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Geschichte und Widersprüche der Revolutionären Zellen
/Rote Zora
für die Veranstaltung in der Humboldtuniversität am
23.März 2000
(gekürzt um die - unvollständige - Auflistung von Aktionen
der RZ / Rote Zora)
Wenn wir in der Folge von denn Revolutionären Zellen oder
den Roten Zoras sprechen, so wollen wir damit verdeutlichen, daß
durchaus unterschiedliche Gruppen in jeweils verschiedene Zeitepochen
unter den gleichen Markennamen der RZ oder Roten Zora zwar agiert
haben, aber doch auch zum Teil sehr unterschiedliche politische
Ansätze, Positionen und Flügel vertreten haben. Das vorweg.
Zudem können wir auch nur sehr rudimentär und kurz auf
die Geschichte, Widersprüche und Brüche der RZ/ Rote Zora
eingehen. Wir erheben keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit.
Dieser Beitrag heute kann nur der Anfang bzw. die Fortsetzung einer
bereits Anfang der 90er begonnenen (weiteren) Aufarbeitung und Auseinandersetzung
mit der Geschichte sein. Wir halten ihn jedoch für unverzichtbar,
nicht nur, weil es in dem Verfahren um Anschläge der RZ und
Mitgliedschaft in den RZ geht, und nicht nur weil die RZ/ Rote Zora
ein integraler Bestandteil, wie wir meinen - wichtiger Teil der
radikalen Linken war bzw. ist und für nicht wenige auch Bezugspunkt
und Orientierung sondern auch, auch weil wir - und nur wir selbst
- unsere eigene Geschichte schreiben können und müssen.
Des weiteren - hat der Staat mit seinem Kriminalisierungsinteresse
an den RZ' s nicht nur das Ziel mit diesen abzurechnen, sondern
er setzt zugleich ein Signal und Zeichen an alle, daß jeglicher
Widerstand und Protest, der die vom Staat vorgeschriebene Legalität
verläßt, auf' s äußerste, auch noch nach Jahren,
verfolgt wird.
Dem gilt es entgegenzusetzen, daß unserer Meinung nach -
ganz grundsätzlich betrachtet - bewaffneter /militanter Widerstand
gegen herrschende Verhältnisse und Unrecht durchaus seine Legitimation
(Berechtigung) hatte, heute hat und auch in Zukunft haben wird
In welcher Form er jedoch angemessen ist oder in welcher politischen
Gesamtkonzeption zu welchem Zeitpunkt er sinnvoll erscheint und
notwendig wird, bleibt Teil der Diskussion der radikalen Linken.
Die Organisationen Revolutionäre Zellen und Rote Zora sind
ebenso wie die anderen bewaffneten Gruppen in der BRD ( Rote Armee
Fraktion, Bewegung 2.Juni u.a.) das Ergebnis der Radikalisierung
eines Teils der 68-Bewegung. Das aus Lateinamerika abgeleitete Stadtguerillakonzept,
ihr "Kampf im Herzen der Bestie" (Che Guevara) wurde als strategische
Notwendigkeit der Metropolenlinken begriffen. Mit den in der Linken
breit diskutierten internationalistischen, antimperialistischen
und sozialrevolutionären Theorien wurde die Unabdingbarkeit
revolutionärer Gewalt zur Gesellschaftsveränderung formuliert.
(Aus dem Vorwort des Buches "Die Früchte des Zorns")
Am
16.11.1973 in Berlin und einen Tag später in Nürnberg
verüben die RZ ihre ersten beiden Aktionen gegen den US-Multi
ITT, der maßgeblich und aktiv zusammen mit dem CIA an dem
Putsch Pinochets am 11.September 73 gegen die Regierung Allende
in Chile beteiligt gewesen ist. Der Putsch in Chile führte
zu einer breiten Solidarität innerhalb der deutschen Linken.
Chile- Komitees wurden gegründet, die Öffentlichkeit über
die Situation in Chile herstellten und versuchten, die Aufnahme
politischer Flüchtlinge in der BRD durchzusetzen.
Die RZ's, deren Konzept der Organisierung auf autonome Zellen -"Schafft
viele Revolutionäre Zellen" -, auf einer "Gegenmacht in kleinen
Kernen" basierte, die gleichzeitig aber auch Teil der legalen -
politischen Massenarbeit sein sollte veröffentlichten im Mai
1975 den Revolutionären Zorn Nr.1 und unterteilen ihre Anschläge
in drei Bereiche:
1. Antiimperialismus:
Dazu gehören u.a. die Aktionen gegen den US-Konzern ITT 1973,
im Juni 74 gegen das Chilenische Generalkonsulat, Aktionen gegen
US und Nato - Militäreinrichtungen (wie zum Nato- Gipfel 1982
in Bonn und dem Reagan- Besuch in Berlin mit den Roten Zoras gemeinsam
gegen das US-Hauptquartier in Frankfurt, IBM und andere oder auf
die Nato- Pipeline in Lorch 1984 und in Mörfelden 1985 z.B.),
gegen Multinationale Konzerne (wie z.B. am 13.2.83 gegen Texas
Instruments oder im März 84 gegen die Deutsche Gesellschaft
für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Köln sowie gegen
das türkische Genaralkonsulat in Köln 1984 und das EI
Salvadorianische Konsulat ebenfalls in Köln 1982.
2. Antizionismus:
Im September 74 gibt es Anschläge auf die Maschinenfabrik
Korf, die zu 3/4 in "zionistischen" Besitz ist, auf das Büro
der israelischen Fluggesellschaft EL-AL, in den Jahren 78/79 auf
Firmen, die israelisches Obst importieren. In den Jahren 75 und
76 gehören RZ- Mitglieder palästinensisch- deutschen Kommandos
an.
Das betrifft zum Einen die Besetzung der OPEC-Konferenz im Dezember
75 in Wien, bei der 11 Minister der erdölproduzierenden Länder
als Geiseln genommen werden, um materielle und ideologische Unterstützung
für die palästinensische Befreiungsbewegungen zu erreichen.
Im Verlauf der Besetzung wurden drei Sicherheitsbeamte getötet,
Hans- Joachim Klein, ein Mitglied der RZ wird schwer verwundet.
Nach Verhandlung erhielt das Kommando mit den Geiseln freien Abzug
und konnte nach Algerien ausfliegen.
Im Juni 1976 entführen 2 Mitglieder der RZ, Brigitte Kuhlmann
und Wilfried Böse, zusammen mit palästinensischen Genossen
eine Air- France Maschine und fordern die Freilassung von 53 GenossInnen,
darunter 40 Palästinenser aus israelischer Haft und sechs politische
Gefangene aus der BRD. Dabei werden israelische und ein paar französische
Fluggäste von den anderen Passagieren separiert, was später
innerhalb der Linken zur Kritik und Ablehnung der Selektion von
Juden und JüdInnen führte. (Mal ganz abgesehen von der
grundsätzlichen Kritik an dem Mittel Flugzeugentführung)
Am 4.7.76 wurde die Maschine von israelischen Militärs gestürmt,
die Mitglieder des Kommandos erschossen.
3.Aktionen zur Unterstützung der Kämpfe von Arbeitern,
Jugendlichen und Frauen
Sie reichen vom Brandanschlag auf das Auto eines Verantwortlichen
für den Abriß des Jugendzentrums Putte in Berlin, der
Industrie und Handelskammer Mainz und Ludwigshafen, über einen
Anschlag auf den Spekulanten Kaußen in Köln bis zu einer
Serie von Anschlägen auf Fahrkartenautomaten, Schwarzfahrerkarteien
und Autos von Kontrolleuren. In Berlin und im Ruhrgebiet verteilen
RZ gefälschte Fahrkarten, und zu Ostern 75 gefälschte
Gutscheine an Obdachlose. '
Hinzu kommen Anschläge gegen Verantwortliche der Stadtsanierungen
wie gegen die Neue Heimat z.B. sowie Anschläge zur Unterstützung
der Gefangenen.
Deutlich zu erkennen sind vor allem zwei Hauptlinien ihrer Politik:
der sozialrevolutionäre /bewegungsorientierte und der internationalistische
Ansatz
Legal
- Illegal - Scheißegal heißt auch die Parole, die ein
neues Bewußtsein von Recht und Unrecht auslöst (so jedenfalls
die RZ's in der Ausgabe des Revolutionären Zorn Nr.6 vom Januar
1981)
Aus dem Verständnis der RZ gehören dazu "Klauen, Plündern,
Schwarzfahren, Häuser besetzen, Volksstrom benutzen, Krankfeiern.
Was wir brauchen, müssen wir uns nehmen. Kampfformen, die die
Herrschenden treffen, ihnen schaden, sie lächerlich machen,
Strukturen aufdecken und lahmlegen, sind Schritte organisierten
Handelns."
Im Zuge der Anti- Akw - Bewegung in den 70er und 80er mit den Bauplatzbesetzungen
und Großdemos in Wyhl, Kalkar, Grohnde, Brokdorf und Gorleben
gab es eine Reihe von Aktionen der RZ's gegen Finnen, die am Atomgeschäft
beteiligt oder direkt mit dem Betrieb oder Herstellung von Akw'
s beauftragt sind.
Wie bei der Anti- AKW- Bewegung verstehen sich die RZ's auch bei
der Anti- Startbahn- Bewegung bei Frankfurt/Main als Teil der sozialen
Bewegung und greifen dort ebenso mit militanten Mitteln in die Auseinandersetzung
ein.
Am 11.Mai 1981 wird der hessische Wirtschaftsminister Karry von
einer Revolutionären Zelle erschossen.
In ihrer Erklärung begründen sie ihre Aktion mit der
politischen und ökonomischen Funktion Karrys, erklären
aber auch daß sein Tod nicht beabsichtigt war, da sie ihm
nur in die Beine haben schießen wollen.
Diese Aktion blieb nicht unumstritten und wurde auch von anderen
RZ' s auch betreffend des Aktions- Zieles-, der Form, des Zeitpunktes
und des Ortes einer grundsätzlichen Kritik unterzogen.
Im Juli 1991, zehn Jahre später, erklärt eine RZ aus
dem Traditionszusammenhang bezugnehmend auf die Karry Aktion, den
Schüssen an der Startbahn am 2.11.87, wo Bullen getötet
wurden und dem Mord an dem US-Soldaten Pimental 1985 durch die RAF
,daß sie "den politischen Mord als Mittel revolutionärer
Politik ablehnen, weil der Stand der sozialen Kampfe in diesem Land
weit davon entfernt sei, daß die Liquidierung des politischen
Gegners zu einer Macht - und Überlebensfrage geworden sei.
Sie kämpfen um das Bewußtsein der Menschen und um unser
eigenes - nicht um die Macht"
In der Mitte der 80er Jahre starten die RZ's ihre Aktionen gegen
rassistische Asylpolitik des Staates und ihre Institutionen und
solidarisieren sich mit den Flüchtlingen. Mit der Orientierung
auf die Flüchtlingsfrage wollten die RZ' s auch zur Rückgewinnung
eines konkreten Antiimperia1ismus in der BRD beitragen.
"Die Migrationsbewegungen, von denen die hier ankommenden Flüchtlinge
ja nur die Rauchschwaden eines Vulkans sind, seien Ausdruck und
Folge der Zerstörung, mit denen der Imperialismus die Herkunftsländer
überzieht; ihre Anzahl wachse als Kehrseite des tatsächlich
erreichten Grades an kapitalistischer Durchdringung.
Die ersten Aufgaben antiimperialistischer Politik liege daher vielmehr
darin, die staatlichen Regulation der Flüchtlingsbewegungen,
die Abgrenzungen der BRD vor der Armut der 3. Welt, zu unterlaufen
und die polizeilichen und sozialpolitischen Restriktionen gegenüber
Flüchtlingen zurückzudrängen. Das Ziel müsse
sein, ein faktisches Aufenthaltsrecht für alle ImmigrantInnen
und Flüchtlinge in der BRD durchzusetzen. Der Weg dorthin führe
aber nicht Über Forderungen an den Staat, sondern bestimme
sich nach dem Ausmaß unserer eigenen Widerstandsaktionen."
(Aus Revolutionärer Zorn Nr. 9 vom Oktober 1986)
Neben einer Reihe vom Aktionen gegen staatliche Institutionen wie
das Ausländerzentralregister in Köln (1986) oder die Ausländerpolizei
in Hamburg oder gegen Lufthansa alle 1986, werden im Oktober 86
dem Chef der Ausländerbullen in Berlin Hollenberg und im September
87, dem Vorsitzenden Richter des Bundesverwaltungsgerichtes in Berlin
Korbmacher durch Schüsse in die Knie verletzt.
Hollenberg war zuständig für den täglichen Tenor.
für die hunderttausend Kontrollen, für Zehntausende von
Festnahmen, für Tausende von Razzien im Jahr auf "ausländerrelevante"
Orte. Er befehligte die zahllosen Überfälle und Durchsuchungen
von Ausländerwohnungen - und Heimen auf der Suche nach "Asylern",
Abschiebern, illegalen SchwarzarbeiterInnen und Scheinehen. Und
er war mitverantwortlich für den Verbrennungstod von sechs
Männern in der Abschiebehaft Augustastraße, denn er sorgt
dafür, daß diese Käfige ständig überfüllt
sind. (Aus der Erklärung der RZ vom Oktober 1986)
Und Korbmacher, gehörte als Vorsitzender Richter des Bundesverwaltungsgerichts
Berlin dem obersten Asylsenat an, der tamilische Flüchtlinge
in die Völkermordregion Sri Lanka abschiebt; "weil die wahllosen
Vergeltungsschläge gegen die tamilische Bevölkerung mit
der hohen Zahl )Ion Todesopfern nicht der subjektiven Motivation
des Staates zur politischen Verfolgung entspringen, sondern der
Absicht, "durch den Einsatz der Sicherheitskräfte seine staatliche
Einheit und seinen territorialen Stand ZU wahren". Zynischer kann
ein Gericht nicht urteilen. Über die strategische Funktion
seines Amtes hinaus legt der Vorsitzende Richter am obersten Asylsenat
Dr. Günter Korbmacher einen ausgesprochen eigenen politischen
Geltungsdrang an den Tag. Auf dem Höhepunkt der rassistischen
Hetzkampagne gegen die Flüchtlinge warf er sich persönlich
an die Medienfront, um vehement eine Grundgesetzänderung des
Asylrechts zu fordern, damit in Zukunft garantiert sei, daß
nur noch politisch handverlesene und ökonomisch verwertbare,
vorselektierte Immigranten zur Disposition stünden. (Aus der
Erklärung der RZ vom September 1987)
Beide Knieschussaktionen bleiben in ihrer Form nicht unumstritten.
Es wird kritisiert, daß mit den Knieschüssen den Menschen
bleibende Schäden, langwierige körperlichen Beeinträchtigungen
zugefügt werden können und dies auch gewollt wird
Oder um es deutlicher zu formulieren:
Sind diese Aktionen, die mit bewußtem Kalkül Menschen,
die sie politisch bekämpfen, zu Krüppeln schießen
und in Rollstühle verbannen, in einer Gesellschaft, in der
Behinderte ebenfalls der Diskriminierung ausgesetzt sind, Ausdruck
einer menschlichen und progressiven Politik? Wir meinen NEIN!!
Zu den Aktionen der RZ's Anfang der 90er, die fast ausschließlich
im anti- rassistischen Kontext stehen, in einem Fall in Solidarität
mit den Opfern der Shoah ihren Ausdruck findet, zählen die
Anschläge im Berliner Reichstag (Juni 91),die Aktion gegen
die Siegessäule im Februar 91 sowie gegen Kaisers in Berlin
und Ravensbrück im Juli 91, die auf dem Gelände des ehemaligen
Konzentrationslagers Ravensbrück und Sachsenhausen einen Supermarkt
bauen lassen wollten, am 3.10.93 der Anschlag auf eine Strom- Versorgungsstation
des BGS und Brände von BGS- Fahrzeugen bei Görlitz, und
am 26.10.1994 in Leipzig die uns letzte bekannte Aktion der RZ's
auf Fahrzeuge der Firn1a OGEV A, einer Tochterfirma von WEIGL, dem
Lebensmittellieferanten für Flüchtlingsheime.
Frauen der Revolutionären Zellen und Rote Zora :
Parallel
zur StudentInnenbewegung Mitte der 60er entstand auch eine starke
Frauen- Lesben und Schwulen Bewegung in den USA, Europa und auch
der BRD. Es entwickelte sich das Bewußtsein, einer spezifischen
gesellschaftlichen Unterdrückung als Frau und die Notwendigkeit
gegen Männerherrschaft und patriachale Strukturen zu kämpfen.
Im SDS bildete sich im Januar 1968 die erste Frauengruppe: "Der
Aktionsrat zur Befreiung der Frauen". Am 23.9.68 wurden auf der
23.Delegiertenkonferenz des SDS in Frankfurt SDS- Funktionäre
von einer Frau mit Tomaten beworfen, da sie nicht bereit waren,
sich inhaltlich mit der Unterdrückung von Frauen auseinanderzusetzen.
1970 löste sich der SDS auf.
Ungefähr ab diesem Zeitpunkt kämpften die sich inzwischen
vielerorts gegründeten Frauengruppen verstärkt für
die ersatzlose Streichung des § 218. Am 26.474 wurde die Fristenlösung
mit Regierungsmehrheit beschlossen. Am 25.2. erklärte das BVG
sie für verfassungsfeindlich.
Am 4.3.75 haben Frauen der RZ als Beitrag zum Kampf gegen den
§ 218 Feuer am Bamberger Dom und am Bundesverfassungsgericht in
Karlsruhe gelegt.
Am 28.4.1977 agierten erstmals die Roten Zoras mit einem Anschlag
auf die Bundesärztekammer in Köln: Die Roten Zoras , die
sich zwar im Zusammenhang mit den RZ' s begriffen hatten und auch
bis 1984 zur endgültigen politischen Trennung zum Teil gemeinsame
Projekte wie z.B. das Diskussionspapier zur Friedensbewegung "In
Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod" oder
die Verteilung von gefälschten Fahrkarten im Ruhrgebiet von
März 1981 durchgeführt haben, organisierten sich ab 1977
autonom als FrauenLesben- Zusammenhang.
"Frauenkampf verstanden sie als umfassend und beinhaltete für
sie jeden Kampf gegen jede Form der Unterdrückung, Ausbeutung,
Zerstörung und Menschenverachtung."
Gerade auch ihre Erkenntnis, daß Frauenkampf kein Teilbereichskampf
sein kann, sondern daß die Befreiung vom Patriachat
grundlegend
für jede Befreiung ist und das Hinzukommen neuer FrauenLesben,
die sich ganz bewußt in Frauenzusammenhängen organisieren
wollten, führten endgültig zur organisatorischen Trennung
mit der RZ's. In einem EMMA- Interview 1984 schrieben einige Zoras:
"Denn die Männer, die ansonsten ihren radikalen Bruch mit diesem
System in eine konsequente Praxis umsetzten, sind oft erschreckend
weit davon entfernt, zu begreifen, was antisexistischer Kampf heißt
und welche Bedeutung er für eine sozialrevolutionäre Perspektive
hat."
Den Zoras ging es schwerpunktmäßig um die Sichtbarmachung
von FrauenLesbenwiderstand und entsprechend um symbolische Aktionen:
"Bildet eure eigenen Banden" war die Parole der Anfangszeit, mir
der sie zur Ausbreitung ihrer Ideen militanter Organisierung beitragen
wollten. Wichtig war Ihnen, zu zeigen, daß das Unrecht, die
Gewalt nicht nur strukturell ist, sondern daß Täter greifbar,
angreifbar sind: "Die Schweine haben Namen, Frauen, sucht euch die
Adressen". Sie sahen keine Hierarchie in verschiedenen Aktionsformen:
Flugblatt verteilen, Besetzungen, Sprühaktionen, Schlösser
verkleben, Steine schmeißen, Spreng -und Brandsätze legen
- alles war wichtig, wenn es zusammengriff.
Ihre Aktionen richteten sich u.a. gegen Sexshops, FrauenhandeI,
gegen Multinationale Konzerne und Imperialismus (1982 gemeinsam
mit den RZ's gegen den Nato- Gipfel in Bonn und dem Reagan- Besuch
in Berlin z.B.) ,gegen den Repressionsapparat der BRD - ab 1984
verstärkt gegen Bevölkerungspolitik und Gen-/Reproduktionstechnologien.
Im Sommer 1987 griffen die Roten Zoras in 9 Städten der BRD
gleichzeitig, kurze Zeit später in Berlin die Schwester der
Roten Zora,- die Amazonen - Filialen der Adler- Bekleidungsfirma
an, die auch in Südkorea die Textilfabrik Flair Fashion hatte.
Dort streikten die Arbeiterinnen für bessere Arbeitsbedingungen.
Die Aktion der Roten Zora, die erfolgreich war, weil Adler auf die
Forderungen der streikenden Frauen eingehen mußten, wurde
in vielen Ländern des Trikonts begeistert aufgenommen und als
Ausdruck für eine internationale Frauensolidarität begriffen.
1994 gab es Anschläge gegen die Firmen WEIGL und MEIGO, Lebensmittellieferanten
für Flüchtlingsheime, in Nürnberg und Meilitz.
Ihre letze Aktion war 1995 der Anschlag auf die Lürssen- Werft
in Lemwerder bei Bremen, die in der Lieferung von Rüstungsgüter
an die Türkei ihr schmutziges Geschäft verdient.
Widersprüche, Brüche, Kritik an den RZ's und innerhalb
der RZ's:
Im Dezember 1991 erscheint das Papier einer RZ "Gerd Albartos ist
tot" .Der Tod dieses Genossen, der in den 80er Jahren von einer
palästinensischen Befreiungsorganisation zum Tode verurteilt
und getötet wurde, zum Anlaß nehmend werden in dieser
Veröffentlichung sowohl ihre bisherigen internationalistischen
und antiimperialistischen Positionen, v.a. das Verhältnis zu
nationalen Befreiungsbewegungen als auch ihr Verständnis von
Antizionismus einer grundsätzlichen Kritik unterzogen als auch
direkt zu der Flugzeugentführung in Entebbe 1976 Stellung bezogen:
"Die Selektion erfolgte entlang völkischer Linien. Daß
die einzige Geisel, die die Flugzeugentführung nicht überlebte,
ausgerechnet eine ehemalige KZ-Inhaftierte war, ging zwar nicht
unmittelbar zu Lasten des Kommandos, lag aber nichts desto weniger
in der Logik der Aktion.. Was gut ein Jahr später, im Fall
Mogadischu selbst unter Linksradikalen eine Welle der Kritik auslösen
sollte, nämlich, daß eine willkürliche Gruppe deutscher
UrlauberInnen zur Verhandlungsmasse wurde, darüber setzten
wir uns im Fall Entebbe hinweg., obwohl der Verlauf der Aktion die
einfachsten Grundsätze revolutionärer Politik und Moral,
die wir sonst für uns in Anspruch nahmen, auf den Kopf gestellt
hatte.."
Grundsätzlicher heißt es dagegen in ihrer Kritik: " Wir
machten uns die Losungen des palästinensischen Befreiungskampfes
zu eigen und setzten uns darüber hinweg, daß unsere Geschichte
eine vorbehaltlose Parteinahme ausschloß. (..) Wir sahen Israel
nicht mehr aus der Perspektive des nazistischen Vernichtungsprogramms,
sondern nur noch aus dem Blickwinkel seiner Siedlungsgeschichte:
Israel galt uns als Agent und Vorposten des westlichen Imperialismus
mitten in der arabischen Welt, nicht aber als Ort der Zuflucht für
die Überlebenden und Davongekommenen, der eine Notwendigkeit
ist, solange eine neuerliche Massenvernichtung als Möglichkeit
von niemanden ausgeschlossen werden kann, solange also der Antisemitismus
als historisches und soziales Faktum fortbesteht." Die legitime
und notwendige Kritik an der israelischen Besatzungspolitik sowie
die selbstverständliche Solidarität mit dem Widerstand
der Palästinenser war umgeschlagen in die Bereitschaft, jüdische
Passagiere gleich welcher Staatsangehörigkeit für den
Terror und die Grausamkeiten des israelischen Regimes haftbar zur
machen und damit sozialrevolutionäre Maßstäbe gegen
die der Sippenhaft einzutauschen. "
Im Januar 1992 erklärt eine andere Revolutionäre Zelle
mit der Publikation ihres Papiers "Das Ende unserer Politik" aufgrund
der sich weltpolitisch veränderten Lage, des Scheiterns der
Flüchtlingspolitik linksradikaler Gruppen, der fehlenden Verankerung
militanter Politik und der Infragestellung der Fortschreibung des
RZ -Mythos eben jenes Ende ihrer militanten Praxis. Auch dazu ein
kurzes Zitat:" "Unsere eigenen Aktionen der letzten Jahre sind im
luftleeren Raum verlaufen, waren nicht mehr Bestandteil einer breiten
sozialen Praxis Unser Koordinatensystem: bewaffnete Opposition -
Vermittlung - Verankerung - Vermassung stimmt nicht mehr, der Bezugsrahmen
hat sich verschoben, Verhältnisse haben sich aufgelöst."
Gemeint ist damit vor allem ihre Kampagne gegen die imperialistische
Flüchtlingspolitik und ihre staatlich- administrativen Durchsetzungsorgane.
"Spätestens am Ende der Flüchtlingskampagne, nach dem
18.12.87 (siehe Anhang Verfahren wegen Mitgliedschaft in RZ) und
bei der Wiederaufnahme unserer Angriffe zur Unterstützung der
Roma ab 1989 wurden wir uns unserer Isolierung bewußt. Die
fehlende Verankerung in unserem politischen Umfeld ließ sich
nicht länger mit vereinzelten Zustimmungsritualen aus der Szene
kaschieren. (..) Zudem stellte sich ihr Glaube, die Flüchtlinge
seien das neue revolutionäre Subjekt bald als Irrtum raus.
Schlußendlich schreiben sie, "daß mit der Fortschreibung
des RZ- Mythos nichts gewonnen sei, sondern daß es im Gegenteil
darauf ankommt, eine historische Etappe abzuschließen, verkrustete
Strukturen und Kampfmittel aufzugeben, um überhaupt wieder
eine Chance VI bekommen, als politische Subjekte in dem gegenwärtigen
gesellschaftlichen Prozeß einzugreifen. "
Beide Erklärungen führen zur Debatte und Diskussion innerhalb
der Linksradikalen und ernteten auch zum Teil massiven Widerspruch
anderer Gruppen der RZ, die nun ganz andere Positionen vertreten
oder die Konsequenz, die militante Praxis zu beenden, nicht teilen
können. So erschien im März 1993 in der RADIKAL ein Interview
mit einer RZ, das sich auch kritisch mit der Flüchtlingskampagne
der RZ auseinandersetzt, die erklärt, "daß sie nicht
an dem Punkt angelangt seien, militante Formen des Widerstands von
vonherein ad acta ZU legen." Und "wer es aufgegeben hat, die " Wechselbeziehungen
zwischen legalen und illegalen Kampfmethoden" mitzubestimmen und
sie nicht einmal mehr einfordert, darf sich nicht wundem, wenn die
Vermassung nicht eintritt." Diese interviewte RZ kritisiert v.a.,
"daß die Revolutionären Zellen, vor allem jene, die das
Papier "Das Ende unserer Politik" geschrieben hat, die politischen
Entwicklungen in den letzten Jahren ignoriert hätten".
1989 veröffentlichen die Revolutionären Zellen das Diskussionspapier
Was ist das Patriachat ?, in dem sie die Lage der südafrikanischen
schwarzen Arbeiterin, die dreifach als Schwarze, Frau und Arbeiterin
unterdrückt ist. Das Papier sollte Grundlage einer Diskussion
über ein neues Verständnis von Imperialismus und Patriachat
und der Frage einer militanten Neuorientierung sein - fiel aber
wie sie heute schreiben -internen Spannungen zum Opfer. In "Das
Ende unserer Politik" erklärt eine RZ, daß "sie nicht
bereit waren, die Ausrichtung der gesamten Politik auf das Thema
Anti- Patriarchalismus hinzunehmen. Obwohl sie sich absolut Über
die Notwendigkeit dieser Diskussion im Klaren waren, erschien ihr
der Stand der Auseinandersetzung nicht ausreichend, die Theorielücken
zu groß und die denkbaren Beziehungen zwischen legalen und
illegalen Kampfformen zu unausgegoren, als das sie daraus eine bewaffnete
Politik hätten ableiten können. Historisch gesehen, hätten
sie vielleicht einen emanzipatorischen Beitrag zur Patriarchasdiskussion
leisten können, wenn es ihnen gelungen wäre, mit den Frauen
der Roten Zora eine gemeinsame Politik ZU entwickeln, anstatt ihnen
durch unsere Ansichten und unser Verhalten die Trennung nahe zulegen.
Aber das sei eine andere Geschichte".
Die scheint wenig aufgearbeitet zu sein und nur in Fragmenten für
Außenstehende nachzuvollziehen.
Die Aktionen gegen den Berliner Reichstag und die Siegessäule
werden später im Juli 1991 von einer anderen RZ in ihrem Papier
"This is not a love song!" kritisiert. " Der Versuch, die Goldelse
vom Sockel zu holen, war angesichts des Kriegsbeginns am Golf völlig
unangemessen und lächerlich. Abgesehen davon, daß die
Aktion zeitlich deplaziert war, haben die Genossen gezeigt, daß
sie keine Antworten haben auf die von ihnen aufgegriffenen, objektiv
richtigen Fragen - nämlich nach dem Verhältnis von Nationalismus,
Rassismus und Sexismus und der eigenen politischen praxis. In der
Erklärung fehlt jegliche politische Orientierung - das bringt
den Etikettenschwindel der Genossen auf den Punkt. Sie täuschen
Klarheiten vor, wo keine erkennbar sind beispielsweise nach dem
Verhältnis von Militanz und anti- patriachalem Widerstand von
Männern."
Viele und oft genannte Kritikpunkte an den RZ's sind zum Einen
deren Avantgarderolle ihrer militanten Politik zum anderen die Hierachisierung
der Mittel, die sie anwendeten.
In der Flüchtlingskampagne wurde deutlich daß es nicht
möglich war, allein durch bewaffnete Opposition wie sie selbst
sagen, ein neues Bewußtsein zu schaffen und eine breite Bewegung
in Gang zu setzen. Nicht das sich den 80er Jahren nicht viele Gruppen
,vor allem in Berlin, mit der rassistischen Politik gegen über
Flüchtlingen und deren Ursachen und Hintergründe auseinandergesetzt
hatten. Ins größere Blickfeld der politischen Öffentlichkeit
in unserer Gesellschaft und zum vermehrten Thema auch vieler Gruppen
der radikalen Linken und der feministischen Bewegung wurde die rassistische
Asylpolitik und die Situation der Flüchtlinge aber erst zu
Beginn der 9Oer , nach der Wiedervereinigung und dem wieder erstarktem
Nationalbewußtsein, der defacto- Abschaffung des Asylrechtes,
den Pogromen von Hoyerswerda und Rostock, und den zahlreichen Brandanschlägen
von Nazis auf Flüchtlingsunterkünfte. Dieser Prozeß
setzte sich zu einem Zeitpunkt also in Gang, als gleichzeitig eben
jene RZ u.a. mit der Begründung, es gebe keine soziale Basis,
ihre militante Praxis beendet.
Obwohl die RZ' s immer wieder beteuerten, alle Widerstands- Formen
seien gleichwertig, so haben sie doch selbst sich zum Teil auf die
Mittel Sprengstoffund Waffen fixiert und reduziert.
Es bleibt die Frage, ob ihr Ziel, die Vermassung ihrer militanten
Politik, die zu Nachahmungseffekten bei Jüngeren innerhalb
der radikalen Linken/der Szene führen soll, so noch erreicht
werden kann ? "Es gab Aktionen, wo ein Vorschlaghammer oder eine
Säge angebrachter gewesen wären, als der vergeudete Sprengstoff'
-so eine RZ in ihrem Kritikpapier von März 1992 "Wenn die Nacht
am tiefsten ...ist der Tag am nächsten".
In diesem Papier folgt eine längere Auseinandersetzung mit
dem Militanz- Fetisch. Und auch in dem Papier "This is not a love
song" (einer anderen RZ vom Juli 92) wird die verhängnisvolle
Tendenz zum Militarismus mit fatalen politischen Folgen für
die Linke kritisiert. Gemeint sind damit auch Aktionen der RZ.
Es ist uns an dieser Stelle nur möglich einzelne Kritiken,
die es an den RZ's gibt, wie eben z.B. die Frage der Avantgardepolitik
oder dem Militanz- Kult anzureißen und zu thematisieren..
Die Auseinandersetzungen können hier nicht in die Tiefe gehen.
Sie können nur Denkanstöße für weitere Auseinandersetzungen
sein.
Wir denken aber, daß aus unseren Schilderungen und bisher
Gesagtem klar wird, daß es uns weder um die Glorifizierung
der RZ' s geht, noch darum, einen ewigen Mythos aufrecht zu erhalten
und zu vertiefen. Andererseits sind die RZ' s und Roten Zora Teil
unserer Geschichte. Dessen müssen wir uns bewußt sein
und daher die Diskussion über diese Geschichte ehrlich mit
all seinen Widersprüchen und Kritiken führen.
Und Heute ...
Nichts an den gesellschaftlichen Verhältnissen hat sich zum
Positiven gewandelt. Der Rassismus und Nationalismus tritt in unverblümter
Weise zu Tage. Die Gesetze haben sich durch die Drittstaatenregelung
verschärft, die Flüchtlingen werden nicht weniger menschenunwürdig
behandelt, wie der Streik beim DRK gezeigt ,hat. Die Nazis formieren
sich zur neuen Stärke und marschieren mit 500 Kameraden durchs
Brandenburger Tor (wie am 29.1.20000). Auch die Angriffe auf Flüchtlinge
und Andersaussehende haben nicht abgenommen. Harald arbeitete in
Guben als Prozeßbeobacher gegen Nazis, die dort den Algerier
Omar Ben Noui zu Tode gehetzt und gejagt hatten.
Die RZ' s und Rote Zora baben bis 1994 im antirassistischen Bereich
mit militanten Mitteln interveniert.
1995 versuchte das K.O.M.I.T.E.E. den Abschiebeknast in Berlin-Grünau
in die Luft zu sprengen.
Der leider fehlgeschlagene Anschlag hatte schließlich zur
Folge, daß sich das K.O.M.I. T.E.E im September 1995 auflöste
und drei Personen Peter, Thomas und Bernd abtauchen mußten,
weil der Staat sie in Verbindung mit diesem Anschlag brachte.
Militanter Widerstand existiert heute auch vor allem im antifaschistischen
aber auch antirasssistischen Bereich. Ob das abgebrannte Autos von
Nazis sind oder eingeworfene Scheiben bei Sorat , die sich an der
Unterbringung von Flüchtlingen eine goldene Nase verdienen.
Die Form der heutigen Mittel laßt sich mit denen der RZ nicht
vergleichen. Genauso wenig die gesellschaftlichen Bedingungen und
Vorraussetzungen für die Linke, an gesellschaftlichen Kristallisationspunkten
einzugreifen. Aber ein Widerstand existiert und ist deutlich sichtbar.
Im Anti- Castor Bereich sowieso. Ob militanter Widerstand heute
sinnvoll ist und unter welchen Bedingungen er eingesetzt wird ,
unterliegt sicherlich einer genauen Diskussion. Militanz ist ja
kein Selbstzweck an sich.
Ganz grundsätzlich gesehen wird militanter Widerstand/revolutionäre
Gewalt zur Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse
auch in Zukunft unverzichtbar sein - denn wer auf diese Mittel von
vornerein verzichtet - macht sich berechenbar und kalkulierbar.
Die Herrschenden und Regierendenhaben ihre Macht jedoch noch nie
freiwillig abgegeben. Das wird auch in Zukunft nicht anders Sein.
Für eine herrschaftsfreie Gesellschaft -
Schafft ein, zwei, drei viele revolutionäre Herzen!!!
Veranstaltungsgruppe 23.März 2000
Idee und Praxis der Revolutionären Zellen und der Roten Zora
1973 -1995
Dieser kurze Überblick über die RZ/ Rote Zora entstand
im Zusammenhang der Festnahmen von Axel, Harald und Sabine im Dezember
'99 und der Vorwürfe ihrer Beteiligung an Aktionen und Mitgliedschaft
in den RZ. Dies möchten wir zum Anlaß nehmen, die Bedingungen
und Praxis linksradikaler Politik zu diskutieren. Dafür brauchen
wir auch einen Zugang zu unserer Geschichte, die wir uns nicht von
BAW, Spiegel oder taz schreiben lassen wollen. Nur öffentliche
Kritik und Debatte bringen uns weiter, und nicht ein unantastbarer
"Mythos RZ/ Rote Zora"' oder das peinliche Verschweigen unserer linken
Geschichte, weil die Herrschenden gerade die Repressionskeule schwingen.
Dieses Papier hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es soll
eher Anregung geben weiterzulesen und deutlich machen, daß
die Geschichte der RZ und der Roten Zora nicht homogen und bruchlos
ist. Es gibt viel zu lernen, aber auch viel zu kritisieren.
1. Struktur und Konzeption der Zellen
- Sie verstanden sich, wie RAF und 2. Juni, als Stadtguerilla,
mit den Zielen (It. Text v. '78): "Die Methode der Illegalität
erlernen; theoretisch und praktisch in die Bewegung intervenieren;
der Resignation und Ohnmacht entgegenwirken; den Legalismus im
deutschen Volk und in der Linken auflösen; einzelne bestrafen
um viele zu verunsichern; durch illegale Propaganda Gegenöffentlichkeit
herstellen; gegen die Internationale des Kapitals eine antiimperialistische
Praxis entwickeln; die gefangenen Kämpferinnen und Kämpfer
befreien".
- Sie wollten Teil von Basisbewegungen sein, keine abgehobene
Avantgarde, die aus der Illegalität heraus kämpft. Militante
Politik sollte sich nicht militärisch verselbständigen,
sollte keine Stellvertreterpolitik sein, sondern vermittelbar
und eingebettet in die Diskussionen und sonstigen Aktivitäten
der Linksradikalen. (Selbstkritik z.B. in Rev. Zorn Nr 6 v. '81
oder in "Das Ende unserer Politik" v. '92), Dies war dem eher
sozial- revolutionär orientierten Teil der RZ wichtig; der
Flügel, der mit hauptsächlich antiimperialistischem
Anspruch Kämpfe von Befreiungsbewegungen im Trikont unterstützte,
nahm sich davon aus. Die Beteiligung an dem "OPEC-Überfall"
'75 und der "Entebbe- Aktion" '76 war viel kritisierter Ausdruck
davon. Der Avantgarde- Vorwurf ist im Lauf der Jahre oft diskutiert
worden.
- Vermassung, d.h. "Schafft 1, 2, 3 viele Rev. Zellen!2 (genauer
in RevZorn Nr. 5 v. '78). Grobes Schema war Kerne bilden - Vermassung
- Revolution. Jede militante Kleingruppe, die die Politik der
RZ für richtig hielt, konnte sich unter dem Label entsprechend
betätigen. Anfangs als "Revolutionäre Zelle" aktiv,
traten die ersten Zellen seit Ende '76 auf den Plan. Allerdings
wurde dieser Aufruf schon ab '86 stillschweigend nicht mehr propagiert
(It. Interview radi 3/93). Trotzdem gab es Debatten um die Authentizität
einzelner Veröffentlichungen und Aktionen (zu einem Kritikpapier
an der RAF .76 und zu ihrem Hungerstreik 84/85, sowie zu einem
Anschlag auf eine NATO-Pipeline '84, letzteres in Freiraum Nr.
5 + 9).
- Dezentrale, nicht hierarchische Arbeitsweise der einzelnen Zellen,
Anonymität der Mitglieder (Decknamen), Es gab aber' auch
Absprachen zwischen einzelnen Zellen für koordinierte Aktionen
oder Diskussionspapiere.
- Die Aktionen sollten sich von selbst vermitteln, d.h. im Anschlagsziel
sollte die politische Absicht aufscheinen. Aktionen, die eine
lange Erklärung benötigen, um verstanden zu werden,
sollten vermieden werden. Dennoch steigerten die oft ausführlichen,
teils strategischen Papiere für viele Linke erst den Wert
einer Aktion bzw. Kampagne.
- "Keine Hierarchie der Mittel im politischen Kampf'
war der Anspruch. Die Wahl der Mittel sollte rein nach funktionalen,
und natürlich verantwortbaren, Gesichtspunkten erfolgen,
(dh keine Gefährdung Unbeteiligter) und nicht nach dem Motto:
je militanter, desto wirksamer. Sie reichte von der Verteilung
nachgedruckter Lebensmittel- Gutscheine an Obdachlose (76) bis
zur unbeabsichtigten Tötung des hessischen Wirtschaftsministers
Karry ('81), dem .,nur' in die Beine geschossen werden sollte;
im Kontext der Startbahn- Bewegung. (Selbstkritik dazu im Startbahnpapier
'83). Morde waren eigentlich tabu, meist waren Sachschäden
beabsichtigt. Aber es gab auch Kritik am vermehrten Einsatz von
Sprengstoff in den 80ern. Knieschüsse gab es schon '78 auf
einen Zwangverteidiger im 2. Juni- Verfahren, '86 auf Hollenberg
und '87 auf Korbmacher. Bezüglich der Angriffe auf Zwangsverteidiger
sagten Gefangene aus der RAF, daß diese nicht Ziel sein
sollten, "weil sie nicht wichtig sind". Frankfurter Spontis kritisierten
'76 den Anschlag auf das US-Hauptquartier nach Ulrikes Tod.
- Praxisbroschüren sollten die Technik und
Mittel der Anschläge transparent und nachahmbar machen. Sie
sind überholt worden und auch von vielen nicht RZlerInnen
angewandt, kritisiert und nachgedruckt worden. Zur Vorsicht und
vorherigem Ausprobieren ist immer wieder gemahnt worden. Die Einbettung
der Praxis in politische und soziale Prozesse der Aktivistinnen,
Umgang mit Ängsten, Verantwortung und möglichen Folgen
sollten Voraussetzung sein (z.B. in Rev. Zorn Nr 5). Schwerverletzte
und Tote bei Fehlern im Umgang mit Benzin oder Sprengstoff (2
Frauen '77 in Hamburg, eine tot; '78 Hermann Feiling schwer verletzt;
'81 ein 21jähriger getötet) oder eine nicht hochgegangene
30kg-Bombe '79 in FfM gaben tragischen Anlässe für weitere
Appelle an verantwortliches Handeln.
- Die Verbreitung dieses Politik- u. Organisierungsansatzes
war weitreichend: So firmierten in den 80ern ca 70% aller Anschläge
v. Linken unter anderen Labels als RZ oder RAF ('85 waren das
zB 162), entsprachen jedoch in Praxis u. inhaltlicher Bezugnahme
der RZ- ldee, zB die "Wagensportliga'" gegen Luxuskarossen in
den 90ern.
Frauenorganisierung in den Zellen / Rote Zora
- ab '75 als "Frauen der Rev. Zelle" Aktionen zum §218, ab '77
eigenständig in der "Roten Zora" organisiert als FrauenLesben-
Zusammenhang, bis zur organisatorischen Trennung von den RZ '84
(It. Milis Tanz) auch ge meinsame Projekte, letzte Aktion war
'95 der Anschlag auf die Lürssen- Werft
- Publikationen: Rote Zora- Beiheft zu Der Weg zum Erfolg, '87;
Die Rote Zora, '89; Milis Tanz auf dem Eis, '93
- Rote Zoras lehnten es ab, nur zu sog. Frauenthemen zu arbeiten,
in allern Kämpfen sollte FrauenLesben- Widerstand und die
Thematisierung des Patriarchats sichtbar werden.
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