Angriffe gegen Sexshops
Unsere Aktionen gegen Sexshops 1978 drückten unsere Wut gegen
die alltäglich erfahrene sexistische Erniedrigung aus. Sie
sollten uns und anderen Frauen [7]
in dieser Zeit abflauender Aktivitäten Anstoß geben,
aus der Resignation wieder auszubrechen. Wir setzten dabei bewußt
das Mittel Feuer ein. Die völlige Zerstörung sollte symbolisch
unterstreichen, wie vehement wir die Normalität der Gewalt
gegen Frauen brechen und die eigene Ohnmacht durchbrechen woll(t)en.
Sexshops mit ihrer sich aufdrängenden Präsentation von
Frauen als Sexualobjekte für Männer, der selbstverständlichen
Vermarktung von Frauenkörpern und der Kultivierung von (sexueller)
Gewalt gegen Frauen, galten in der FrauenLesbenbewegung (und bei
uns) damals als Kristallisationspunkt von Sexismus. In der Gewißheit,
daß die sexuelle Enteignung und Zurichtung von uns Frauen
eine ganz zentrale Bedeutung in unserer Unterdrückung einnimmt,
rückte die Sexindustrie mit ihrem unverblümten Betreiben
dieser gewalttätigen Identitätsberaubung ins Visier unseres
Zorns.
Rückblickend sehen wir, daß eine gewisse Portion an
unhinterfragter bürgerlich- christlicher Moral in die Bedeutung
eingeflossen ist, die der Sexindustrie und ihren Läden als
Ausdruck des Sexismus zugeschrieben wurde: ein Denken in Kategorien
von "guter" und "schlechter" Sexualität,
das den Blick auf andere, "normale" Bereiche sexueller
Gewalt gegen Frauen (Ehe, Familie, Heterobeziehungen, Erziehung
zur Heterosexualität) versperrte bzw. einschränkte. Eigene
sexuelle Beziehungen mit Männern (soweit sie gelebt wurden)
hatten mit dieser Sorte sexueller Gewalt und Manipulation nicht
unbedingt offene, unmittelbare Parallelen, konnten also separat
behandelt werden bzw. im Privaten verschwinden und unangetastet
bleiben. Auch der schwierige und widersprüchliche Umgang mit
der "eigenen" Sexualität wurde unter dem Einfluß
dieser Moral eher tabuisiert, anstatt über sie (anknüpfend
an die Aufbrüche innerhalb der FrauenLesbenbewegung Anfang
der siebziger Jahre) mit Frauen zu reden oder sie mit ihnen zu leben,
sie schrittweise zu verändern und zu einer Kraft von FrauenLesben
werden zu lassen.
Ein anderer wichtiger Punkt ist die praktische Ausgrenzung der
Prostituierten und der in der Sexindustrie arbeitenden Frauen und
damit deren Abspaltung von 'den übrigen Frauen' in unseren
Angriffen (und Analysen). Sie wurden von uns insgesamt zu Opfern
einer "besonders" sexistischen Struktur erklärt,
ohne die Ahnlichkeit mit vielen Bereichen der Normalität und
das selbstbewußte, teilweise inzwischen organisierte Agieren
eines Teiles dieser Frauen wahrzunehmen.
Sexshops begreifen wir heute nicht mehr als den zentralen Punkt,
sondern als Teil einer ineinandergreifenden sexistischen Gewaltstruktur.
[8] Offen propagierte
sexuelle Gewaltverhältnisse und unterdrückerische sexuelle
Praktiken, die in den Sexshops jedem Bieder- und Lebemann als Dienstleistung
angeboten werden, ihre totale Ausrichtung auf Heterosexualität
und deren Zementierung macht die Läden weiterhin zum Objekt
unserer Wut. Mittlerweile ist das Repertoire, mit denen mann versucht,
Frauen gewalttätig 'im Griff' zu halten und damit die eigene
Männeridentität zu stabilisieren, um vieles ausgeweitet
und brutaler geworden. Der Erniedrigung und Zerstörung von
Mädchen und Frauen sind keine Grenzen gesetzt bis hin zu ihrer
Ermordung in den Snuff- Filmen. Sogenannte Soft- Pornos werden täglich
übers Fernsehen frei Haus geliefert. Bei Angriffen auf Einrichtungen
und Produkte der Sexindustrie gilt unser Widerstand der heterosexuellen
und sexistischen Gewalt.
Es gibt also weiterhin allen Grund, Sexshops und Pornoindustrie
zu bekämpfen. Wenn wir ihnen allerdings eine zentrale Funktion
zuschreiben, werden sie leicht als Alibi benutzbar, um andere Bereiche
von Gewalt gegen Frauen auszublenden. Aktionen gegen die Sexindustrie
dürfen außerdem nicht die dort arbeitenden Frauen ausgrenzen
oder schwächen; vielmehr sollte frau gucken, ob nicht vor dem
Hintergrund gemeinsamer Ziele an verbindenden Interessen angesetzt
werden kann.
Innerhalb der FrauenLesbenbewegung sind inzwischen viele andere
Aspekte sexueller Gewalt ans Licht gezerrt worden, angefangen mit
der Gründung von Frauenhäusern für geschlagene (Ehe-)Frauen
(Häuser, die allerdings heute schon wieder durch 'Verstaatlichung'
weitgehend entpolitisiert sind), über die Auseinandersetzung
zu Zwangsheterosexualität bis hin zu der Thematisierung sexueller
Gewalt gegen Mädchen oder von Vergewaltigungen als Kriegswaffe.
Eigene Gewalterfahrungen und der Haß auf die ganze Bandbreite
sexistischer Gewalt gegen Mädchen und Frauen waren und sind
Antrieb für unsere Politik, auch wenn wir mit unseren Mitteln
nur an wenigen Punkten dieser gesellschaftsumspannenden Struktur
eingreifen konnten. Wir fühlen uns allen Frauen verbunden,
die dies an anderer Stelle und mit anderen Mitteln tun und denen
es wie uns um die Beseitigung dieser patriarchalen Struktur geht.
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