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Viele vernagelte Köpfe machen noch keine Revolution!
Bevor wir näher auf die Stellungnahme aus dem antiimperialistischen
Spektrum zum RZ- Papier (siehe: interim Nr. 180) eingehen, eine
kurze und eine etwas längere Vorbemerkung:
1.
Was uns überhaupt nicht gefällt, ist der arrogante Stil
und das Arbeiten mit Unterstellungen in dem Diskussionsbeitrag von
der antiimperialistischen Gruppe. Desweiteren stören uns die
Verwendung solcher Wörter wie "Kleinbürgerlicher
Anarchismus" oder die blöde Polemik, daß die RZ
"back to the roots" zum bürgerlichen Antifaschismus
zurückwollen - oder wie in der PROWO, die RZ würde in
"regierungsamtlicher Manier" argumentieren. Das erinnert
uns fatal an alte stalinistische Argumentationsmuster, an alte unsägliche
KP- Argumentationslinien, die immer nur einen einzigen, den "wahren
Weg" zur Revolution anerkannten und demzufolge alle anderen
Revolutionäre niedermachten.
Für uns springen aus solchen Argumentationsmustern eher die
dicken Bretter hervor, die diese GenossInnen in fast bemitleidenswerter
Weise vor ihren Köpfen mit sich rumschleppen müssen. Der
Gipfel ist dann erreicht, wenn den RZ eine "rassistische Position"
angehängt wird. Hier wird dann nicht mehr um Analyse und Erkenntnisse
gerungen, sondern nur noch mit Keule der Gegner niedergeschlagen.
Fragt sich nur, warum sich einige so auf den Schlips getreten fühlen?
2.
Wir haben auch einiges an dem RZ- Papier an Fragen und Kritiken.
Dazu weiter unten mehr. Hier soll es lediglich darum gehen, wieso
braucht eigentlich die RZ, oder sollten wir genauer sagen, die Gruppe
der RZ, 15 Jahre, um ausführlich zu Entebbe Stellung zu nehmen?
Und wieso bedarf es der Gewißheit des Todes von Gerd, daß
diese veröffentlicht wird? Und weiter: Wieso haben sich die
RZ nie zu dem geäußert, was Klein- Klein verfaßt
hat? Was ist an seinem Geschreibsel Lüge, Dichtung und Wahrheit?
Und wieso kommt keine Stellungnahme von den RZ zu der Stern- Enthüllungsstory
über die Weinrich- Carlos- Connection, sind das alles nur Stasi-
Staatsschutzlügen? Bei den RZ wie aber auch bei der RAF ist
auffällig, daß der Prozeß , wie eine revolutionäre
Organisation zu einer völlig neuen Einschätzung gelangt,
nie vermittelt wurde. Warum das nie erfolgt ist, hat unseres Erachtens
wenig mit der Offenlegung von Strukturen für den Staatsschutz
zu tun, sondern eher mit der falschen Vorstellung, eine Guerilla
darf sich nach außen hin nicht unsicher, zweifelnd zeigen.
Hier sind die RAF und die RZ ihrem eigenen Mythos erlegen: eine
Avantgarde muß immer wissen, wo's langgeht, sonst hat sie
keine Vorbildfunktion. In autonomen Strukturen kommt dieses - nach
außen immer "klar und straight sein" auch sehr häufig
vor, da unterschieden wir uns gar nicht so sehr von den bewaffneten
Gruppen und das ist wenig schmeichelhaft für uns.
So - damit es nicht zu lang wird, wollen wir die Kritik an der
Kritik des RZ- Papiers in einigen Punkten, möglichst knapp,
darlegen. Ist also alles bißchen thesenhaft:
a)
Der erste Punkt ist zugleich einer der dicksten Hammer in der RZ-
Selbstkritik:
Entebbe war eine "Selektion entlang völkischer Linien".
An diesem Trauma haben die RZ jahrelang geknabbert und führt
sie zu einer radikalen Kehrtwendung in ihrer Israel- Palästina-
Einschätzung. Nun hat der 'ak' in seiner vorletzten Ausgabe
aus einem Buch "90 minutes at Entebbe" zitiert, wo über
Bonni Böse völlig gegenteiliges berichtet wird, wo er
ausdrücklich das Existenzrecht Israels bejaht. Zudem behauptet
der 'ak', daß in Entebbe bis zuletzt neben den israelischen
Staatsbürgern noch 20 junge französische Geiseln"
im Flugzeug festgehalten wurden. Welche Version entspricht denn
nun der Wirklichkeit, die der RZ oder die des 'ak'? Oder anders,
warum sind die RZ in ihrem Papier nicht auf die dem 'ak' zugänglichen
Fakten und Bücher eingegangen, kannten sie die etwa nicht?
Dies wäre ein Versäumnis, was an sich kaum erklärbar
ist, weil damit steht und fällt die Selbstbeschuldigung, Politik
"entlang völkischer Linien gemacht zu haben!
b)
Der Streit um die revolutionäre Perspektive der 'jungen Nationalstaaten'
wird sowohl bei den RZ wie bei den Antiimps auf zu allgemeiner Ebene
ausgetragen. Unverständlich bleibt, wieso so viele sich aufregen
über die Aussage der RZ, daß viele 'Junge Nationalstaaten'
nach der Eroberung der Staatsmacht durch die revolutionären,
antikolonialen Bewegungen sich zu Entwicklungsdiktaturen fortentwickelten.
Dafür gibts doch zahlreiche Beispiele: Vietnam, Kuba, Algerien.
Nahezu alle "jungen Nationalstaaten" kennen doch "Verrat
und korrupte Moral" der neuen Funktionäre mit sozialistischem
Anstrich. Wieso regen sich die Antimps denn so auf wenn die Behauptung
aufgestellt wird, daß das etwas mit dem "Wesen der Staatsgründung"
zu tun hat? Spätestens der Zerfall der realsozialistischen
Staaten oder die verheerende Niederlage der FLN jetzt in Algerien
hat doch was mit der Form der Staats- Macht- Ausübung zu tun!
Das Ganze dann wieder mit der imperialistischen Einkreisungspolitik
zu entschuldigen, halten wir für zu billig.
In Nicaragua hat's genug FSLN- Führer gegeben, die sich wie
die Gockel nach der Revolution über Jahre aufgeführt haben,
die sich reichlich Dollars und Privilegien verschafften, als das
Volk auch wegen der Fehler eben gerade dieser Funktionäre am
Verhungern war. Den RZ jetzt vorzuhalten, sie würden die imperialistische
Ausbeutung der Trikontländer nicht analysieren, ist reichlich
billig, zumal Mitte der 80er Jahre eine Analyse der RZ über
den Weltimperialismus herauskam "In Gefahr und höchster
Not bringt der Mittelweg den Tod", die bis heute noch ihresgleichen
sucht.
Im Kern geht es doch um die Aussage der RZ, nationaler Befreiungskrieg,
revolutionärer Volkskrieg geht allzuoft mit 'zerstörischerer
Rationalisierung' einher, steht der sozialen Revolution entgegen,
folgt den 'alten Facetten' der leninistischen- stalinisitischen
Politik der KOMIINTERN.
Während der lWF- Kampagne haben viele autonome Gruppen ähnliche
Thesen aufgestellt, haben heraus gearbeitet, daß nicht nur
IWF und Weltbank die revolutionären Bewegungen mit der Strukturanpassungspolitik
ersticken, sondern auch grausame Fehler durch die Revolutionäre
in der Staatsmacht der jungen, vom Programm her sozialistischen
Staaten gemacht worden sind. Weil sie sich zu schematisch an das
realsozialitische Aufbaumodell mit der diktatorischen Steigerung
der Produktivkräfte und des zentralistischen Staatsapparats
orientierten. Das waren die Gründe, warum die Berber in Lybien
in Plattenbauwohnsilos gesteckt wurden, oder riesige Fabriken aus
den realsozialistischen Ländern importiert wurden, die für
den Export in die sozialistischen Länder produzieren sollten.
Diese Entwicklungsruinen lassen sich nicht nur in Nicaragua oder
Kuba finden, sondern auch in Ägypten (aus der Zeit der engen
Kooperation mit der SU). Die Liste der Länder und Beispiele
ist endlos.
Wenn jetzt die RZ eine Kritik an den falschen "Harmonievorstellugen",
vornehmen, so brauchen wir uns doch bloß selbst an die eigene
Nase fassen. Wie schnell sind noch bis vor kurzem GenossInnen als
"Antikommunisten" oder gar "Verräter" u.s.w.
hingestellt worden, die die Führungen der FSLN, oder der FMLN
oder des ANC hier in der Solibewegung der BRD öffentlich kritisierten.
Wie oft blieb nach Rundreisen von Mitgliedern der Guerilla aus
Lateinamerika der fade Eindruck zurück, die interessieren sich
überhaupt nicht für uns, was wir denken, wir für
Vorstellungen von Befreiung haben und wieso diese Vorstellungen
und eben auch die Kämpfe hier ganz andere sind.
Wieso es nicht mehr nur um Kampf gegen die NATO und den Schweine-
Staat geht, sondern gegen die Herrschaft des Patriarchats, die entfremdeten
Verkehrsformen in der kapitalistischen Gesellschaft usw.
Daraus jetzt den RZ und uns einen Schuh zu machen und uns den 'Metropolenblickwinkel'
(so die Antiimps) vorzuwerfen, dies halten wir genau für die
Fortsetzung der falschen Harmonie. Hier werden wieder nicht die
Unterschiede aufgrund der unterschiedlichen Lebens- und Kampfsituationen
in der Metropole und dem Trikont klar benannt, sondern verwischt!
Die RZ nennen auch einen oft ignorierten Grund für die falsche
Harmonie: Eine materielle oder logistische Abhängigkeit von
den befreundeten Guerillagruppen im Ausland, die sich noch mal besonders
zuspitzt, wenn du dort mit ihnen zusammen kämpfst.
Hier sprechen die RZ einen Punkt an, den viele militante Gruppen
erleben mußten und der wiederum auch viel mit den Formen unbedingter
und kritikloser Solidarität während und durch KOMINTERN
zu tun hat!
c)
Die Antiimps schreiben im Kapitel 2.2. zu "Israel" (immer
in Anführungsstrichen, genauso wie früher die Springerpresse
die DDR immer mit diesem Etikett versah):
"Israel als Zufluchtsort ist keine Lösung". Sie
halten weiter den RZ vor, sie würden mit ihrer These - wo zwei
ethnische Gemeinschaften Ansprüche auf dasselbe Stück
Land erheben, gibt es keine revolutionären Lösungen -
Verrat an den revolutionären Forderungen der Palästinenser
begehen. Letztlich würden die RZ Antizionismus mit Antisemitismus
gleichsetzen. Das Ganze gipfelt dann in den Vorwurf, die RZ wollen
zum "Ausgangspunkt zurück: Zur bürgerlichen Bewegung".
Das ist reichlich starker: Tobak, den die Antiimps hier rauchen.
Bei solchen Formulierungen kommt der Eindruck hoch, als wenn hier
alte Rechnungen, wieder aufgetischt werden!
Die Passage über die Judenverfolgung und den Antisemitismus
im Kapitel 2.2. halten wir für gefährlich vereinfachend
und vor allem auch unhistorisch. Wir fragen, wo sollten und wo konnten
denn die vom Nazismus verfolgten JüdInnen hin? In nahezu allen
westeuropäischen Ländern wurden den jüdischen Flüchtlingen
die Einreise verweigert, vor allem wenn sie keine Kohle hatten!
Es gab nicht nur in Deutschland einen jahrhundert alten Antisemitismus!
Israel war während des Nazi- Faschismus für die jüdischen
Überlebenden mit der einzige Zufluchtsort. Das ist Fakt.
Daß die zionistischen Führer mit der jüdischen
Einwanderung ihre kolonialistische Eroberung Palästinas, die
Vertreibung des palästinensischen Volkes vorantrieben, wird
weder von den RZ noch von anderen Linksradikalen bestritten. Wenn
in dem Kritikpapier richtiger weise betont wird, daß die "zionistische
Ideologie" Grundlage des Staates Israel ist und "Israel
weg muß", dann wird doch damit gesagt, daß der
kolonialistisch, rassistisch strukturierte (im übrigen auch
gegen etliche jüdische Einwanderungsgruppen aus afrikanischen
Ländern) weg muß! Hier auf einmal wird den Antiimps deutlich,
daß der Staat entscheidendes Bollwerk des Imperialismus und
Rassismus ist. Wieso aber wird dann weiter oben den RZ "kleinbürgerlicher
Anarchismus" vorgehalten, wenn sie generell die "revolutionäre
Staatsgründung" und - Eroberung in frage stellen? Wo bitte
schön gibt's denn in der jüngeren Geschichte des antikolonialen
Kampfes einen Staat, der rassistische, patriarchale Herrschaftselemente
als originäre Herrschafts- Form vorweist? Nix anderes haben
doch die RZ gesagt!
d)
Wenn die Antiimps behaupten, "Ziel des palästinensischen Befreiungskampfes
ist ein säkulares Palästina" wird zugleich damit gesagt,
daß dieser Staat frei von Antisemitismus und Rassismus sein
wird. "Die Religion gehört in die Kirche" haben uns verblüffend
einfach die GenossInnen aus Palästina die Lösung beschrieben,
wie das Zusammenleben von Jüdinnen, ChristInnen und MohamerdanerInnen
möglich sein würde. Doch stimmt sie mit dem Alltagsbewußtsein
der palästinensischen Bevölkerung ( und der jüdischen)
überein? Die Wut, die Verzweifelung, das Alleingelassensein
von den arabischen Politikern der Nachbar- und "Brudervölker"
waren doch der Grund für die Begeisterung für Hussein
und des Beifalls, wenn Scud-Raketen in Tel Aviv einschlugen während
des Golfkrieges. Häufig werden doch die Juden mit der zionistischen
Führung und Politik Israels gleichgesetzt. Die antizionistische
Opposition in Israel ist vergleichbar schwach wie wir Linksradikalen
in Deutschland und wird nicht wahrgenommem. In die antimperialistische,
antiwestliche Solidarität mit Hussein mischte sichh doch auch
eine ganz schön starke Brise Antisemitismus und Rassismus,
wie er auch Bestandteil der islamischen Religion ist, richtiger
gesagt der vorherrschenen Interpretation des Islam, Koran durch
viele Isalmische Politiker.
e)
Wenn eine revolutionäre Lösung in Palästina möglich
ist, geht das ohne erneute Vertreibung vieler Teile der jüdischen
Bevölkerung? Ist nicht letztlich die Frage nach einer revolutionären
Lösung für den Befreiungskampf des palästinensischen
Volkes zu allererst eine Klassenfrage und eine Frage der
Bildung eines säkularen palästinensischen/jüdischen
Staates? Wenn Kirche, Privateigentum und Patriarchat keine
staatstragenden Säulen im neuen palästinensischen Staat
sein sollen - hat dieser Staat angesichts der halbfeudalen arabischen
Nachbardiktaturen eine politische Überlebenschance? Diese Fragen
müssen wir uns doch sowohl in der Solibewegung mit Palästina(oder
Nicaragua)wie auch hier für unsere Kämpfe, unsere Utopie
von Befreiung der Metropole stellen!
Das Infragestellen der revolutionäre Perspektive des nationalen
Befreiungskampfes durch die RZ hat doch nix mit der Aufgabe der
revolutionären Zielsetzung zu tun. Die RZ sagen nur schlicht
und einfach, daß Projekt Revolution weltweit ist viel komplizierter
als wir es in den letzten 20 Jahren antiimperialistischer Solidarität
geglaubt und propagiert haben!
f)
Besonders perfide finden wir in dem Text der Antiimps die Konstruktion,
Gerd als Kronzeuge für ihre vernichtende Kritik an den RZ heranzuziehen.
Die RZ schreiben, daß Gerd trotz aller Kritik an ihrer aktuellen
Politik und ihrer Einschätzungen zu Entebbe weiter mit ihnen
zusammengearbeitet hat. Wir haben selten einen so genauen, einfühlsamen
und differenzierenden Text von revolutionären Organisationen
über den Umgang mit GenossInnen gelesen; die fundamentale Kritik
übten. Sicherlich, es ist zu vermuten, daß im Nachhinein
einiges geglattet ist und die Trauer über seinen Tod die Kritik
an seiner Person abgemildert hat, Aber aus dem Text der RZ geht
nicht hervor, daß zwischen ihnen und Gerd es zum offenen Bruch
kam. Es gab "Antagonismen", "Zweifel", aber offenbar immer wieder
solidarische Zusammenarbeit. Wie dann jetzt der tote Gerd von den
Antiimps als Kronzeuge für den Beweis herangezogen werden kann,
daß er in einer Organisation mitarbeitete, die "back to the
roots", zum Ausgangspunkt: zur bürgerlichen Bewegung" zurück
wollte das verstehe wer will, wir nicht!
"Die Auseinandersetzungen auf unserer Seite der Barrikade jedenfalls
laufen anders ab", schreiben die Antiimps. In der Tat: Zwischen
solchen Auseinandersetzungsformen wie sie die Antiimps hier vorführen,
und unseren steht eine sehr hohe Barrikade. Da bleibt gemeinsames
Verstehen kaum möglich. Zumal, wenn Texte, wie die von den
RZ so unterschiedlich gelesen werden, wenn sie überhaupt richtig
gelesen worden sind!
Es ist einiges schief, falsch und fordert Kritik heraus bei dem
Text der RZ. Aber sie dann so runter zu putzen, daß ihnen
nur noch Reformismus und Bürgerlichkeit unterstellt wird, zeugt
von bemerkenswertem Dogmatismus und Ignoranz! Wir könnten noch
etliches sagen, u.a. zur Problematik des "Vertrauens" in die "Gerichtsbarkeit"
der Befreiungsbewegungen oder zur vermeintlichen Pflicht eines jeden
Revolutionärs, sich mit den "revolutionären Gefangenen"
solidarisch zu erklären, "oder sie zumindest zu grüßen"
- aber das können auch andere in ihren Diskussionsbeiträgen
machen. Bei" uns jedenfalls hat der Text viele Denkanstöße,
viel Nachdenken und Erinnern "wie gehen (und wie sind)wir eigentlich
damit umgegangen" hervorgerufen - und wir glauben nicht, daß
wir jetzt zum Reformismus konvertieren, nur weil wir alte Revolutionsmythen
hinterfragen!
Einige Autonome
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