www.freilassung.de
Zurück zur Startseite  
RZ / Rote Zora

In der Ausgabe Nr. 337 von INTERIM wird jetzt ein Text publiziert, der den Titel "Die antisemitischen Früchte des Zorns" trägt - er bezieht sich auf eine Phase bundesrepublikanischer Wirklichkeit, die noch bis heute als aktuell gelten kann: antiimperialistischer Kampf in den Metropolen - und hier speziell auch die Legitimität von Angriffen auf israelische Einrichtungen. Die linksradikale Politik in den späten 60er, den 70er Jahren und teilweise auch noch in den 8oer Jahren hatte für diese Zeit klar formulierte Positionen, die sind nachzulesen; sie mussten nicht immer ausreichend sein und auf alle Fragen, die sich heute stellen, schon damals eine Antwort haben, aber sie haben sich, resultierend aus einer materialistischen Analyse, an elementaren Fragen entlangbewegt. Heute hingegen scheint der Zeitgeist zu überwiegen, der in abfälliger und selbstherrlicher Weise den Abgesang der gesamten Geschichte herbeiführen will. Zu diesen Versuchen muss auch der genannte Text gezählt werden: Revisionisten an der Arbeit!

In diesem Text werden einige Zitate aus der Textsammlung "Die Früchte des Zorns" der RZ/Roten Zora vorgestellt, die allesamt, und das ist typisch für diese Modebewegung einer sogen. selbstkritischen Reflexion, aus dem Zusammenhang gerissen, d.h. von den Ereignisabläufen in den 70er Jahren getrennt werden Wenn eine derartige Produktion erscheint, ergibt sich zunächst die Überlegung, was dieser Text heute hier soll? Der Doppelband "Früchte des Zorns" ist bereits vor mehr als 2 Jahren erschienen (auf .die "inhaltliche" Auseinandersetzung wird gleich noch eingegangen) und hatte u.a. den Zweck, Konsequenzen aus der 68er Bewegung transparent zu machen.

Es ist noch etwas länger her (Dez. 1991), daß sich in linken Veröffentlichungen der Text "Gerd Albartus ist tot" wiederfand, der den Verfassern der o.g. Kritik aber nicht weit genug zu gehen scheint. Mal abgesehen von der Frage, ob die Verfasserinnen des damaligen Textes zu G. Albartus diesen heute überhaupt noch so schreiben würden. Damals hatte sich innerhalb der RZ dazu eine - z.T. in dem Sammelband veröffentlichte- Auseinandersetzung entwickelt, die zwei Stichworte aufgriff: das Verhältnis zu nationalen Befreiungsbewegungen und der linke Antizionismus. Wenn jemand also behauptet, aus dem Sammelband zu zitieren, diese Diskussion aber ausläßt, stellt sich die Frage nach dem erkenntnisleitenden Interesse solcher Darlegungen.

Daher kann dieser Darlegung zunächst knapp eine erste These entgegengestellt werden: wenn jemand, abseits historischer Fakten und jenseits einer Analyse, eine Polemik loslassen möchte, sollte er nach seinen Motiven gefragt werden - nichts passiert einfach so! Seine Antwort darauf mag dann sein, daß in linksradikalen Zusammenhängen nach wie vor ein Defizit über das Verhältnis zu Israel bestehe. Dann bleibt jedoch offen, warum er sich - aus Versehen?- heute solche (allerdings keineswegs neuen) Gedanken macht und welches seine Perspektive ist? Zu der damaligen, kurz dargestellten Diskussion weiß der Text zumindest keinen neuen Beitrag zu liefern. Die Erwiderung auf den "Albartus"- Text durch "Tendenz für die internationale soziale Revolution" (Mai 1992), und wie das o.g. Pamphlet damit umgeht, zeigt klar auf, dass hier keine strategieorientierte Debatte läuft, sondern Holz gehackt werden soll. Auf einen groben Klotz gehört dann aber auch ein grober Keil! Wenn das Wesentliche der Kritik dargestellt werden soll, kommt schon alles an den Tag; da wird, bei der radikalen Linken ein "allzu einfaches politisches Weltbild" angenommen, da wird den bewaffneten Gruppen "Militarisierung als Selbstzweck" unterstellt, der Haß auf die fortgeschrittenen Teile, des Kapitals sei ein "Zurück zu den Vollstreckern antimoderner Herrschaft" und im Kampf gegen Israel gehe es "zurück in das völkische Fahrwasser feudaler Fürsten". So weit, so blind! Auch beim eigener - think positive? - Anliegen wird`s deutlich, wohin die Karre gelenkt werden soll. Nichts als heiße Luft! Denn weder hat er dargelegt, wie er sich die Intervention in der Anti- Atomkraft- Bewegung vorstellt, noch seinen Kampf gegen den Hauptstadtwahn einlösen will oder gar an der Kritik gegen die "Mißbrauch des Mißbrauchs" -Kampagne partizipieren möchte. Mit solchen durch nichts dargelegten Überflieger- Hinweisen soll der Autor sein Papier anderswo unters Volk mischen! Auch der Annahme, der Widerstand im Wendland würde ihn eher an 1938 erinnern..., kann man nur die Polemik ablesen. Das wäre dann wohl so, als würde heute wegen des (zweifellos) vorhandenen Antisemitismus in der Volksbewegung gegen Wyhl der, Erfolg - Kein AKW in Wyhl - noch nachträglich in Zweifel gezogen.

Die zweite These leitet sich aus der Veröffentlichung ab: was treibt solche Inhaltsverdreher um, sich zur Definitionsmacht über linke Politik aufzuspielen, mit der er doch nichts zu tun hat? Zwar spricht nichts gegen eine weitere Debatte um den Zionismus und die Kritik von links an ihm.; dennoch sollte sie mit neuen Elementen vorgetragen werden und nicht ein Abklatsch alter (Vor- )Urteile enthalten: wie es so schön heißt "ohne ideologischen Vorbedingungen und Opportunismus die Verwickeltheit der Individuen in die globalen Macht- und Unterdrückungsstrukturen zu erörtern". Mit diesen abzustreifenden ideologischen Vorbedingungen ist in der Regel bekanntlich das alte und durchaus nützliche Handwerkszeug dialektischer Betrachtung gemeint - wenn der Autor dieses weghaben. will, soll er - wenn er das noch nicht gemacht hat- schnellstens überwechseln in das Reich der Herrschaft, dort wird munter und opportun geritten, als wenn es nichts kosten würde - um damit den Weg für die Fortsetzung der Herrschaftsmuster freizukriegen. Was soll man sich mit diesem Blödsinn noch länger befassen?

Bis heute, und auch nicht in dem nun vorgelegten Beitrag, konnte eine halbwegs verbindliche Definition von Antisemitismus geliefert werden, insbesondere dort, wo der (angebliche) Grenzbereich zur völlig legitimen Kritik des Zionismus wäre. Da wird lediglich gemutmaßt, im Nebel herum gedeutet oder - wie vorliegend- alles über einen Kamm gebügelt.. Ebenso wenig hat der Autor dieser hier vorgelegten Polemik, zweifelsfrei einer modischen Interessenslage zuzuordnen, dazu beitragen können, seinen zweiten Angelpunkt der Argumentation - "die Bevölkerung "- zu konkretisieren . Er behauptet lediglich, kurz wiederholt, zweierlei:.

a) "Der Charakter des Antizionismusi (sei) eine aktualisierte Form des Antisemitismus". " der Kampf in den 70erJahren habe als "antizionistischer Antisemitismus...programmatischen Charakter erlangt";

b) in: "Begriff der Bevölkerung (werde ihre) nationale und völkisch Verfasstsein regelmässig ignoriert", es werde von' "einer homogenisierten Masse von' Beherrschten" ausgegangen, die sich organisieren und zur Wehr setzen solle;

Es ist nicht neu, solche Argumentationen vorzutragen - ebenso wenig neu ist allerdings auch, ihre seltsamen Früchte zu erkennen: solche Schreibtischstrategen sind nicht mehr weit weg von den Schreibtischtätern - sie sollten sich in Acht nehmen! Das erste" Argument" lesen wir nun schon, periodisch wiederkehrend, immer dann, wenn die Kritik an israelischen Zuständen lauter wird. Sie ist also zweckgebunden; der andere, etwas darin verdeckte Hintergrund müßte sich auf die deutschen Gehirnwäschemethoden beziehen: soll er doch seine (Groß-)Eltern, seine Lehrer und andere Mitläufer des Faschismus fragen, was sie fürn Dreck am Stecken haben und wie sie damit umgehen - statt das psychologisch auf Israel umzumünzen. Im zweiten Argument geht dem Autor jegliche Differenzierung verloren, bis er die Frage nach dem revolutionären Subjekt in die Orkus abgeschrieben hat. Das wird wohl auch seine Absicht sein:

Mit solchen dummdreisten Sprüchen bleibt dieser Leidensgesang einer "politischen" Sippschaft hinter dem Stand der Debatte weit zurück - sie treibt wohl eher um, den vielen Kapitulationserklärungen noch eine weitere "Abrechnung" nachzuliefern. Davon gibt es bereits genügend Exemplare, die sich jedoch allesamt als untauglich für eine Weiterentwicklung linksradikaler Strategien erwiesen haben.

Was bringt jemanden. dazu, in der Darstellung der RZ- Aktivitäten Kohl und Rüben zusammenzutragen;

  • z.B. den Angriff auf eine israelische Importgesellschaft im Juni 1978, um zwei Zeilen später den Blödsinn zu behaupten, damit seien jüdische Menschen und Einrichtungen angegriffen worden?
  • z.B. H.J. Klein als Kronzeugen anzurufen, der von einem geplanten Angriff auf Galinski schwafelte, und sich gleichzeitig der dazu von der RZ gestellten Frage nach den Verbrechen der israelischen Armee zu entziehen?
  • z.B. die bis 1974 gelaufenen Aktionen der RZ auf den Angriff gegen den Zionismus als Hauptpfeiler zu reduzieren, während zugleich (dort) auch die Rede ist von Aktionen gegen den US- lmperialismus und solchen, die in den Kämpfen von ArbeiterInnen, Jugendlichen und Frauen weiterhelfen. Auch im Weglassen von Sachverhalten beweisen diese Thesen Ihre Qualität...

Das mag zunächst genügend, um kurz zu belegen, dass das Interesse solcher Papiere auf anderem Feld zu suchen ist als in der Fortentwicklung antiimperialistischer Strategien. Sie müssen kurz und knapp als das benannt werden, was sie sind: Desorientierungskampagnen, angereichert mit einer Zitaten-huberei, die von dieser Seite bereits bekannt ist. (Man mag sich vergegenwärtigen, dass hier nicht die erste Breitseite' gefeuert wird, sondern seit Ende der 70er Jahren in zyklischen Bewegungen dieser Mist aufgebrüht wird.)

Man könnte auch noch erörtern, wieso in heutigen politischen Verhältnissen (Gaza- Jaricho- Abkommen, PLO- "Friedens"schluss und andere Ereignisse von etwas grösserer Bedeutung, nicht zuletzt die Ergebnisse des Golfkriegs..) aus der BRD solche Gedanken ventiliert werden - dienen sie der ideologischen Abstützung neuer Machtverhältnisse nicht nur in Palästina, die sich nur wenig grundsätzlich von den alten unterscheiden?

Will er - grosszügig - über die Fortsetzung der Unterdrückung nicht nur in den besetzten Gebieten hinwegsehen? Will er an die Ergebnisse des Golfkriegs anknüpfen und so tun, als würden imperialistische Interessen auch im Krieg gegen den Iraq keine Rolle (mehr) spielen? Hier sollten. die Karten auf den Tisch gelegt werden ! Mann könnte..., aber will man mit solchen Typen über Antiimperialismus diskutieren? Unnütz, denn da kommt nichts:

außer der große Clou - sein superschlaues Stichwort:

"Daher ist es die vordringlichste Aufgabe emanzipatorischer Politik, der Formierung partikularistischer Bewegungen entgegenzutreten, die dem universalistischen Anspruch auf Freiheit von Unterdrückung und Ausbeutung widersprechen." Haben es alle verstanden, wie gelungen man sich eben ausdrucken kann?

Es war schon immer einfacher, sich in gestelzten Formulierungen der konkreten Arbeit zu entziehen und letztlich festzuhalten, dass Volk sei nun mal blöd ("völkisch") und die Linke immer noch mit der lediglich aktualisierten Version des Antisemitismus verquickt. .

Weitere Entgegnung wäre nur Papierverschwendung - man verschone uns mit solchen konterrevolutionären Ergüssen!

arbeitsgruppe kurz & bündig 11.7.95

MAIL
http://www.freilassung.de/div/texte/rz/int340_200795.htm