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Mili's Tanz auf dem Eis

Fallende und steigende Mauern ...

Noch mit uns selbst beschäftigt, welche Konsequenzen wir aus all dem ziehen (Durchsuchungen/ Verhaftungen/ öffentliche Reaktionen), setzte mit dem 'Mauerfall' eine politische Klimaveränderung ein.

Die Auflösung des Ostblocks und damit auch des 2- Blöcke- Machtsystems, in dem sich die meisten internationalen Kämpfe und Konflikte bisher verorten ließen, hatte auf uns doch mehr Auswirkungen, als wir zuerst wahrhaben wollten.

Zunächst haben wir uns nur gefreut, daß sich ein patriarchales und staatsbürokratisches System von der Weltbühne verabschiedet, dem nachzutrauern es keinen Grund gab, hatten wir doch schon vorher seine Strukturen nur als andere (staatlich- zentralistische statt privatkapitalistische) Ausbeutungszwänge und Gewaltverhältnisse verstanden, welche die Menschen und v.a. die Frauen der Befreiung nicht näher gebracht hatten.

Auch der daran geknüpfte Orientierungsverfall und die Aufgabe Iinks- patriarchaler Revolutionskonzepte bestärkten vorerst nur unsere Hoffnung auf das Freiwerden der bisher vom Ost- West- Gegensatz beherrschten und blockierten Denk- und Handlungsspielräume. Aus dem Wegfegen alter HERRschaftsverhältnisse könnten sich Frauenkämpfe Platz verschaffen, die jenseits von Kapitalismus und Kommunismus neue Prozesse ins Rollen bringen. Diese Hoffnung projizierten wir auch auf die Aufbruchstimmung der Frauen in der DDR in den Jahren vor bis kurz nach dem 'Mauerfall', aus der heraus sie eine Fülle von Gruppen, Projekten und den Unabhängigen Frauenverband ins Leben gerufen hatten.

Doch die dann folgenden Ereignisse nahmen wir als eine Flut von Horrormeldungen wahr. Uns fehlten die Kriterien und Informationen - d.h. wir wußten/wissen darüber zu wenig, welche Kämpfe und Prozesse sich gegen die Durchsetzung entwickelten - um etwas anderes zu sehen als die Durchsetzung brutaler Zerstörungs- und Gewaltformen durch westliche wie östliche Eliten, welche schon längst in den Startlöchern des "Umbaus" gesessen hatten: Die oppositionellen Strömungen in der Ex-DDR verschwanden in der Öffentlichkeit hinter einem deutschnationalen Volkstaumel in Ost und West, den die Migrantlnnen als eine Flut rassistischer und faschistischer Mobilisierungen zu spüren bekamen. Die Initiativen der Menschen im Osten wurden und werden vom West-kapital so gründlich abgeschöpft, daß wir darin die Erwartung der Menschen auf eine bessere Zukunft erstickt sahen. Die Frauen, die die Aufbruchswellemaßgeblich mit losgetreten hatten, wurden am härtesten von inr heruntergeschleudert. Sie wurden aus ihren gesellschaftlichen und beruflichen Positionen gedrängt, Sexismen und die Vermarktung und Entwertung von Frauenkörpern und Frauenarbeit gewannen ganz schnell an Boden - von Männern benutzt und gefördert, von denen sich viele im privatkapitalistischen Leistungswettlauf etwas zu gewinnen versprachen.

Die Krisen im Zerfall Osteuropas mit der wachsenden Verelendung der Menschen schlugen sich in nationalistisch verbrämten Verteilungskriegen nieder, was wiederum mit ungeheurem Leid und furchtbaren Zerstörungen und dem Zwang zur Flucht für Millionen Menschen verbunden war und noch ist. Die vor den Kriegen, Zerstörungen und Verelendungen ins Neue Großdeutschland Geflüchteten werden hier mit zunehmenden Rassismen konfrontiert, die von unmenschlicher Unterbringung bis zu Pogromen reichen, und mit gesetzlichen Verschärfungen, um sie gar nicht erst hierher zu lassen bzw. sie möglichst schnell wieder abzuschieben.

Derweil sind die Mächtigen in Westeuropa mit Deutschland an der Spitze dabei, die osteuropäischen Märkte samt ihrer Arbeitskraft zu ihrem neuen "3. Welt-Hinterhof' umzufunktionieren und auszurauben, was zu den Fundamenten für den Aufbau der Festung Europa gehört.

Der Golfkrieg und seine Inszenierung in den westlichen Medien vertiefte unsere Ohnmachtsgefühle, hinterließ ungeheure Hilflosigkeit und Scham. [32]

Wir bekamen vorgeführt, wie mit der lange und offen vorbereiteten vollständigen Zerstörung ganzer Regionen und ihrer Menschen die Durchsetzung der imperialistischen "Neuen Weltordnung" das Ende des Ost- West- Konflikts besiegelt wurde. Wir stellten uns die Warnung vor, die der Golfkrieg bei vielen vom Neokolonialismus und eigenen BeHERRschern beraubten Menschen in den Drei Kontinenten auslösen mußte: Können sie es noch wagen, für ihre Befreiung zu kämpfen, nachdem ihnen auch der kleine Spielraum genommen wurde, im Schatten des Ost- West- Gegensatzes Forderungen durchsetzen zu können? Ist mit der Auflösung des Ostblocks nicht tatsächlich viel Hoffnung begraben worden?

Mit dem Wegfall des Konkurrenzdrucks, gegenüber dem Sozialismus als das bessere soziale System erscheinen zu wollen, konnte sich der Kapitalismus neue Wege brutaler und unverblümter Ausbeutung eröffnen (Stichwort Sozialabbau).

In den Ländern Osteuropas breiteten sich mit der Zerschlagung/ Auflösung der alten Gesellschaften sexistische Gewalt und die Brutalisierung sozialer Beziehungen und Kämpfe schnell aus, und ein neuer Markt für den Frauenhandel in der BRD entstand.

So mußten wir feststellen, weltweit gesehen, daß der Zusammenbruch des 2-Blöcke- Systems erstmal die politischen Bewegungsspielräume verengt oder zugeschüttet hatte, anstatt Freiräume zu schaffen. Aus dem Zerfall des Ost- Imperiums scheint nur der Kapitalismus seine Vorteile zu ziehen, und gesellschaftliche oder gar revolutionäre Alternativen zu ihm sind für uns unsichtbar gemacht, von der Medienpropaganda hinter der Ethnisierung der sozialen und Frauenbefreiungskämpfe verdeckt.

Insgesamt wurde uns klar, daß wir - wie viele andere - vor der Schwierigkeit standen, Hoffnungen auszumachen, aus der wir unsere Kraft zum Kämpfen beziehen können.

Insofern war eine Nähe der FrauenLesbenbewegung und damit auch von uns mit männlich- linken Theoriemustern deutlich geworden. wir waren von deren Hoffnungs- und Orientierungsverlust stärker betroffen, als uns lieb und vorher klar war.

MAIL
http://www.freilassung.de/div/texte/rz/milis/mauern.htm