haben sich ehemalige Prostituierte und
jetzige "Gehsteig- Bewohnerinnen" zur "Mahila Milan"
("Frauen, die zusammenkommen") zusammengeschlossen. Die
Herrschenden konnten nicht mehr wie bisher üblich in Nacht-
und Nebelaktionen mit Bulldozern ihre Hütten dem Erdboden gleichmachen,
weil "bei Räumungsdrohung genug Leute aus allen anderen
Slums zusammenkommen, um dies zu verhindern", sagt Shenaz,
eine der Gründerinnen von Mahila Milan. Sie verloren die Angst
vor der Macht der Behörden und setzten ihr Bleiberecht und
Wohnungsbaukooperativen durch.
In vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas sind
es v.a. die Frauen, die sich organisiert haben, um ihr Existenzrecht
und neue Lebensbedingungen in den städtischen Armutsvierteln
gegen Polizeiterror, Morde, Räumungen und Vertreibungen zu
verteidigen.
Auch in den Armenvierteln der Megastädte Lateinamerikas organisieren
sich in ständig wachsender Zahl Frauengruppen. Allein in Lima
gibt es über 2000 Volksküchen, in denen ca. 100.000 Frauen
organisiert sind. Sie gründeten Mütterklubs und Milchkomitees,
um für alle Kinder die tägliche Versorgung mit Milch durchzusetzen.
Sie lehnten - sie in Abhängigkeiten zwingende - Nahrungsmittelhilfe
aus den USA ab. Sie kochen gemeinsam, durchbrechen die Isolation
von Frauen in den Familien, stärken ihre Kollektivität
in politischen Initiativen, kämpfen gegen Bürokraten-
und Polizeigewalt mit Forderungen nach Strom, Wasser und Kanalisation
und gegen Räumungen, organisieren Bildungs-, Ausbildungs- und
alternative Gesundheitszentren.
Frauenkämpfe für Menschenrechte, gegen die Ermordung
von "Unproduktiven", AußenseiterInnen und Oppositionellen
In den favelas von Rio de Janeiro schließen sich Mütter
von ermordeten und "verschwundenen" Kindern und Jugendlichen
zusammen, um die Zusammenarbeit und Bestechlichkeit von Polizei,
Militär und Killerbanden öffentlich zu machen und ihre
Bestrafung zu fordern. In Kolumbien arbeiten Frauengruppen wie die
Organizacion femenina popular angesichts von Tod und Zerstörung,
die von Kampagnen der Geschäftsleute ausgehen, welche auf Plakaten
für Lynchjustiz ("Tod den Straßenkindern, Prostituierten
und Dieben") werben und den "Kampf bis zur Ausrottung"
angesagt haben, gegen die Hoffnungslosigkeit. Prostituierte sowie
Straßenkinder und Jugendbanden schließen sich zusammen
und fordern "Recht auf Leben und Arbeit für alle".
Auch hier machen Frauengruppen in Projekten zur kollektiven Selbstversorgung
die Erfahrung, "miteinander in Würde zu leben, wie es
vorher nicht möglich war" (eine Frau der Organizaci6n
femenina popular).
In Buenos Aires demonstrieren seit 16 Jahren jeden Donnerstag die
"Mütter der Plaza de Mayo", weil die Verbrechen an
den "Verschwundenen" nicht geahndet und die verantwortlichen
Militärs schließlich amnestiert wurden. Die Frauen benennen
öffentlich die Täter und die gesellschaftlichen Positionen,
in denen sie heute sitzen. In ihrer Zeitung nehmen sie zu allen
gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Unterdrückungen
Stellung und verbreiten Informationen zu internationalen Entwicklungen.
Die Demonstrationen sind mittlerweile zu einem "Ort all derer
geworden, die ein Problem haben" (Hebe de Bonafini von den
"Müttern").
Kämpfe der Indigena- und Afro- Lateinamerikanischen Frauen
"für das Leben, für das Land und für den Respekt
gegenüber unserer Kultur und Identität" (Rosalina
Tuyuc, Indigena, Vertreterin der guatemaltekischen Frauen- und Witwenorganisation
CONAVIGUA)
In Ecuador kämpfen Indigena- Bäuerinnen für ihre
Landrechte, die ihnen von Agro- Multis genommen werden, welche "Sicherheitsgesellschaften"
anheuern, die mit Terror, Vergewaltigungen und Mord die BewohnerInnen
zum Aufgeben bringen sollen.
In Guatemala haben sich von 60.000 Witwen, deren Männer entführt
und ermordet wurden, 11.000 Indigenas in der Frauen- und Witwenorganisation
"Conavigua" zusammengetan und verlangen Prozesse gegen
die Verantwortlichen der Massaker. Sie entwickeln Methoden der Natur-
und Kräuter- Medizin, initiieren Alphabetisierungsprojekte
und Ausbildungswerkstätten und fordern kostenlose Schulsachen
für die Kinder. Gegen die offiziellen 500- Jahr- Feiern der Kolonisatoren
machten sie ihren S00jährigen Widerstand öffentlich.
In Brasilien organisieren sich Schwarze Frauen zunehmend gegen
die grundlegend rassistische Strukturierung der Gesellschaft und
der sozialen Konflikte.
Arbeiterinnenkämpfe - Landarbeiterinnen und Industriearbeiterinnen
unterstützen sich
In Südkorea haben sich Landarbeiterinnen z.B. in der Korea
Women Farmers Association - autonome Landfrauenbewegung, die in
mehr als 1/3 der ländlichen Regionen verankert ist - organisiert,
um der fortgesetzten Ruinierung ihrer Subsistenzgrundlagen und der
geplanten Streichung von 2/3 aller Agrar- Arbeitsplätze (4
Millionen Arbeitsplätze, vorwiegend der Frauen!) entgegenzutreten.
Zusammen mit Industriearbeiterinnen in den Städten kämpfen
sie um ihre Existenzsicherung. Viele Frauen mußten bereits
in die Städte migrieren, um ihre zurückbleibenden Familien
durch Lohnarbeit zu unterstützen. Seit Mitte der 80er Jahre
kämpften sie mit großer Solidarität für unabhängige
Gewerkschaften (s. das Kapitel zu Adler).
Bei dem Erdbeben Mitte der 80er Jahre in Mexico- City sind viele
Näherinnen umgekommen, weil sie an ihren Arbeitsplätzen
eingeschlossen waren und nicht aus den einstürzenden brennenden
Häusern fliehen konnten. Seitdem haben die Näherinnen
eine unabhängige Frauengewerkschaft durchgesetzt.
Textilarbeiterinnen in Bangladesh haben sich organisiert, Anlaß
war u.a. auch, daß Frauen in Klitschen eingesperrt waren und
bei einem Brand umkamen. Mit großen Streiks haben sie in den
letzten Jahren Teile ihre Forderungen durchsetzen können.
Als Dienstmädchen und Hausangestellte zu arbeiten, ist für
Frauen sehr verbreitet. In Südafrika kämpfen Frauen in
ihren eigenen Hausangestelltengewerkschaften für die Veränderung
ihrer Arbeitsbedingungen.
Verstärkter Kampf um Autonomie der Frauen, gegen Männergewalt
In den letzten Jahren sind Hunderte von Frauenorganisationen neu
entstanden und stärker geworden. Sie tragen die Probleme von
häuslicher bis zu institutioneller Gewalt gegen Frauen in die
Öffentlichkeit und entwickeln Gegenstrukturen.
Die palästinensische Frauenorganisation Al Fanar macht die
Ermordung von vergewaltigten Frauen durch die Familie ("Rettung
der Familienehre") z..B., mit Demonstrationen öffentlich.
Autonome Feministinnen in Bombay kämpfen schon seit Jahren
gegen die Abtreibung weiblicher Föten, Mitgiftmorde oder gegen
Gewalt in der Ehe.
Die Frauendachorganisation GABRIELA auf den Philippinen weitet
ihre bisherigen Aktivitäten gegen Männergewalt verstärkt
auf den Schutz von Prostituierten vor sexueller Gewalt aus. Sie
fordert die Ent- Kriminalisierung der Prostitutierten und die Bestrafung
von sexueller Gewalt als Gewaltverbrechen.
Mittlerweile ist der 25. November international ein Frauenaktionstag
gegen 'Gewalt gegen Frauen'. Hintergrund davon ist der Todestag
von Frauen in der Dominikanischen Republik, die von Paramilitärs
ermordet wurden.
In Nordindien haben sich Frauen auf dem Land zusammengetan, um
gegen den Alkoholismus der Männer vorzugehen. Sie zerstören
Alkoholdepots und prangern in Dorfversammlungen gewalttätige
(Ehe-)Männer an. Vereinnahmungsversuchen durch Parteien widersetzen
sich die Frauen in dieser Bewegung konsequent.
In Nicaragua haben sich in der zugespitzten sozialen Situation
viele Frauen aus den männerbestimmten Politikebenen von sandinistischer
Gewerkschafts- und Parteiarbeit zurückgezogen. Nach einer Umfrage
halten viele diese für "überflüssig", weil
ihre wichtigen Fragen keine Beachtung finden: besonders hohe Frauenarbeitslosigkeit,
fast 3/4 aller Haushalte werden von Frauen geführt, Gesundheit
und Bildung ist für viele zu teuer geworden, Kinder und Frauen
leben oft von Straßenjobs, Gewalt und Sexismen haben überall
zugenommen. Heute ist die Frauenbewegung in Nicaragua sehr vielfältig.
Auch der FSLN nahestehende Frauen haben eigene Positionen oft in
Widerspruch zur Parteilinie entwickelt. Und es mangelt nicht an
Erfahrungen, wie Frauen sich zur Wehr setzen.
Magaly Quintana vom Colectivo de Mujeres de Matagalpa beschreibt
die aktuelle Situation in Nicaragua: "Wir leben in einer Zeit
der Hoffnungslosigkeit, in einer Zeit neoliberaler Politik, wo die
anderen sozialen Bewegungen und der Sandinismus nicht die geringste
strategische Perspektive zu bieten haben. Im Gegenteil, sie beschäftigen
sich mit Fragen der Mitregierung, während sich in der Basis
große Frustration breitmacht. Deshalb ist es als Erfolg zu
bezeichnen, daß sich so viele Frauen von unserem feministischen
Programm ansprechen lassen."
Frauen greifen (wieder) zu den Waffen
Die "Noras" Frente Nora Astorga [22]
- sind nach dem Krieg demobilisierte Frauen der sandinistischen
Armee, deren Forderungen nach Land und Abfindungen in den Auseinandersetzung
zwischen verschiedenen militanten Gruppen [23]
und der Regierung auf der Strecke geblieben sind.
Ende '91 beschlossen daher 40 Frauen, sich wieder zu bewaffnen
und einige Wochen in den Bergen zu trainieren. Im April 1992 legten
sie mit einer l0tägigen bewaffneten Straßenbesetzung
in Ocotal den gesamten Nord- Süd- Verkehr lahm, besetzten Gemeindeland,
Ämter und Polizeistation und drohten, sich in die Luft zu sprengen.
Eine große Solidaritätswelle der Bewohnerinnen von Ocotal
verhalf zum Erfolg: Mittlerweile ist ein neues Stadtviertel für
sie entstanden und noch weiter im Aufbau gebaut von den inzwischen
über 400 "Noras", zusammen mit vielen weiteren Frauen.
Sie waren Angestellte, Hausangstellte, Landarbeiterinnen, manche
haben schon Somoza bekämpft, manche waren bei der Contra, die
meisten sind alleinstehend, und alle haben Kinder zu versorgen.
Und sie müssen weiterkämpfen, weil die Regierung ihren
Abfindungsforderungen noch immer nicht nachgekommen ist. Amparo
Rubio von den "Noras": "Unser bewußtes Frau-
Sein hilft uns dabei, immer stärker zu werden. Das ist unser
Leitspruch: somos re-mujeres." [24]
Frauen wehren sich gegen Be- und Entvölkerungspolitik
In vielen Teilen der Welt wehren sich Frauen einzeln und kollektiv
gegen entvölkerungspolitische Programme, gegen Zwangssterilisationen
und illegal gehaltene Abtreibungen, an denen unzählige Frauen
sterben.
Von Frauenkampagnen gegen das hormonelle Langzeitverhütungsmittel
Norplant wissen wir z.B. aus Brasilien, wo Versuche an Frauen gestoppt
werden konnten, aus Indien, Bangladesh, Namibia ...
Gegen die Einführung immunologischer Verhütungsmethoden
schließen sich Frauen international zusammen.
In Indonesien wehren sich die z.B. Ost- Timoreslnnen und Papuaneslnnen
gegen eine staatliche und von internationalen Organisationen getragene
Vernichtungspolitik (UNO, Weltbank, etc.), in der Umsiedlungsprogramme,
der Entzug von Lebensgrundlagen und Unfruchtbarmachung von Frauen
Hand in Hand gehen.
In Slowenien und Kroation haben Frauen Gesetzesvorhaben zu reaktionär-
nationalistischen Familien- und bevölkerungspolitischen Programmen
mit internationaler Unterstützung stoppen können.
Überall entstehen immer mehr Frauenselbsthilfeprojekte, um
die Interessen der Frauen durchzusetzen.
Frauen gegen rassistische Unterdrückung und Besatzungsherrschaft
In Palästina, Kurdistan und Südafrika organisieren Frauen
starke Widerstandsstrukturen, in denen sie - als Teil bedrohter
Gesellschaften im Spannungsverhältnis zwischen patriarchaler
Tradition und Entfaltung eigener Verantwortlichkeiten und neuer
weiblicher Rollen in den Befreiungskämpfen - revolutionäre
und solidarische Frauenidentitäten herausgebildet haben. In
Palästina zwingt der patriarchale Angriff auf Frauenbefreiungsstrukturen
durch Islamisten und Linke einerseits und die rassistische Unterdrückung
durch Israel andererseits die Frauen dazu, nun an noch mehr Fronten
gleichzeitig kämpfen zu müssen. Auch in dieser schweren
Lage entwickeln Frauen eigene (Minderheiten-)Positionen weiter,
z.B. gegen den Nationalismus der PLO und für Austausch auch
mit oppositionellen Frauen in Israel.
Im jahrhundertelangen Kampf der Kurdlnnen gegen ihre Unterdrückung
und Vernichtung durch die verschiedenen Regime haben die kurdischen
Frauen einen großen Widerstandswillen entwickelt, mit dem
sie immer neue Strukturen für die Wiederherstellung und Verteidigung
gesellschaftlicher Subsistenz aufbauen. In den autonomen Gebieten
Südkurdistans (Irak) wehren sich Frauen gegen die Repression
auch der neuen kurdischen Regierung gegenüber "ehrverletzenden"
Frauen, kämpfen gegen die Verfügungsgewalt des Mannes
über die Frau, für die ökonomische Unabhängigkeit
der Frauen und die "Vergesellschaftung" der weiblichen
Familienarbeit - diese Forderungen werden z.B. auch von der zum
8März '93 gegründeten "Unabhängigen Frauenunion"
vertreten. In Nordkurdistan (Türkei) kämpfen die Frauen
auf allen Ebenen in ihrem breiten Aufstand gegen den türkischen
Vernichtungskrieg auch für die Veränderung ihrer gesellschaftlichen
Frauenrolle und gegen die patriarchalen Machtstrukturen.
In Südafrika sind die Frauen mit ihrem langen antirassistischen
Widerstand zu einer unübersehbaren und die sozialen Kämpfe
und Umwälzungen tragenden gesellschaftlichen Kraft geworden.
"Mit dem Rassismus muß auch der Sexismus gehen",
ist die Parole vieler Schwarzer Frauen in der jetzigen Phase der
politischen Integration schwarzer Macht - auf dem Hintergrund sich
verschärfender sozialer Konflikte und Männermachtkämpfe
unter den Schwarzen.
Frauenkämpfe gegen Zwangsethnisierung und Krieg
Der Krieg in Ex- Jugoslawien ist ein Krieg von sich reorganisierenden
Männermacht- Bünden im Verbund mit imperialistischer Politik
zur Zerstörung der von Frauen getragenen sozialen Reproduktionsstrukturen
und Frauenkämpfen gegen die rassistische Zwangsethnisierung
und Kriegspolitik. Trotz Verleumdung und Verfolgung versuchen sie
(z.B. die Frauen in Schwarz in Belgrad, Feministinnen in Kroatien),
sich mit antinationalistischen Frauen über die neuen Nationalstaatsgrenzen
hinweg zusammenzuschließen und sich gegenseitig zu unterstützen.
Sie organisieren sich gegen Vergewaltigung und schaffen Zufluchtshäuser.
"Die Zahl der Vergewaltigungen an allen Fronten in Bosnien
und Kroatien ist gewaltig, aber auch die in allen Städten der
zurückkehrenden Krieger in Ex- Jugoslawien. Die 'Notrufe für
Frauen und Kinder' in Zagreb und Belgrad stellen fest, daß
die Zahl der registrierten Vergewaltigungsfälle seit Kriegsbeginn
um hundert Prozent gestiegen ist. Und in hundert Prozent mehr Fällen
als zuvor wurden Todesdrohungen ausgestoßen, trugen die Täter
Waffen. Die Täter sind meistens Kriegsveteranen, Nachbarn,
die mit ihrer Kalaschnikow griffbereit zu Bett gehen. Sobald sich
die ewigen Soldaten nicht mehr unter Feinden befinden, machen sie
ihre eigene Frau zum Objekt von Vergewaltigung und Verstümmelung.
Und dies unabhängig von der Nationalität der Frau, ihres
Alters oder des Grades ihrer Begierde." (L. Mladgenovic, Belgrad,
in: Sherezade Nr. 4)
In Belgrad fanden riesige Demos gegen den Staat, gegen den Krieg
und für soziale Forderungen statt. Um die Kriegsgebiete herum
haben hauptsächlich Frauen Strukturen für Deserteure und
Versorgung von Flüchtlingen geschaffen.
Frauen organisieren und vernetzen sich
Auch überregional nimmt die Frauenorganisierung zu. Zum Beispiel
gibt es seit 1981 kontinentale und länderspezifische Frauentreffen
und feministische Kongresse von Frauen aus Lateinamerika und der
Karibik. Seit Mitte der 80er Jahre finden kontinentale Lesbentreffen
(Lateinamerka, Karibik) unter äußerst repressiven Bedingungen
statt, seit 1992 feministische Treffen zentralamerikanischer und
karibischer Frauen, deren spezifische Gemeinsamkeit im Dasein als
"Hinterhof' der USA und Erfahrungen von Krieg, Gewalt und Widerstand
liegt.
Die Diskussionen umfassen thematisch zum Beispiel das Verhältnis
zwischen Rassismen, Klassismen und Sexismen, Ablehnung von Hierarchien
darin, lesbische Existenz, Gewalt gegen Frauen, Repression, Armut,
Autonomie, Völkermord, Frauenbewegung, Rolle der Frau in der
Kirche, in den Medien, ökologie ... und Gegenstrategien. Frauen
machen eigene Radioprogramme, tauschen sie aus und stellen ihre
Positionen und Aktivitäten in Frauenzeitungen dar. Feminismus
wird als gesellschaftsverändernde Kraft verstanden und von
Frauen verschiedenster sozialer Schichten umgesetzt. Von den Frauen
können wir z.B. lernen, wie ihre Bemühungen um Toleranz
und "Einigkeit in der Unterschiedlichkeit" eine ganz neue
Stärke entstehen lassen.
Beispiel haben wir die vielen, in allen Drei Kontinenten maßgeblich
von Frauen organisierten Landbesetzungen hier nicht erwähnt,
oder die Frauenkämpfe sogenannter Minderheiten und UreinwohnerInnen
gegen rassistische Verfolgung und Vernichtung (der Indigenas, Aborigines,
in Osttimor etc...), oder die Kämpfe der Frauen Osteuropas.
Aus vielen Ländern fehlen uns aber auch Informationen. Die
Frauenkampfe in Afrika sind noch immer ein weitgehend blinder Fleck.
Wir fangen an, die Geschichte aus der Sicht der Kämpfe gegen
die Herausbildung des sog. gesellschaftlichen Fortschritts, d.h.
gegen die "Höherentwicklung" der sog. Produktivkräfte
und Verfestigung patriarchaler Macht zu begreifen. Die daraus im
weißen Feminismus erarbeiteten Kriterien für eine Analyse
unserer Gesellschaft aus dem Blickwinkel weiblicher Widerstandsgeschichte
und -strategien sind allerdings noch sehr ungenau. Die Orientierung
auf "soziale Kämpfe von FrauenLesben" oder "Kämpfe
von unten" reicht nicht aus, um Vorstellungen zu formulieren,
wie aus den Kämpfen eine wirksame Frauen- GegenKraft werden
kann. Die "Übersetzung" gesellschaftlicher Widersprüche
in feministische Befreiungsstrategien und Gesellschaftsvisionen
wird nicht allein eine theoretische, sondern auch eine praktische
Anstrengung sein.
In diesem Prozeß haben wir die Aufgabe, nach einer umfassenden
Vorstellung von Befreiung für uns zu suchen, von der ausgehend
strategische Wege und Ziele entworfen werden können. Ohne das
werden unsere Kämpfe immer nur Ausdruck momentaner Gegnerinnenschaft
zu den herrschenden Verhältnissen sein. Wir liefen Gefahr,
uns in aktuellen Tageskämpfen aufzureitben und unseren Mut
zu verlieren, könnten in repressiven und schwachen Phasen den
resignativen Tendenzen keine neuen Schritte und Impulse entgegensetzen
und aktuelle Niederlagen nicht relativieren. Ohne Befreiungsvisionen
werden wir nicht zu langfristiger Organisierung und Kollektivität
finden.
Unsere Vorstellung von Befreiung ist untrennbar verbunden mit den
Kämpfen gegen die neokoloniale Zerstörung und Ausplünderung
der Erde.
Wir haben eine klare Verantwortung für die Gewalt und Ausbeutungsstrukturen,
die von hier ausgehen. Wir können uns nicht heraushalten z.B.
mit der Begründung. so manche Ziele von Befreiungsbewegungs-
Führungen abzulehnen, während die vom Imperialismus gemanagten
Kriege gegen die Bevölkerungen in den Drei Kontinenten uns
in der Metropole die relative Ruhe und Sicherheit bescheren, die
uns nicht zum Eingreifen zwingt - im Gegenteil kann praktische Solidarität
hier diese Sicherheit aufs Spiel setzen!
Darüber hinaus haben wir ein eigenes Bedürfnis und Interesse,
zur Ausbreitung von grundsätzlichem Widerstand hier beizutragen.
Solange wir uns nicht aktiv und unterstützend zu den Kämpfen
der Frauen aus den drei Kontinenten verhalten, sind wir Mittäterinnen
an diesem rassistischen System, was unserer Befreiung auch hier
im Wege steht.
|