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Der folgende Text wurde bei einer Durchsuchung bei Tarek Mousli
im Jahre 1999 gefunden.
Lieber Luka,
um den einigermaßen absurden Zustand zu beenden, daß
wir seit geraumer Zeit vor allem irgendwelchen Zeitschriften entnehmen
können, was der jeweils andere gerade denkt, will ich die Gelegenheit
beim Schopf ergreifen, (...) um eben aufschreiben, was mir zu eurem
Papier einfallt Keine gründliche Kritik also, sondern eher
ein paar Anmerkungen, die mir durch den Kopf gehen, nachdem ich
es nun einige Male gelesen habe.
Auf die Hauptschwäche des Textes hat bereits Oliver Tolmein
in seinem Kommentar hingewiesen: daß ihr ausgerechnet die
Flüchtlingskampagne zum Anlaß nehmt, um zu begründen,
warum ihr aufgebt, bleibt ziemlich unverständlich.
Unverständlich nicht nur im Rückblick auf das, was diese
Kampagne theoretisch wie praktisch geleistet hat, sondern auch und
gerade unter dem Aspekt aktueller politischer Entwicklungen.
Die Frage der Migration, des Rassismus ist seit einiger Zeit das
Thema, um das sich die linke Diskussion dreht. Die Begriffe Hoyerswerda
oder Norderstedt stehen nur beispielhaft für eine Vielzahl
von Aktivitäten, die von konkreter Unterstützung der Flüchtlinge
bis hin zu vereinzelten Aktionen reichen und damit genau das erfüllen,
was wir uns immer als Beitrag der legalen Szenen gewünscht
haben.
Parallel dazu findet - davon zeugt nicht nur Woche für Woche
die "interim" - eine inhaltliche Auseinandersetzung statt,
die des öfteren Bezug auf das nimmt, was wir dazu geschrieben.
haben. Die Herausgabe einer entsprechenden Textsammlung ist dafür
lediglich ein Indiz. Wenn ihr also fast schon selbstmitleidig konstatiert
"Wir waren allein, ohne Austauschrnöglichkeiten" so mag dies
zwar für euer subjektives Empfinden im Januar 1991 gegolten
haben, der realen Entwicklung des vergangenen Jahres wird es jedenfalls
nicht gerecht.
Die These, daß "mit der Entscheidung für die Flüchtlingskampagne
Mitte der 8Oer Jahre (...) unsere Abkapselung in ein irreversibles
Stadium eingetreten war", hält der Wirklichkeit schlichtweg
nicht stand. Daß euch diese Diskrepanz irgendwann selbst aufgefallen
ist, dafür spricht dann auch die folgende Bemerkung:
"Sie (die Linke) hat sich (inzwischen) der Notwendigkeit gestellt,
zumindest ein Bleiberecht zu verteidigen. Paradoxerweise geschieht
das zu einem Zeitpunkt, in dem wir selbst mit unseren Bemühungen
in dieser Richtung vollkommen isoliert sind."
Anstatt aber dieses 'paradox' aufzulösen, indem ihr eure Einschätzung
über das derzeitige Verhältnis "bewaffnete Opposition/linke
Szene korrigiert, beharrt ihr auf eurer Sichtweise und werft somit
den Linken indirekt vor, daß sie eure Anstrengungen in Sachen
Flüchtlingspolitik zu spät honoriert haben.
Während die reale Entwicklung also eher auf eine relativ beliebige
Entscheidung schließen laßt, begründet ihr sie,
als handele es sich um einen kategorischen Imperativ.
Das argumentative Dilemma entsteht, weil ihr eurem Abschied historische
Tragweite verleihen wollt. Anstatt zu sagen: wir sind mit unserem
Latein am Ende, wir werden immer weniger und auch nicht frischer,
das, was wir machen, hat mit dem, wofür wir mal angetreten
sind, noch herzlich wenig zu tun, unsere Aktionen verpuffen, ohne
daß wir darauf eine politische Antwort wissen, wir brauchen
die Resonanz wie die Luft zum Atmen - anstatt also die Krise aus
eurer Sicht zu beschreiben, um daraus persönliche Schlußfolgerungen
zu ziehen, mußeuer Entschluß zugleich einen geschichtlichen
Einschnitt markieren.
Eine historische Etappe wird ausgeläutet, und wer dies nicht
begreift, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. "Wenn wir politische
Subjekte bleiben wollen, sind wir gezwungen, uns etwas anderes auszudenken."
Darunter geht's eben nicht! Nur geht aus euren gIobalpolitischen
Überlegungen, die in dieser oder -ähnIicher Form längst
zum Standard eines linken Artikels gehören, nicht hervor, warum
aus dem Bankrott des Realsozialismus und der Hegemonie Deutschlands
in Europa "unwiderruflich" auch das Ende bewaffneter Politik folgt.
Spricht nicht im Gegenteil vieles dafür, daß militante
Praxis in den kommenden Jahren objektiv leichter zu begründen
sein wird, als dies in der Vergangenheit der Fall war?
Deutet nicht eure Formulierung, daß "die neue Weltordnung
für die 9Oer Jahre im Grunde eine ganz andere Stufe der Organisierung
des militanten und revolutionären Widerstands erfordert", in
eben diese Richtung?
Warum dann so definitive Aussagen, wenn ihr selbst vor allem Zweifel
habt?
Es stimmt, daß wir - wie viele andere auch - von der Geschichte
überrollt worden sind. Es stimmt auch, daß wir auf die
politischen Herausforderungen der letzten Jahre keine Antwort hatten.
Und es stimmt, wenn ihr Begriffe wie "undurchschaubar", "nicht erkennen
können" oder "nicht entziffern können" aneinanderreiht
und die Mängel "unseres analytischen Instrumentariums" beklagt.
Aber die Verunsicherung, die in solchen Sätzen anklingt,
steht im diametralen Gegensatz zu der Gewißheit, mit der ihr
behauptet, daß das Modell "bewaffneter Opposition" für
das die RZ steht, gescheitert ist. Wenn es zutrifft, daß "die
Situation völlig offen ist", dann ist es widersinnig, im selben
Atemzug das definitive Aus bewaffneter Politik zu verkünden.
Dann spricht im Gegenteil vieles dafür, vorllufig keine endgültigen
Entscheidungen zu treffen, bis wieder Land in Sicht ist. Dann wäre
es schlauer, bestehende Strukturen und Zusammenhänge zu bewahren
und sie zur Vorbereitung auf kommende Entwicklungen zu nutzen, anstatt
sie aufzulösen und dies auch noch öffentlich zu propagieren.
Es hat in den vergangenen Jahren immer wieder Gründe gegeben,
mit dieser Politik zu stoppen. Die Ausgangskonstellation, die ihr
für die Entstehung der. RZ beschreibt ("als die Diskussion
über revolutionäre Gewalt noch breit geführt wurde"),
besteht in der Form schon lange nicht mehr, und ich frage mich,
ob nicht etwa die weltweite Niederlage der Guerilla Mitte/ Ende
der 70er Jahre ein viel markanteres Datum bezogen auf die Strategie
des bewaffneten Kampfes war als die qualitativen Umbrüche,
die wir nun erleben. Wir haben seinerzeit darauf reagiert, indem
wir uns als militanten Teil der sozialen Bewegungen neu definiert
haben, wie wir uns auch in den Jahren darauf immer wieder veränderten
Bedingungen angepaßt haben. Diesen Wandlungsprozeß vom
Guerillaanspruch hin zum bewaffneten Widerstand/ Opposition nicht
öffentlich dargestellt zu haben, ist sicherlich ein Fehler,
und es wäre die Aufgabe einer historischen Aufarbeitung, dies
nachzuholen.
Das, was ihr zur Historie sagt, trägt dazu allerdings wenig
bei. Im Gegenteil, dadurch, daß ihr eine qualitative Veränderung
benennen müßt, um eure Entscheidung zu objektivieren,
interpretiert ihr die Geschichte, bis unterm Strich das von euch
gewünschte Resultat herauskommt Um nur zwei Beispiele zu nennen:
- Ausgerechnet den 18.12. als Beleg für den "Beziehungsverlust"
zwischen Szene und uns anzuführen, steht im diametralen Gegensatz
dazu, wie ich die Reaktionen erfahren habe.
Es mag zwar nicht in eure Argumentation passen, aber wahr ist
doch, daß es eine ungeahnte Bereitschaft zur Unterstützung
gab (und nicht nur "vereinzelte Zustimmungsrituale"), daß
an den inkriminierten Themen weitergearbeitet wurde (Demonstrationen
in Hamburg, Kongresse, Publikationen etc.), daß erhebliche
Teile der Szene sich genau gegen das wehrten, was ihr ihnen heute
unterstellt, nämlich ihren Beitrag auf die bloße Unterstützung
der "Repressionsopfer" zu reduzieren.
Und worauf sich die Einschätzung gründet, daß
das "BKA zu einem Zeitpunkt eingegriffen hat, in dem die Vermittlung
unserer illegalen Aktionen (...) in eine breitere linke bis linksradikale
Öffentlichkeit zunehmend zum Problem wurde", ist mir gänzlich
schleierhaft. Falls ihr damit zum Ausdruck bringen wollt, daß
das BKA um unsere vermeintliche Isolation wußte und deshalb
darauf spekulierte, daß ein Zugriff keine nennenswerten
Reaktionen auslösen würde - nun, dann ist dieses Kalkül
ziemlich in die Hosen gegangen, weil die Einschätzung falsch
war.
Oder welche Maßstäbe legt ihr an?
Vergleicht doch nur mal die öffentlichen Reaktionen 1987/88
mit denen des Jahres 1978 (das war das Jahr der "Repression gegen
unsere Organisation" - nicht 1977). Wenn dem 18. überhaupt
ein politisches und nicht nur ein polizeitaktisches KaIkül
zugrunde lag und wenn dieses überhaupt etwas mit uns zu tun
hatte und nicht nur zwingend aus dem Vorgehen gegen die Zora folgte,
dann wird doch eher umgekehrt ein Schuh draus:
wir waren am richtigen Thema, in Hinblick auf die anstehenden
politischen Maßnahmen des Regimes mußte es inkriminiert
und eine drohende Konzentration von legalem/ illegalem Widerstand
auf diesen Punkt beizeiten unterbunden werden. Und hätten
wir die Unterstützung der Szene politisch besser zu nutzen
gewußt, anstatt uns erstmal zu verkriechen, dann wäre
vermutlich nicht einmal dieses KaIkül aufgegangen.
- Falsch muß eure Darstellung auch werden, weil ihr das
Moment der Subjektivität vollkommen ausblendet bzw. lediglich
denunziert.
Das Konzept Guerilla beruht ganz wesentlich auf der Einsicht,
daß es die Menschen sind, die die Geschichte machen, und
es war diese Erfahrung, von der Anfang der 70er eine ungeheure
Kraft ausging. Wäre es so objektiv zugegangen, wie ihr die
Situation darstellt, wo eure heutigen Konsequenzen zu rechtfertigen,
dann hätte es zumindest in der BRD niemals den Versuch bewaffneter
Politik gegeben.
Es sprachen schon immer gute Gründe gegen ein Gelingen dieses
Ansatzes, und es bedurfte nicht erst der "Neuen Weltordnung",
um all die Fragen aufzuwerfen, die ihr nun als letzte Erkenntnis
anpreist Für jeden von uns war der Schritt in die RZ doch
nicht nur das Resultat strategischer Abwägungen - worauf
hätten wir uns denn dann berufen sollen? -, sondern auch
und in erheblichem Maße motiviert durch den Willen, die
eigenen Handlungsmöglichkeiten zu erweitern, weil wir im
Rahmen der legalen Gruppen an bestimmte Schranken gestoßen
waren, die wir nicht akzeptieren wollten.
Ebenso wie das, was wir heute politisch verkörpern, zum Gutteil
durch unsere persönlichen Grenzen geprägt ist. Wenn
ihr schreibt, daß wir "die Ebene reiner Machtauseinandersetzungen
vermieden", weil wir "nicht in Widerspruch zu den Bewegungen geraten"
wollten, dann ist das zwar richtig (auch wenn es im Widerspruch
zu der viel zu glatten und deshalb falschen Aussage steht, daß
unsere eigene Praxis perspektivisch nie auf irgendeine Machtfrage
zielte"), aber zugleich auch völliger Unsinn.
Wir haben jede Menge Aktionen phantasiert, mit denen wir uns keineswegs
isoliert hätten, die wir aber doch nicht gemacht haben, weil
sie jenseits unserer subjektiven Möglichkeiten lagen. Der
Wiederholungszwang, der ewige Einsatz gleicher Mittel, den ihr
als strukturelles Merkmal unseres Konzepts von Politik analysiert,
ist doch auch ein Produkt unserer Halbherzigkeit.
Das Zitat von Genet spielt auf die Ausstrahlung (Leuchtspurgeschoß)
an, die von der Entschlossenheit einzelner Gruppen ausgehen kann
und an der es uns nur allzu oft gefehlt hat (lachen mußte
ich insgeheim, daß ihr das 'Unwesen' der Zitiererei fortsetzt,
über das ihr euch vor gut zwei Jahren noch köstlich
amüsieren konntet). Eine Geschichtsschreibung, die dieses
Moment mit keiner Silbe reflektiert, sondern sich darauf beschränkt,
vor den "gefährlichen Auswüchsen" des Subjektivismus
zu warnen ("Tod von Politik"/'Einfallstor für Beliebigkeit
und Terrorismus") - eine solche Geschichtsschreibung wird zur
Geschichtsmanipulation. Ihr betreibt sie weil ihr - aus welchen
Gründen auch immer - die objektive Legitimation für
euren Entschluß scheinbar braucht
Zumindest ebenso wichtig wäre aber zu erfahren, welche subjektiven
Anteile dabei eine Rolle gespielt haben. Daß ihr "von der
Frustration heimgesucht" wurdet, erfährt mensch allenfalls
aus irgendwelchen Nebensätzen.
Vielleicht wäre euch die Darstellung eurer Position überzeugender
gelungen, wenn ihr den Anspruch etwas tiefer gehängt hättet.
Gerade weil ihr euch als Gruppe darstellt und immer auch verstanden
habt, für die der Bezug zur Region höchste Priorität
hatte, wäre eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der
eigenen Praxis vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung im
Ruhrgebiet mehr als sinnvoll und eigentlich auch zu erwarten gewesen.
Vorstellbar wäre eine Analyse, die für NRW das versucht,
was der Süden seinerzeit bezogen auf die Startbahn- Bewegung
veröffentlicht hat.
(Auch in dem Zusammenhang macht ihr übrigens einen Fehler,
der schon peinlicher ist, weil ihr daran eine politische Einschätzung
knüpft: der "Mord an Karry" konnte "das Konzept von Popularität"
nicht schlagartig desavouieren", weil er der eigentlichen Kampagne
vorausging. Habt ihr das vergessen, weil's nicht eurer Logik entspricht?)
Vielleicht wären dann die wesentlich präziseren Aussagen
zur Flexibilität' staatlicher Flüchtlingspolitik oder
zu unserem verkehrten Bild vom 'idealen Gesamtflüchtling',
wie sie in eurem internen Papier noch zu finden waren nicht unter
den Tisch gefallen.
Vielleicht wärt ihr zu dem Ergebnis gekommen, daß vieles,
was ihr generalisiert, den spezifischen Bedingungen dieses Bundeslandes
geschuldet ist:
- die Atomisierung der Szenen etwa;
- die Dominanz der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften;
- unsere jahrelange Repräsentanz in der Region usw..
Vielleicht wären eure Einschätzungen zu der wirklichen
Bedeutung eurer Praxis dann weniger schwarz- weiß ausgefallen,
als dies so der Fall ist (die übertrieben positive Bewertung
der Fahrkarten und im Gegensatz dazu der Frust mit den Roma- Aktionen).
Vielleicht wäre euch aufgefallen, daß das Verhältnis
legaler/ illegaler Widerstand durchgängig wesentlich labiler
war, als ihr es beschreibt, und daß euer "Koordinatensystem"
schon mehr als nur einmal auf wackligen Füßen stand.
Um es überspitzt zu sagen: das Radikalisierungsangebot, als
das wir die RZ Anfang der 70er Jahre verstanden hatten, war schon
Mitte der 70er Jahre (und nicht erst 1977, wie ihr behauptet) "obsolet".
Der Bruch mit dem RK und die öffentlichen Anfeindungen in Frankfurt
waren ein erster Meilenstein in dem Bemühen, dieses Verhältnis
stets neu zu definieren. Die "populistische" Umkehr, die wir im
Zorn 6 vollzogen haben, die Auflösungstendenzen, als wir von
einer unerwarteten Militanzbereitschaft im Rahmen der AKW-Bewegung
und des Häuserkampfs nahezu überrollt wurden (wir sahen
darin viel weniger ein Zeichen für unsere "Verankerung" als
die Tendenz" daß wir überflüssig geworden waren!),
die Auseinandersetzung mit der Friedensbewegung - all diese Diskussionen
sind doch Versuche, die komplizierte Balance zwischen bewaffneter
Aktion und sozialer Bewegung jeweils neu auszutarieren. Davon taucht
in eurem Text keine Silbe auf.
Eure Geschichtsversion liest sich in dem Punkt absolut statisch:
zehn Jahre lang ist das Koordinatensystem intakt, solange ist es
auch legitim, was wir tun, nun hat sich "der Bezugsrahmen verschoben",
damit ist "unser Versuch, zur Entwicklung einer revolutionären
Situation in der BRD beizutragen. obsolet geworden". Daß die
Verhältnisse so schematisch nicht sind, dafür spricht,
daß sich die Auseinandersetzungen im Flüchtlingssektor
just in einem Moment verschärfen, wo ihr ihnen eine Absage
erteilt Vielleicht nicht im Ruhrgebiet, aber in Berlin, in Hamburg
(s.o.).
Abschließend noch vier Anmerkungen, die ich gerne loswerden
will:
- Was euch dazu veranlaßt hat, unsere Position in eurem
Text schon mal vorwegzunehmen und euch davon abzugrenzen, bevor
wir uns selbst dazu geäußert haben, bleibt ebenso euer
Geheimnis wie die Behauptung, daß es zwischen eurem und
unserem Ansatz keine Vermittlungsmöglichkeiten gegeben hätte.
Zurecht fragt Oliver Tolmein nach eurem "Verständnis von
'Antirassismus' bzw. 'antipatriarchalem Kampf". Daß ihr
aber zum Mittel billiger Polemik greift, nur um zu unterstreichen,
wie isoliert ihr mit euren guten Vorschlägen selbst innerhalb
der eigenen Reihen wart, ist eine Methode, die euch hoffentlich
auf die eigenen Füße fällt. Ebenso wenig wie euer
"Humor" in Sachen HERmann beim gegenwärtigen Stand der Diskussion
noch Heiterkeitsstürme auslöst, ebenso wenig wird eure
Gleichsetzung von "Verzicht auf männliche Definitionsmacht",
und "politischer Enthaltsamkeit" auf viel Verständnis stoßen.
Vor dem Hintergrund solcher Formulierungen wird die Feststellung,
daß ihr euch "über die absolute Notwendigkeit dieser
Diskussion im klaren" seid, zum bloßen Spruch.
Dabei ist der Nachholbedarf unverändert groß: von "männlichem
Elend" zeugt schon die besonders selbstkritisch gemeinte Bemerkung,
dass wir den Frauen die Trennung erst "nahelegen" mußten,
ehe sie sie dann schließlich selbst vollzogen haben.
- Unverständlich ist mir auch, warum ihr euch mit keinem
Wort auf die Diskussion bezieht, die ihr mit dem "LoveSong" ausgelöst
habt. Böswillig interpretiert konnte man vermuten, daß
ihr eine unvoreingenommene Rezeption wünscht und deshalb
die Auseinandersetzung um euer jetziges Papier nicht unnötig
belasten wolltet, indem ihr einfach unterschlägt, dass es
sich um dieselben Autoren handelt. Daß der Text sich keiner
großen Beliebtheit erfreut und die Kritik erfahren hat,
die ihm gebührt, dürfte euch nicht entgangen sein. Aber
wenn ihr euch schon über mangelnde Resonanz beklagt, warum
schweigt ihr sie selbst dann noch tot, wenn es sie gibt? Nur weil
sie sich nicht mit dem deckte, was ihr euch erhofft hattet?
- Die Passage zur Periode unserer internationalen Kontakte habt
ihr offensichtlich nachgeschoben, nachdem der andere Text endlich
erschienen war. Ihr hättet sie euch und uns besser erspart,
zumal kein Anlaß besteht, daß nun, wo es einmal draußen
ist, jede/r auf die Schnelle seinen Senf dazu abgibt.
Das Kapitel ist zu schwierig als daß ihr es en passant in
drei Absätzen abhandeln konntet. Was dabei rauskommt, sind
Verdrehungen, Beschuldigungen und Stimmungsmache. Ihr verwendet
den Begriff des "internationalen Terrorismus" (anfangs noch mit
Anführungszeichen, dann ohne jegliche Scheu), den wir bewußt
vermieden Haben, und eignet euch damit die Sprache derer an, die
uns bekämpfen.
Ihr zitiert die "Presseberichte über Carlos und Co" und knüpft
damit Verbindungen, deren Richtigkeit ihr ebenso wenig beurteilen
könnt wie wir. Ihr legt - wider besseres Wissen - ein Datum
fest, wann die Kontakte angeblich abgebrochen worden sind, obwohl
wir dies absichtlich im Unklaren lassen, weil's so einfach nicht
ist (vor 1977 ist nun wirklich Quatsch).
Ihr unterscheidet säuberlich zwischen denen, die von den
alten Zusammenhängen wußten, und denen, die keine Ahnung
hatten - eine Trennung, die in dieser Reinform nie bestanden hat.
Ihr seid schnell mit einem Urteil zur Hand ("Schwäche politischer
Moral"), obwohl ihr alle seit Jahren um die Vielschichtigkeit
des Themas wußtet oder aber zumindest Gelegenheit gehabt
hattet, euch schlau zu machen. Zentrales Anliegen unseres Artikels
ist es, Widersprüchlichkeiten zu beschreiben und Prozesse
nachzuzeichnen, vor deren Hintergrund uns inzwischen manches falsch
erscheint, was wir vor 15 Jahren noch für vollkommen richtig
gehalten haben - wohlwissend, daß es die Wahrheit in dieser
Frage nicht gibt. Ihr dagegen handelt dieses Kapitel mit der Keule
ab, und das ohne jegliche Not.
Niemand hat euch eine Stellungnahme abverlangt.
- Unglücklich fand ich schließlich den Zeitpunkt der
Veröffentlichung. Ein wenig Abstand zu unserem Papier wäre
mir lieber gewesen, weil dann nicht diejenigen zusätzliche
Munition bekommen hätten, die bereits den Gerd- Text als
Abgesang lesen.
Aber darüber brauche ich mich nicht zu beschweren:
zum einen ist es unser Problem, wenn der Text so interpretiert
werden kann,
zum anderen liegt es auch in meiner Verantwortung, daß die
Kommunikation untereinander derart schlecht ist, daß wir
nicht einmal mehr absprechen, wer wann was publiziert.
Soviel erstmal dazu. Wie gesagt, es handelt sich um erste Eindrücke
zu eurem Text und nicht etwa um das Ergebnis einer gemeinsamen Diskussion.
Was die anderen dazu denken, weiß ich noch nicht, da ich bislang
noch niemandem gesehen habe.
(...) und dir selbst alles Gute
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