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Unsere Anfänge als autonome Frauengruppe
Unsere Konstituierung als autonome Frauengruppe innerhalb der Revolutionären
Zellen (RZ) fiel mit der Entsolidarierungswelle mit bewaffneter/
militanter Politik in der BRD 1977 und einer Polarisierung innerhalb
der FrauenLesbenbewegung zusammen. Der powervolle Aufbruch der "Neuen
Frauenbewegung" - mit ihrer anfänglichen Fülle militanter
Aktionen gegen Sexismus und ihrem radikalen Umkrempeln der persönlichen
Lebensverhältnisse - war im letzten Drittel der 70er Jahre
schon verebbt. Unter dem Eindruck des "Deutschen Herbstes"
1977 wurde der Gedanke an militanten Widerstand weitestgehend aus
dem FrauenLesben- Bewußtsein (wie auch aus dem GemischtLinken
(der Einfachheit halber und weil wir Abkürzungen soo lieben
vielleicht kurz "Gemis" genannt?!) verdrängt.
Ein Teil der FrauenLesben zog sich vom offensiven Durchsetzen der
politischen Forderungen und den provokativen Aktionen in die Innerlichkeit
und Esoterik zurück. Zunächst noch von vielen FrauenLesben
als Erweiterung für feministisch- politisches Handeln begriffen,
stellte sich dieser Weg schnell für viele als bewußte
Abgrenzung von radikaler, öffentlicher feministischer Politik
heraus.
Andere hielten daran fest, sich und andere darin zu stärken,
soziale Räume gegen die sexistischen Gewalterfahrungen zu schaffen
und z.B. autonome Frauenhäuser aufzubauen. Auch diese politisch
sehr wichtige und notwendige Arbeit wurde damals von vielen FrauenLesben
als Alternative und in Distanzierung zu militantem Widerstand gemacht
und propagiert. Damit nahm die Professionalisierung und Institutionalisierung
vieler FrauenLesbenprojekte ihren Anfang. [2]
Radikale FrauenLesben fühlten sich oft vereinzelt, viele gingen
zurück in die auch sehr dezimierten Gemis.
Wir sahen in dieser Situation unseren Beitrag u.a. darin, die Idee
und Praxis radikalen, militanten Widerstands entgegen aller Integrations-
und Repressipnsmaßnahmen des Staates wachzuhalten. In dieser
Zeit wurde die Fähigkeit des Systems deutlich,. Proteste zu
integrieren und fundamentale Opposition zu Innovationsschüben
zu nutzen, außerparlamentarische Politik als Kreativspender
auszunutzen, andererseits Widerstandsstrukturen mit aller Härte
zu zerschlagen. [3]
Das bestätigte uns, daß die Gegnerinnenschaft zum System
sich grundlegender zeigen muß, weniger kontrollierbar sein
sollte und nicht ihr Ende findet an staatlich gesetzten Grenzen.
Die Aufrechterhaltung klandestiner Zusammenhänge war eine Konsequenz
für uns, um in dieser politischen Eiszeit "im Herzen der
Bestie" die Ruhe zu stören und den Gedanken an die Angreifbarkeit
der Herrschenden lebendig zu halten. Zugleich hofften wir, damit
den militanten, klandestin organisierten FrauenLesbenwiderstand
zu verbreitern und zu verankern.
Wir selbst empfanden das Verlassen der uns zudiktierten weiblichen
Friedfertigkeit bzw. die bewußte Entscheidung für gewalttätige
Mittel in unserer Politik als ungeheuer befreiend. Wir erlebten,
daß wir mit unseren Aktionen Angst, Ohnmacht und Resignation
durchbrechen konnten, und wollten dies anderen FrauenLesben weiter
vermitteln.
Unser Widerstand war oft lautstark und explosiv und verursachte
einigen Schaden, aber schwerpunktmäßig ging es um die
Sichtbarmachung von FrauenLesben- Widerstand und entsprechend um
symbolische Aktionen: "Gewalt wird erst sichtbar durch Widerstand."
"Bildet eure eigenen Banden" war die Parole der Anfangszeit,
mit der wir zur Ausbreitung unserer Idee militanter Organisierung
beitragen wollten. Auch der Name Rote Zora weckt(e) diese Assoziation.
Wir machten unter diesem Aspekt Aktionen mit einfachen nachahmbaren
Mitteln und griffen Themen aus der FrauenLesbenbewegung auf (§ 218
und Gewalt gegen Frauen). Wichtig war es uns zu zeigen, daß
das Unrecht, die Gewalt nicht nur strukturell sind, sondern daß
Täter greifbar, angreifbar sind: "Die Schweine haben Namen,
Frauen, sucht euch die Adressen!" (Aktion gegen die Bundesärztekammer
in Köln, April 1977)
Wir sahen keine Hierarchie in verschiedenen Aktionsformen: Flugblatt
verteilen, Besetzungen, Sprühaktionen, Schlösser verkleben,
Steine schmeißen, Spreng- und Brandsätze legen - alles
war wichtig, wenn es zusammengriff.
So ist es auch heute noch für uns richtig. Dabei haben wir
allerdings die besonderen Bedingungen und Konsequenzen unserer Art
der Organisierung und Praxis unter den Tisch fallen lassen. Im Wunsch,
zur Nachahmung und damit Verbreitung unserer Aktionsformen zu ermuntern,
stellten wir zeitweise unsere Organisierung so locker dar (Interview
Emma, 1984), als könne jede mal eben so mit ihrer Freundin
losziehen und das gleiche machen wie wir.
Auch wenn wir teilweise selbst im militanten Kleingruppengefühl
agierten, verleugneten wir damit den anderen Teil unserer Geschichte
und Praxis. Die dargestellte Lockerheit verschleierte die konkreten
Barrieren/ Unterschiede. Wir unterschieden und unterscheiden uns
von Kleingruppen durch die auf Langfristigkeit, Kontinuität
und Verbindlichkeit ausgerichtete Organisierung. Diese ermöglicht(e)
es nicht nur, einen anderen Hintergrund von Logistik aufzubauen,
d.h. Kenntnisse, Fertigkeiten, Beschaffung materieller Mittel, die
über einen Kleingruppenrahmen hinausgehen, sondern auch, kontinuierliche
gruppen- und städteübergreifende Diskussionen zu führen
und Befreiungsideen zu entwickeln. Das Primat der Praxis half uns
dabei, Unterschiedlichkeiten und Differenzen teilweise stehen lassen
zu können und uns einem weltweiten Befreiungsprozeß und
den Frauen darin verbunden zu fühlen, aus dem wir einen
großen Teil unserer Stärke bezogen.
Die Distanz, die wir mit dem Satz "wir sind nicht anders als
ihr" zu überwinden glaubten, vertieften wir damit. Das
unterstützte den Mythos: Rote Zoras als fröhlich umherschweifende
Rebellinnen, außerhalb der konkreten Mühseligkeiten des
Alltags, allzeit zu jeder Schandtat bereit und fähig. (Solche
Geschichten lesen wir uns auch abends im Bett gerne vor). Abgesehen
davon, daß uns das in manchen Momenten schmeicheln mag - voran
bringt es nicht so recht. Die FrauenLesben, die diesen Mythos mittragen
und sich vielleicht darauf ausruhen, daß wir "es ja schon
machen", entziehen sich der Auseinandersetzung und der Möglichkeit,
für sich selbst eine solche Form der Organisierung zu denken
bzw. ihre Entscheidung dafür oder dagegen (für beides
gibt es gute Gründe) auf politische Füße zu stellen.
In unserer Organisierung sind wir anders als andere FrauenLesben-
Kleingruppen, als einzelne FrauenLesben sind wir es nicht. Wir sind
alles andere als Heldinnen, manchmal schon zu normal, unsicher,
ängstlich, manchmal kleinmütig, verbohrt und streitsüchtig.
Unsere Arbeit beinhaltet nicht nur die Sonnenseiten, die in erfolgreichen
Aktionen zum Ausdruck kommen oder in einer emotionalen Bezogenheit
aufeinander zu finden sind, in dem Wissen, uns absolut aufeinander
verlassen zu können, Vertrauen zu haben, Gleiches zu wollen.
Ebenso gibt es - bedingt durch die notwendige Klandestinität
unserer Strukturen - eine ungeheure Vielzahl an kleinen mühseligen
Schritten und Aufgaben, die uns mit unseren ganzen Schwächen
und Unfähigkeiten konfrontieren und unsere Geduld auf die Probe
stellen. Gefordert ist immer wieder eine gewisse Abstraktion, weil
aus der Kleinarbeit und notwendigen Organisiererei oft nicht viel
Identitätsstiftendes gezogen werden kann, in größeren
Zeitabständen gedacht und geplant wird und werden muß.
Viele Sachen macht frau alleine, oft fehlt das direkte Miteinander.
Die klandestin angelegten Strukturen sind oft schwerfällig.
Unsere Identität ziehen wir zwar auch aus gelungenen Aktionen,
vor allem aber aus der langfristigen Perspektive, eine militante
Frauenorganisierung aufzubauen.
Nach wie vor finden wir verschiedene Organisierungsformen für
subversiven Widerstand wichtig - also auch Kleingruppen aus der
Frauenöffentlichkeit heraus, die durch die Einbindung in soziale
Zusammenhänge, durch spontanere Handlungsmöglichkeiten
usw. oft ausgesprochen lebendig sind, meist aber durch die Bullen
einkreisbar, weshalb sie äußerst flexibel sein müssen
und oft nur kurzlebig sein können. Darin alle Möglichkeiten
auszuprobieren und auszureizen, ist nicht nur für die Stärkung
der FrauenLesbenbewegung notwendig, es ist auch für unseren
Lernprozeß wichtig.
Wir wollen aber ebenso, daß Frauen, die unsere Politik als
Rote Zora richtig und wichtig finden, sich der Frage einer entsprechenden
Organisierung stellen und nicht diese Art militanter Politik an
unseren Zusammenhang delegieren.
wir tragen die Verantwortung, mit unserer Geschichte genau umzugehen,
aber nicht die alleinige Verantwortung, diese Politik fortzuführen.
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