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RZ / Rote Zora

... und wünsche ich weiterhin fröhliche rechtsbeugung!" Fritz Teufel

Am 2. Verhandlungstag wurden Zeugen und Sachverständige zu Hermanns gesundheitlicher Verfassung gehört. Ein Arzt, der einen jüngsten epileptischen Anfall Hermanns miterlebt hatte, schilderte, : daß dieser sich ohne erkennbare Vorzeichen ereignet hatte. Hermann sei danach lange bewußtlos und unansprechbar gewesen.

Dem folgenden Hauptgutachter Prof. Mentzos, der offensichtlich bestrebt war sein früheres negatives Gutachten bei möglichst wenig Gesichtsverlust aus der Welt zu schaffen, war nach weiterem Studium der Krankenakten immerhin aufgefallen, daß Hermann schon 4 Tage nach seinem Unfall einen quasi lavierten Initialanfall hatte. Im übrigen kam der Gutachter zu dem Schluß, daß die Anfälle ganz offenbar im Vorfeld des Prozesses an Häufigkeit zunahmen. Auch erklärte Mentzos, er habe anfangs Hermanns Blindheit zu gering berücksichtigt.

Nach den Ausführungen des Gutachters wurde wohl auch dem hartgesottenen Kollegium der Richter und Staatsanwälte etwas unwohl. Hatten sie vorher - Anfall hin, Anfall her - beabsichtigt, den Hermann, der kaum einem komplexen Prozeß folgen kann, möglichst willenlos durch diesen zu schleifen, so war ihnen nun die Möglichkeit des Ausschlusses auch recht. Um Hermann aus dem Verfahren auszuschließen und trotzdem die i300 Seiten "Vernehmungsprotokolle" verwerten zu können, betrat das Gericht - wie so oft in Staatsschutzverfahren - kurz entschlossen "juristisches Neuland".

Hermann wurde für vorläufig verhandlungsunfähig erklärt. Desweiteren sei die Niederschrift über die richterliche Vernehmung Hermanns vom 3. - 6. i0. 78 zu verlesen (Im Oktober i978 hatte der Ermittlungsrichter des BGH, Kuhn, Hermann in der Polizeikaserne in Oldenburg 4 Tage lang "vernommen", d. h. die Protokolle von Polizei- "vernehmungen" zusammenfassendformuliert und sich unterschreiben lassen. )

Hermann ist heute, zur Zeit dieses Prozesses, für das Gericht nicht vernehmungsfähig. Die Gefahr epileptischer Anfälle erlaubten, laut Gericht, auch keine kommissarische Vernehmung. Wenn Hermann 3 Jahre nach dem Unfall nicht vernehmungsfähig ist, war er es natürlich kurz nach dem Unfall erst recht nicht. Solche Logik interessiert das Gericht allerdings nicht, bei Hermanns Ausschluß aus dem Verfahren ging es kaum um dessen Gesundheit. Vielmehr will man nicht hören, was er heute zu den "Vernehmungen" und ihren Umständen zu sagen hat. Er wurde als Zeuge für das Verbrechen an ihm ausgeschaltet.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist ein Angeklagter, der auf Dauer vom Prozeß ausgeschlossen ist, ZEUGE in dem Verfahren, das gegen andere Beschuldigte fortgeht. Nicht so in diesem Verfahren.

Hermann ist weiterhin stummer Angeklagter, über den ständig verhandelt wird. Wäre er, wie nach bisherige Rechtsprechung üblich, ZEUGE in dem Prozeß, hätte das Gericht seine Erklärung, er berufe sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht gegenüber seiner Verlobten S. zur Kenntnis nehmen müssen. Praktisch hätte dies das Ende des Verfahrens bedeutet. Die "Vernehmungs"- protokolle hätten nicht verlesen werden dürfen. Deshalb der Schritt ins "juristische Neuland".

Nachdem Hermann selbst aus dem Verfahren beseitigt war, mußte dem Gericht alles daran gelegen sein, auch alle anderen Beweise und Zeugen, die das Vorgehen von Polizei, BGH und Bundesanwaltschaft im richtigen Licht dargestellt hätten, aus dem Verfahren zu eliminieren.

Anträge der Verteidigung, Hermanns Kassetten, . die er während der Schutzhaft heraus geschmuggelt hatte, zu hören, wurden abgelehnt, ebenso wie Zeugen, die Hermanns Abschottung und Isolierung mindestens indirekt erlebt haben. Die Wahrheitsfindung dieses Senats ist seine subjektive Auffassung von den damaligen Vorgängen allein.

Kernsatz der Ablehnung der anwaltlichen Anträge: "Im übrigen war die Situation des Mitbeschuldigten Feiling zur Zeit seiner Vernehmungen allenfalls der Situation eines in U- Haft befindlichen Menschen vergleichbar. " Wenn also militante Gruppen der BRD demnächst einen Richter in ihre Gewalt nehmen, ist das ohne weiteres billig, weil auch dessen "Situation allenfalls (dann) mit der eines in U- Haft befindlichen Menschen" verglichen werden kann. Wem das paradox erscheint, muß daran sich erinnern lassen, daß gegen Feiling zur Zeit seiner Schutzhaft kein Haftbefehl im Gange war. Weswegen nur zu logisch davon ausgegangen werden kann, daß freiheitsbeschränkende Maßnahmen gesetzlich nicht zulässig sein müssen. Es gibt das Naturrecht des jeweils stärkeren auf die Durchsetzung seiner. Verfolgungs- und Machtinteressen.

Gerade die zynische Offenheit des richterlichen Satzes belegt rüdes Schutzhaftdenken: Gibt es nämlich, wie im Falle des todkranken Hermann Feiling keine Rechtsgrundlage für einen Haftbefehl, so kann doch alles so arrangiert werden, daß "dessen Situation" jener gleicht, die einer "Verhaftung" entspricht.

Allerdings wird dabei noch unterschlagen, daß die Situation Hermanns nicht einmal jener eines normalen U- Häftlings entsprach. Denn der ist nicht derart abschottbar von jeglichem frei gewählten Anwalt, Brief-, Besuchs- und Telefonverkehr. Feiling, aus gutem Grund, befand sich wohl ganz absichtlich in einer rechtlich ungeregelten Lage in der Waffenkammer der Polizeischule von Münster. Also eben nicht unter den "Umständen der U- Haft, von wo ein Stück Wahrheit nach außen hätte durchsickern können, sondern er befand sich in einer Lage, die "allenfalls" vergleichbar ist mit der eines Menschen, der Opfer einer willkürlichen Geiselnahme wurde.

(Es folgen gekürzt ein Antrag der Verteidigung zum Verwertungsverbot der "Vernehmungs"protokolle, ein Antrag auf Hören einer von H. 's herausgeschmuggelten Kassetten und die Ablehnungsbeschlüsse zu den Anträgen. )

Anräge

I. "In der Strafsache ... wird in Ergänzung des Antrages, die Beweisaufnahme nicht zu eröffnen, ergänzend folgendes zur weiteren Begründung vorgetragen:

I.

Die protokollierten und informellen Aussagen Hermann Feilings unterliegen einem absoluten Beweisverbot.

Sie wurden erzielt unter Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze, unter Verstoß gegen die Vorschriften des Menschenrechts, wie sie in internationalen Konventionen niedergelegt sind und schließlich unter Verstoß gegen die Regeln des Ermittlungsverfahrens nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung ...

Im einzelnen wurden folgende Vorschriften verletzt, um die erwähnten Aussagen zu erzielen: 1. Art. 1 GG, durch den der Schutz und die Achtung vor der Unverletzlichkeit der menschlichen, Würde zum vornehmsten Ziel allen staatlichen Handelns erhoben wird.

2. Art. 2 Abs. 2 GG, durch welchen die Freiheit der Person als unverletzlich geschützt wird. Sie kann nur aufgrund eines Gesetzes und unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Voraussetzungen beschränkt werden.

3. Art. 5 Abs. 1 GG, mit dem der Anspruch, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, begründet wird.

4. Art. 20 Abs. 3 GG, mit dem rechtsprechende und vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht, insbesondere an die Rechte auf faire Verfahrensführung gebunden sind.

5. Art. 104 Abs. 1 und 2 GG, demzufolge es verboten ist, festgehaltene Personen seelisch oder körperlich zu mißhandeln, nach dem über Freiheitsentziehung nur der Richter zu entscheiden hat und wonach die Polizei aus eigener Machvollkommenheit niemanden länger als bis Ende, des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten darf.

6. Art. 10 GG, wonach das Briefgeheimnis vor dem, staatlichen Zugriff geschützt wird.

7. Das Verbot des Übermaßes, welches Verfassungsrang genießt. Freiheitsbeschränkungen können ihm entsprechend nur in dem geringsten erforderlichen Ausmaß verhängt werden.

8. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, in der Bundesrepublik als Gesetz geltend, durch den bestimmt wird, daß niemand unmenschlicher Behandlung unterworfen werden darf.

9. Art. 5 Abs. 1 MRK. Hiernach kann die Freiheit nur entzogen werden, wenn eine rechtmäßige Festnahme erfolgte, damit die Vorführung vor die zuständigen Gerichtsbehörden erfolgen kann.

10. §136a StPO. durch den Ermittlungsmethoden ausgeschlossen sind, die unter Beeinträchtigung der Willensfreiheit Ermittlungsergebnisse produzieren sollen.

11. §137 StPO, nachdem der Beschuldigte sich in jeder Verfahrenslage eines von ihm gewählten Verteidigers bedienen kann.

II.

... Seit seiner Einlieferung in die chirurgische Klinik Heidelberg bestand Weisung, den verletzten Hermann F. polizeilich bewachen zu lassen, um jeglichen Kontakt zwischen ihm, seinen Freunden, Vertrauten und Bekannten auszuschließen. Dies hatte zum Ziel, seine Willensfreiheit zu beeinflussen und in Richtung auf Aussagen erwünschten Umfangs und Inhalts zu steuern. Das Ergebnis dieser Art von "Ermittlungstätigkeit" sind die in den Akten vorfindlichen Angaben Hermann Feilings.

Die Weisung, jeglichen persönlichen Kontakt H. Feilings - Familienangehörige ausgenommen - zu versperren, bestand sowohl für die Zeit der Klinikaufenthalte zwischen dem 23. 6. i978 und dem 14. 9. 1978 als auch für die Zeit der Verwahrung in den Polizeikasernen in Oldenburg und Münster bis zum 31. 10. 1978.

Sämtliche Vernehmungen fanden in diesem Zeitraum statt. Die Ermittlungsbehörden selbst gingen dabei davon aus, daß nur unter der Bedingung der Kontaktsperre und Verwahrung Aussagen zu erzielen waren. Dies ergibt sich u. a. aus Vermerken in den Ermittlungsakten, die nach der Freigabe Feilings angefertigt wurden. Dort heißt es z.B., Über die Beziehung einer bestimmten Person zu Feiling könne nichts weiteres gesagt werden, "da dieser hierzu nicht mehr vernommen werden konnte". (Vergl. Band 6, Spur 16 Schlußvermerk). Ein Vernehmungsversuch hat jedoch niemals mehr stattgefunden. Denn die Ermittlungsbehörden gingen davon aus, daß H. Feiling ihnen, nur unter Druck Aussagen zur Verfügung stellen würde ...

Die Rechtswidrigkeit der ergriffenen Maßnahmen ist folgendermaßen belegt:

1. Ab der Einlieferung des Schwerverletzten in die chirurgische Klinik Heidelberg bestand die Anordnung, jegliche Kontaktaufnahme zu Herrn Feiling zu unterbinden. Zugang zu ihm durften lediglich seine Verhörer, das Pflegepersonal und ein von den Verhörern ausgewählter Personenkreis haben.

Beweis: Zeugenaussagen (Seitz, Schäffer und Oberhauser von der Poiizeidirektion Heidelberg,

Dr. Mattern vom Institut der Rechtsmedizin, Dr. Hanf, Dr. Dressler von der chirurgischen Klinik HD, Oberstaatsanwalt Wechsung)

Erklärtes Ziel dieser mit der Bundesanwaltschaft abgesprochenen Maßnahme war es, "die Gunst der Stunde" zu nutzen, um "in die Revolutionären Zellen einzudringen" (so Generalbundesanwalt Rebmann in seiner Pressekonferenz vom' 4. 7. 78).

Beweis: Zeugenaussage GEA Rebmann

2. Um für jeden Fall der Beweisführung ein geeignetes Druckmittel in der Hand zu haben, erging schon am 24. 6. 78 Haftbefehi gegen den auf der Beatmungsstation liegenden Hermann Feiling. Dieser Haftbefehl war rechtswidrig ...

Jeden Gutwilligen mußte aber zu diesem Zeitpunkt klar sein, daß Feiling zu Aktivitäten (der Verdunklung, d. Verf. ) dieser Art nicht imstande sein konnte. Aber selbst wenn er es gewesen wäre, mußte darüber hinaus klar sein, daß er angesichts seiner Verletzungen ohnehin niemals hätte inhaftiert werden dürfen.

Deshalb wird in dem Haftbefehl, nicht nur hastig im Umgang mit der deutschen Sprache, in unverblümter Offenheit ausgeführt:

"Trotz der Schwere der Verletzungen des Beschuldigten besteht die Gefahr, daß er, ohne die durch den Erlaß eines Haftbefehls ermöglichte Bewachung (!) in der Lage sein würde, durch Hinweise an Außenstehende Beweismittel beiseite schaffen oder unterdrücken oder auf Mitbeschuldigte und Zeugen einwirken könnte."

Das globale Ziel der Bewachung eines Verdächtigen kann indes niemals einen Haftbefehl rechtfertigen. Seine Funktion besteht nicht in vorweggenommener Strafe, sondern ausschließlich in der Verfahrenssicherung, sei es durch Verhinderung der Flucht des Beschuldigten, sei es durch Verhinderung unerlaubter Einwirkungen auf die Ermittlungen durch ihn. Feststellungen der Art, daß eine entsprechende Gefahrensituation Überhaupt bestand, konnten vernünftigerweise nicht getroffen werden. Der Haftrichter hat sich deshalb nicht einmal darum bemüht, eine entsprechende Begründung herbeizuziehen und seinem Haftbefehl hinzu zuschreiben.

Bis zu seiner Freisetzung wurde H. F. der Haftbefehl niemals verkündet. Er wurde ausschließlich als Druckmittel gegen ihn benutzt. um an Aussagen haranzukommen, die dann schließlich auch im "Tauschverfahren: Aussage gegen medizinische Versorgung" erzielt wurden. H. F. berichtet auf seinen Tonbändern, die er unter Umgehung der Bewachung weiterleiten konnte:

"Eure Kassetten ... die kamen auch hier erst an, als ich schon in Papenburg war und da war es einfach so, daß die abgefangen werden sollten ...

Wobei das alles auf wackligen Füßen steht, was die hier machen, zumindest die Sachen, die die Kontrolle durchlaufen. Ich kann das nicht verhindern, die können einfach den Haftbefehl, den sie gegen mich haben, eröffnen oder wenigstens verkünden. - Solang sie das nicht getan haben, so lange bin ich nicht verhaftet. Das ist insofern ganz günstig, als daß sie mir jetzt diese Möglichkeit mit der orthopädischen Versorgung günstiger ... Ich weiß halt nicht. inwieweit mich die Krankenhäuser aufnehmen würden, deswegen. "(Band vom 15. 9. 78)

oder

"Ich bin ja voll unter deren Fittichen. die haben also nur ein paar Konzessionen gemacht, daß ich also diese Maßnahme da behalte, also diese Krankenhaustherapie für die prothetische Versorgung usw. ... . Nur um das möglich zu machen. haben die es eben nicht gemacht, mir also ihren Haftbefehl zu eröffnen. " (Band vom 22. 9. 78)

Beweisvorlage der zitierten Bänder ...

3. Um die Kontaktsperre gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber der Familie zu rechtfertigen, wurde ein klassisches Mittel der Konspiration gewählt, die Desinformation.

So wurden die Eltern Feilings informiert, ihr Sohn müsse geschützt werden, weil es Leute gebe, die ihn beseitigen wollten.

Beweis: Zeugenaussage der Eltern ...

Ferner wurde verbreitet, eine Entführungs- bzw. "Befreiungsaktion" sei geplant gewesen und nur. aufgrund der "Schutzmaßnahmen verhindert worden".

Beweis, Rhein- Neckar- Zeitung vom 7. 7. 78 N. N., Redaktionsmitglied der RNZ HD

Diese Meldung wurde aber u. a. auch deshalb von den Ermittlungsbehörden initiiert, um H. F. glauben zu machen, seine bisherigen Freunde seien nunmehr zu einer für ihn lebensbedrohlichen Gefahr geworden. Auch dies wurde zur Voraussetzung der Verhöre, auf die sich die Anklage stützt.

4. Ohne auch nur den Anschein gesetzmäßiger Rechtfertigung wurden schließlich sämtliche Personen festgenommen, die versuchten, Feiling zu besuchen:

E. G., ein Schulfreund Feilings wurde am 25.6.78 festgenommen, als er es unternahm, diesen im Krankenhaus aufzusuchen. Er wurde aber mehrere Stunden im Dezernat Staatsschutz der Heidelberger Polizei verhört, ehe er schließlich, ohne seinen Freund gesehen zu haben, wieder entlassen wurde.

Beweis: Zeugenaussage E. G., KHM Berberich, POM Oberhauser

Am 1.7.78 wurde sodann das Ehepaar K. ebenfalls bei einem Versuch, H. F. zu besuchen, festgenommen. Sie wurden unter der Beschuldigung der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung aber mehrere Monate inhaftiert, ohne daß hierfür auch nur der geringste Grund bestand.

Ein besonderes und eindrucksvolles Beispiel konspirativer Ermittlungstechnik ist das der Erika KÖSTER, die es wagte, telefonisch anzufragen, ob H. F. besucht werden könne ...

Beweis, Zeugenaussage Erika K., ..., KHK Raisch, LKA Baden- Württemberg.

Festgenommen und verhört wurden auch C. S., R. O. und A. H., bei ihrem Versuch, am 1. 9.78 einen Besuch abzustatten.

Beweis: Zeugenaussagen C. S., R. O., A. H., KHM Emmerich, KHM Ludwig, beide LKA Ba- Wü

In den Kliniken wurden ganze Polizei- Einsatzbereitschaften etabliert, die durch die jeweiligen Gebäude streiften, um auf jeden Fall eine unkontrollierte Kontaktaufnahme zu verhindern und die Konspiration aufrechtzuerhalten.

Beweis: Zeugenaussagen mehrerer KHKs und POMs ...

5. Daß zu einer vollständigen Kontaktsperre auch die Briefkontrolle gehört, ist für den konspirativen Zusammenhang und das Ausmaß der Anmaßungen der Beamten des LKA Baden- Württemberg und der Bundesanwaltschaft selbstverständlich ... (Bezug, Antrag der Verteidigung von H. F. vom 25.11.80) "

Ein weiterer von der Verteidigung gestellter Antrag bezog sich auf das Abspielen einer von Hermanns Kassetten. Er lautete:

" ... beantrage ich die Abspielung der Tonbandkassette mit der Aufschrift., "Ich habe gerade ... (K) 6" in der Hauptverhandlung in Anwesenheit der vom Gericht bereits geladenen Sachverständigen Prof. Dr. Mentzos, Prof. Dr. Jacob und Dr. Brambring und die anschließende Erhebung deren Sachverständigengutachten.

...

Aus der Anhörung der Tonbandkassette wird sich für die Sachverständigen ergeben, daß H. F. auch zum Zeitpunkt seiner richterlichen Vernehmung (im Oktober 78, d. Verf. ) vernehmungsunfähig war. Die von ihm in der Kassette abgegebene Schilderung seiner psychischen Situation, seiner Empfindungen, Gefühle und Wahrnehmungen, seiner Erkenntnis- , Abwehr- und Entscheidungsfähigkeit einerseits, seine Sprechweise, Tonfall, Satzbau und Gedankengang andererseits werden ergeben, daß H. F. zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage war, einer Vernehmung, zumal in dieser zeitlichen Länge, verantwortlich zu folgen und an ihr in einer auf freier Willensentschließung beruhenden Weise teilzunehmen. "

Ablehnungsbeschlüsse

Der Antrag der Verteidigung zum Verwertungsverbot der Protokolle wurde mit folgender Begründung am 2.1.81 vom Gericht abgelehnt:

... Aus dem Zusammenhang und der Begründung dieser Beweisanträge folgt, daß die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht um ihrer selbst willen bewiesen werden, sondern als Indiztatsache die Haupttatsache beweisen sollen, der Mitbeschuldigte Feiling sei durch verbotene Vernehmungsmittel im Sinne des § 136 a Abs. 1 StPO bei seinen Vernehmungen in der Freiheit seiner Willensentschließung und seiner Willensbetätigung beeinträchtigt worden. Zum Beweis dessen sind die behaupteten Indiztatsachen jedoch ohne jede Bedeutung, so daß die Beweisanträge deshalb abzulehnen waren ...

Die unter Beweis gestellten Tatsachen - die behauptete Abschirmung des Mitbeschuldigten P., die vermuteten Gründe für diese Abschirmung u. die Art ihrer Durchführung - sind weder allein noch in ihrer Gesamtheit Mittel im Sinne von § 136a . Abs. 1 StPO und können deshalb nicht die Freiheit des Mitbeschuldigten F., sich für oder gegen eine Aussage zu entscheiden und seinen Willen zu, betätigen, im Sinne dieser Vorschrift beeinflußt haben. Zwar ist die Aufzählung der die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung beeinträchtigen Vernehmunqsmittel in § 136 a StPO nicht abschließend. Aus der beispielhaften Aufzählung folgt jedoch, daß es sich um schwerwiegende Eingriffe handeln muß, bei denen die Gefahr, daß sie die Willensfreiheit beeinflussen können, offen zutage tritt. Diese Gefahr ist durch die Einschränkung des Besucherverkehrs und Telefonverkehr. nicht gegeben. Jedenfalls stellen diese Einschränkungen keine derartigen Belastungen her, die - wie etwa Mißhandlungen oder Quälereien - geeignet waren, einen Beschuldigten zu veranlassen, entgegen seinem Willen auszusagen. Im Übrigen war die "Situation des Mitbeschuldigten Feiling zur Zeit seiner Vernehmungen allenfalls der Situation eines in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten vergleichbar. Auch dessen persönlicher Umgang wird durch Besucherkontrollen sowie Gesprächs- und Briefüberwachung eingeschränkt, ohne daß diese Maßnahmen die Verwertung der während der Untersuchungshaft gemachten Aussagen nach § i36 a StPO ausschließen würden"

Mit ähnlicher "Logik", deren Interesse allein die Verurteilung der Angeklagten sein kann, wird der Antrag auf Abspielen der Tonbandkassette abgelehnt:

"Der Beweisantrag auf Abspielung des Tonbandes war nach § 244 Abs. 3 StPO abzulehnen, weil keine Tatsachen behauptet worden sind, die geeignet wären zu beweisen, daß bei der richterlichen Vernehmung des Mitbeschuldigten Feiling nach § 136 a StPO verbotene Vernehmungsmittel angewendet worden sind oder daß ein die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung beeinträchtigender Zustand Feilings zur Zeit seiner richterlichen Vernehmung ausgenutzt worden ist ...

Das gilt auch, sofern der Beweisantrag auf Abspielung des Tonbandes dahingehend zu verstehen sein sollte, daß der Inhalt des Tonbandes den Schluß zulasse, Feiling sei nicht nur zur Zeit seiner polizeilichen Vernehmungen, sondern auch noch zur Zeit seiner richterlichen Vernehmungen vernehmungsunfähig gewesen. Der nicht konkretisierte Inhalt des Tonbands kann bezüglich der Motive des Mitbeschuldigten F. hinsichtlich seiner Aussagebereitschaft keinen Rückschluß darauf zulassen, unter welchen Umständen die früheren Aussagen zustande gekommen sind, (das weiß das Gericht, ohne die Kassette zu hören!, d. Verf.)

Eine Abspielung des Tonbandes käme somit einer unzulässigen Beweisermittlung gleich. Ferner kann die von F. besprochene Tonbandkassette auch deshalb nicht Gegenstand der Beweisaufnahme sein, weil die beantragte Einführung in die Hauptverhandlung den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzen würde. Der Mitbeschuldigte Feiling kann aus den Gründen des Einstellungsbeschlusses und des Beschlusses, der die Verlesung seiner richterlichen Vernehmung angeordnet hat, in diesem Verfahren weder als Mitangeklagter noch als Zeuge vernommen werden. Die Einführung eines von ihm besprochenen Tonbandes würde sich aber als Ersatz seiner Vernehmung vor Gericht und damit als mittelbares Beweismittel darstellen. Dies verbietet aber § 250 StPO.

Der Beweisantrag auf Abspielung des Tonbandes ist schließlich auch dann nicht geeignet zu beweisen, daß F. zur Zeit seiner richterlichen Vernehmung nicht vernehmungsfähig gewesen ist, wenn dieser Antrag dahingehend zu verstehen sein sollte, daß F. zur Zeit der Aufnahme der Tonbandkassette noch nicht vernehmungsfähig war und deshalb auch zur Zeit seiner richterlichen Vernehmung vernehmungsunfähig gewesen sein müßte: Wenn nämlich aus dem Inhalt des Tonbandes hervorgeht, daß F. zur Zeit der Aufnahme der Tonbandkassette noch nicht vernehmungsfähig war und aus dieser Tatsache weiter geschlossen werden soll, daß er auch zur Zeit seiner richterlichen Vernehmung vernehmungsunfähig war, würde für letztere Tatsache ein nicht aussagetaugliches Beweismittel herangezogen. Wenn nämlich F. zur Zeit der Tonbandaufnahme nicht vernehmungsfähig war darf dieses Tonband nicht als Beweismittel verwertet werden Die angebliche Tonbandaussage des Mitbeschuldigten F., er habe sich noch zur Zeit der Besprechung dieses Tonbandes in einem physisch und psychisch desolaten Zustand befunden u. sei deshalb auch davor - zur Zeit seiner richterlichen Vernehmung - vernehmungsfähig gewesen, würde zudem nicht zu dem Schluß zwingen, er habe sich auch wahrend seiner richterlichen Vernehmung in einem solchen Zustand befunden. Sprechweise u. Gemütsverfassung zur Zeit der Tonbandaufnahme ließen nur diesbezügliche Schlüsse auf den Zeitpunkt, der Tonbandaufnahme, nicht aber auf die Zeit der richterlichen Vernehmung, zu. ...

Außer RA Baier, der als Zeuge vom Gericht zu den Umständen der "Vernehmungen" gehört wurde, wurden so alle anderen Zeugen und Beweismittel der Verteidigung aus dem Verfahren herausgehalten.

Zu Hermanns Zustand während der Vernehmungen und deren Umständen wurden nur die gehört, die dafür auch verantwortlich waren. Ihre Aussagen waren Grundlage für die Beurteilungen der Gutachter Prof. Mentzos, Prof. Jacobs, Dr. Brambring und Dr. Schwedes über Hermanns Vernehmungsfähigkeit von Juni bis Oktober 1978.

(Zu den Zeugenaussagen der verantwortlichen Staatsanwälte, Ärzte und LKA- Beamten siehe "Die Galerie des Dummen und Bösen" in diesem Heft, S. 57)

Die Gutachter und das Recht des Stärkeren

Das Ergebnis der gutachterlichen Aussagen ist zumindest in einem Punkt eindeutig - und übertrifft damit die düsteren Vermutungen, die wir zu Beginn des Verfahrens formulierten. Zusätzlich zu Amputation und Blindheit, zu Operation, Schock und Medikamenten hatte H. Feiling schon während der ersten 4 Verhörtage zwei schwere epileptische Krampfanfälle, sowie teilweise Verbrennungen 3. Grades samt einer Kieferimpression. Indem derart n Menschen entdeckten das LKA Baden- Württemberg und das BKA eine "putzklare" Person, die man schon am vierten Tag nach der Operation einem zehnstündigen Verhör unterziehen konnte. Was jeder einfache Mensch unschwer erkannt hätte, der Herz und Gemüt nicht. an der Sphäre einer durchschnittlichen KZ- Mannschaft orientiert, nämlich, daß hier elementare Menschenwürde gegen polizeiliches Penetrationsinteresse stand das war allerdings der "freiheitlich- demokratischen" Polizei nicht einsichtig.

Was dieser aber nicht vorgeworfen werden kann, so Gutachter und Staatsanwälte, weil ihnen doch die "fachmedizinischen Kenntnisse" fehlten: nur ein Arzt muß sich beim Foltern ein wenig in Acht nehmen - alle anderen dürfen. Soweit sie nur staatlichen Auftrag haben.

Hier ein kurzer Auszug aus einer Schrift Hermanns, die seine Erlebniswelt während der Verhöre beschreibt und die auch seine Gutachter kennen:

Ich habe an die erste Zeit nach dem Unfall wenig Erinnerung. Nachdem ich mich zunächst wohl in einer Art Koma befunden haben muß, in dem auch keine Erinnerung entstand, ergab sich eine Lage, in der ich zwar öfters wach war, in der es aber keine Realität für mich gab. Ich nahm eine Bilderwelt wahr, und ich konnte das ganze zur Traumwelt machen, in der mir die Blindheit auch nicht bewußt war.

Ich kann mich auch nicht an eine ärztliche Mitteilung über die Blindheit bzw. über meine Verletzungen erinnern. D.h. ich konnte nach außen relativ ruhig wirken, ohne daß ich mich in der Realität befand. Die Bilderwelt war zusammengesetzt aus besonders intensiven, weil statischen Bildern. Es war ein sehr erschreckendes Erlebnis, daß die Bilder nicht weggingen. Stimmen, die von außen an mich herankamen, wirkten traumhaft, unwirklich: bildhaft entstanden phantomartige Gestalten durch die Stimmen. Personen, vermittelt über ihre Stimmen, traten King-Kong-haft auf. Doch konnte ich mein eigenes Reden und die Stimmen von außen gegen die statischen erschreckenden Bilder setzen.

Es war ein furchtbares Erlebnis in der Heidelberger Klinik einmal eine Zeitlang in einem Raum ohne Geräusche gewesen zu sein. Die Bilderwelt nahm dabei Formen an, die in keiner Weise mehr relativiert werden konnten. - In dieser Welt gab es auch zunächst keine Zeitvorstellung.

Es war jemand bei mir im Raum. Da konnte ich nie schlafen, der war real da, der lief ständig herum. und erzählte Stories: er sei "Jäger" usw. Das Raumerlebnis war auf die Bilderwelt bezogen und hatte nichts mit der Realität eines Krankenhauszimmers zu tun. Das Bewußtsein, auf einer Intensivstation zu sein, war gegenüber dieser Bilderwelt peripher.

Ich war also in einem Zustand, wo ich eigentlich gar nicht wußte, wer um mich war und das einzige was ich wollte, war nicht verlassen zu werden. Ich wollte nicht allein sein und wußte nicht, was eigentlich los ist, wo ich mich befinde, warum es dunkel ist: ich mußte eine Situationskontrolle erst einmal entwickeln.

Ich habe in Heidelberg einmal eine Äußerung mitbekommen, in der es hieß: 'Es gibt hier einige Leute, die Ihnen gerne eine Spritze verpassen würden'. Ich bezog dies auf den zumeist anwesenden 'Jäger' und hatte ständig Angst vor ihm. Ich bekam auch einmal mit, als meine Mutter gefragt wurde, ob sie mit meiner späteren Unterbringung in eine Landesheilanstalt einverstanden sei. Das hat bei mir ein unheimliches Entsetzen ausgelöst. In der Folge war ich krampfhaft bemüht, einen stabilen Eindruck zu machen, weil ich auf keinen Fall als verrückt gelten wollte."

All dies schien die Gutachter aber weniger zu interessieren. Ihr vornehmliches Interesse war es, den verantwortlichen staatlichen Behörden nicht zu nahe zu treten. Es stellt sich angesichts der Gutachten die Frage, ob die von den Gutachtern "entdeckte" angebliche "mangelnde Konfliktbereitschaft" als Motiv für die Aussagen" Hermanns nicht einfach die Projektion ihrer eigenen Probleme ist.

Jedenfalls war man sich unter den Herren Ärzten auffällig einig, daß Hermann spätestens ab dem 7. Juli voll vernehmungsfähig gewesen wäre, also 12 Tage nach dem Unfall. Einig war man sich auch darüber, daß die Beurteilung der Umstände der "Vernehmungen" dem Gericht zu Überlassen sei und man als Gutachter darüber nichts zu sagen habe. Für einen Psychoanalytiker, und Mentzos gilt immerhin als einer der fortschrittlicheren, eine mehr als merkwürdige Auffassung.

Wahrscheinlich hätten die Gutachter Hermann trotz Blindheit und Beinamputation schon viel früher für vernehmungsfähig erklärt, hätte nicht eine Krankenschwester 2 Krampfanfälle in den Krankenakten vermerkt und wäre da nicht eine leichte Hirnverletzung gewesen.

Hier nun die Kritik eines Frankfurter Psychologen an den Gutachten. Die Gutachten folgen in gekürzter Fassung danach.

Kommentar

Ein Psychologe, Herrn Mantzos nicht unbekannt kommentiert die Gutachten:

"In einer Zeit, in der bekannt wird, das Ärzte sich ihren Urlaub von der pharmazeutischen Industrie bezahlen lassen, kann man fragen, ob nicht such ein medizinisch psychologisches Sachverständigen- Gremium zusammen mit dem Gericht demnächst in den Süden aufbrechen wird. Eingeabeitete Animatoren von LKA und BKA, die bekanntlich für jeden Job taugen, dürften jedenfalls den blaß gebliebenen Gutachtern eine sonnige Entschädigung für das wöchentliche Absitzen gleich mehrerer leidvoller Stunden auf den hölzernen Blinken deutscher Gerichtssäle versprechen.

Man könnte hier noch offener miteinander umgehen, was vor Gericht zu peinlich und unkontrolliert gewirkt hätte, denn schließlich verlangt dort der 'institutionalisierte Abwehrmechanismus', dem Mentzos ein ganzes Buch gewidmet hat, ein kontrolliert- distanziertes Verhalten, bei dem innere Erregungen nicht nach außen treten dürfen.

Zu untersuchen war die generelle Frage, ob Hermann F. zur Zeit der polizeilichen und richterlichen Vernehmungen vor 2 1/2 Jahren vernehmungsfähig war. Allen Beteiligten war und ist klar, daß die Beantwortung dieser Frage entscheidend für den weiteren Prozeßverlauf gegen Hermann F., Sybille Straub & Sylvia Herzinger ist. Umsomehr verwundert es deshalb, daß eben diese integrierte Fragestellung in den nun abgelegten Gutachten nur am Rande behandelt wird und stattdessen der Frage nachgegangen wurde, ob die vernehmenden Beamten und der behandelnde Arzt dafür in Verantwortung zu ziehen sind, daß sie den frisch Operierten unter dem Einfluß von Medikamenten stehenden Hermann F. tagelangen Verhören unterzogen haben, ihn von allen für seine Genesung notwendigen sozialen Kontakten abschotteten, mindestens 2 Krampfanfälle kurzerhand übersahen und sich somit - worauf die Gutachter aber nicht kommen - der Unterlassung ärztlicher Hilfeleistung schuldig gemacht haben.

Daß diesem schon häufiger geäußerten Verdacht eine nicht von der Hand zu weisende reale Grundlage beizumeseen ist, zeigen nun auf eindrückliche Weise gerade die vorgelegten Gutachten, in denen mit den waghalsigsten Konstruktionen eben dieser Verdacht aus dem Weg geräumt werden soll.

Die Wahrheit tritt aber - wie so häufig - zwischen den Zeilen zutage, und dem Sachverstand, der so gerne kontrolliert und unabhängig wirken möchte, werden die abstrakten, gelegentlich auf der Mitte abbrechenden Konstruktionen zum Eigentor: er verfängt sich in Widersprüche und statt einer Antwort auf die gestellte Frage, liefert er einen tollen Freibrief für die damals verantwortlichen Beamten, die natürlich für all das Geschehen, für die unglaublichen Methoden der barbarischen Verhöre überhaupt nichts können sollen.

Will man tatsächlich klären, ob H. F. in der Zeit nach der Explosion vernehmungsfähig war, so muß man sich einmal mit ihm intensiv auseinandersetzen, und man sollte das für ein Gutachten bestimmend werden lassen, was einen Sachverständigen ausmacht, nämlich langjährige konkrete Erfahrung und wissenschaftliches Fachwissen. Das gelingt mit Sicherheit niemals dadurch, daß man allein die penetranten, nach Verdunkelung riechenden Aussagen von Polizeizeugen zu einem sogenannten "Fachgutachten zusammenfaßt.

Zweck dieses ganzen Aufhebens war - und das ergibt sich mit fast atemberaubender Übereinstimmung aus sämtlichen Gutachten - die Klärung der brennenden Frage, wie es kommen kann, daß ein Mensch trotz traumatischem Schock, trotz Erblindung und Amputation beider Beine sofort wieder 'bewußtseinsklar', 'offen zugewandt', aufgeschlossen', 'stabil' (alles Originalton LKA bis BKA) gewesen sein soll,

Jeder menschlichen Erkenntnis und Erfahrung widersprechend betreten an dieser Stelle die Herren Gutachter das juristische Feld, um ihrerseits 'wissenschaftliches Neuland' zu eröffnen, indem sie das Wörtchen 'trotz' durch das unscheinbare, aber alles auf den Kopf stellende "wegen" ersetzen.

Lassen wir wenigstens einen Teil Konstruktionen Revue passieren:

Man nehme eine 'Primärpersönlichkeit', in diesem Fall Hermann F., die schon 'immer' darauf bedacht ist, innere Erregung, Emotionen etc., nach außen hin nicht zu zeigen, nenne das 'neurotisch- depressive Grundstimmung' und zwar außerhalb der Norm liegend, aber natürlich noch nicht 'pathologisch', füge dem ganzen noch ein wenig 'Konfliktvermeidungsverhalten' und 'Aggressionshemmung' hinzu - schon hat man eine synthetische Person, die selbst bei stärkster Erregung nach außen hin stabil & bewußtseinsklar wirkt und die sogar mit 'Faschisten' gut auskommt. Kurz, den Gutachtern ist der deutsche Landser wiedererschienen.

Um diese nicht einmal originelle Konstruktion abzusichern, benutze man 2- 3 psychologische Tests. Wobei es völlig unerheblich ist, daß solche Verfahren keinerlei empirische Validität aufweisen, denn wer weiß schon, daß man damit zwar zuverlässig und stabil immer wieder dasselbe messen kann, aber daß das, was gemessen wird sich bis heute bedauerlicherweise jeder wissenschaftlichen Erkenntnis entzogen hat.

Wesentlich ist nur, daß man einen 'Persönlichkeitszug' mit hoher zeitlicher Stabilität findet, der nicht 'behinderungsspezifisch' sein kann: und schon ist man von Trauma über Erlebnis bis Epilepsie alles los, weil die wahren Gründe im Menschen selber liegen.

Dem Hermann Feiling, den man offenbar nicht genug quälen kann, teilen die Gutachter (Dr. Brambring) bei der Gelegenheit noch mit, daß er es wohl auch mit den Nazis hätte treiben können.

Derselbe Gutachter wohlgemerkt, der, dynamisch, liberal und absolut wertfrei, an eben jenem, Hermann Feiling einen in jeder Hinsicht fragwürdigen Test des Faschisten und CIA- Mitarbeiters Eyssenck ungerührt ausprobiert.

Eyssencksche Untersuchungshöhepunkte: "Warum Neger im Wasser schneller sinken" und "Warum Iren dümmer sind als durchschnittliche Briten. "

Im Falle Feiling handelt es sich um einen Eyssenck- Test, der nicht einmal für die deutsche Bevölkerung normiert wurde. Nur wenige werden schließlich den Verdacht hegen, daß das glänzende Verständnis mit Faschisten, welches eben noch für die konstruierte Person konstitutiv gewesen sein soll eigentlich dem diesen Test anwendenden Psychologen zu eigen sein muß.

Hauptsache bleibt, man hat seine 'Testbatterie' strategisch in eine konforme Stellung gebracht und weiß, was man treffen will; denn das, was die zum Einsatz gebrachte Batterie hinterläßt, ist allemal psychologischer Brei.

Ganz und gar unwichtig sind dann solche allerdings wesentlichen Feinheiten, wenn aus den beschriebenen Verhaltensweisen Feilings, die immerhin von 'gelassen- freundlich' bis reserviert- zurückgezogen' variieren, lediglich die letztgenannten sich mit dem diagnostizierten Merkmal 'der depressiven Grundstimmung decken'.

Hat man gegen die 'Primärpersönlichkeit' soweit entstehen lassen, so muß das Ganze nur noch mit wissenschaftlichen, über jeden Verdacht erhabenen Termini garniert sein.

Je nach Gusto spricht man dann von einem 'besonnenen Dämmerzustand' oder von 'habituellen Abwehrmechanismen', welche die Beamten und den Arzt (somit verständlicherweise) hindern, Hermann F. 's physische und psychische Lage richtig zu erkennen: Polizeiwissenschaft.

Selbst das Übersehen von epileptischen Krampfanfällen kann dann ohne weiteres entschuldigt werden, denn verantwortlich ist dafür niemand anderes als Hermann Feiling, der eben über eine für Fehldiagnosen geradezu prädestinierte 'Primärpersönlichkeit' verfügen soll.

Stockt einem bei diesem gutachterlichen Schachzug schon der Atem, was sich im Übrigen nahtlos in die Behauptung einfügt, daß angeblich H. F. es war, der 'Aussagen' machen wollte, während die Beamten wesentlich an die baldige Genesung gedacht zu haben behaupten, dann bleibt einem beim folgenden Winkelzug vollends der Atem weg.

Nicht nur die - typischen 'habituellen Abwehrmechanismen', sich nämlich nicht in die Karten schauen zu lassen, sondern auch der eigentümliche Sprachstil, den die Gutachter bei F. ausmachten, der ein diffuses, weitschweifendes, etwas verschnörkelten Reden meint, all dies soll, natürlich weil es exakten Aussagen gewissermaßen im Wege stünde, gerade durch die traumatischen Folgen der Explosion zusammengebrochen sein.

Klartext: Üblicherweise spricht Hermann Feiling (qua , 'Primärpersönlichkeit') ungenau und langwierig. Dummerweise redet er aber - glaubt man das alles - in den Polizeiprotokollen während der ersten Vernehmungen gestochen scharf, wie aus der Pistole, und schwelgt in exakten Maßen- und Zahlenangaben. '

Wie das erklären? Nun, gerade die segensreicheExplosion hat vorübergehend die Abwehr der primären Persönlichkeit in Schutt und Asche gelegt, weswegen Trauma und Schock, eben überhaupt nicht negativ waren, sondern der wahre, ungehemmte Hermann Feiling entstand. Wir sagten ja bereits: Landserphantasien!

Jedenfalls bedeutet dies eine argumentative Linie, die den Folterspezialisten in Argentinien bislang noch fehlte. Man deklariert einen politischen Gegner kurzerhand zum primären Masochisten, der von sich aus auf Prügel besteht, und dann ist dies natürlich klar masochistisches- irreales Strafbedürfnis mehr, sondern die reine Wahrheit. Der Sinn, eines solchen Vorgehen, ergibt sich allemal nur aus der Absicht der Folterer. Diesbezüglich bemerkt der Gutachter Jakobs zurecht, aber leider für seine weiteren Aussagen folgenlos, daß in Hermann Feilings Fall 'solange vernommen wurde'. bis man 'offensichtlich nicht mehr sinnvoll vernehmen konnte' und die 'Unsicherheiten' in seinem 'Kurzzeitgedächtnis' auch nicht durch polizeiliche 'Hilfestellung' mehr 'überbrückt' werden konnten.

Was hier geschehen ist, wundert deutsche Gutachter nicht mehr, regt sie nicht einmal mehr zu Fragen an, sondern gibt Anlaß zur blanken Affirmation allein. Stellen in denen eine originäre gutachterliche Tätigkeit verlangt: wird, werden mit der Bemerkung abgetan, daß hier der Bereich des hypothetischen beginnt, der nur noch theoretisch postuliert, aber nicht durch konkretes Material bestätigt werden kann (Mentzos) - weil dazu die einschlägigen Polizeizeugen natürlich nichts gesagt haben. Während man denn auch konsequent 'keine Zeit' haben muß, wenn der einzige Zeuge auftaucht, der nicht beamtet ist.

Unerwähnt und unterschlagen bleiben dagegen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse: etwa zu den psychischen Reaktionen auf eine plötzliche Erblindung. Mitgeteilt etwa u. a. von H. R. Blank, von R. Fitzgerald, von Rochlin et al, sämtlich Spezialisten auf dem Gebiet. Die passen nicht ins Konzept- obwohl, wie in diesen Fällen, fast schon amerikanische Regierungswissenschaftler.

Davon, daß der psychische Ausnahmezustand, in dem sich plötzlich Erblindete über Wochen und Monate befindet, anfangs eine völlige Auflösung der Persönlichkeit gefolgt von einem langwierigen Prozeß der Trauer bedeutet, ist in diesen 'Gutachten' genausowenig zu lesen, wie von Tagträumen, psychotischen Vorstellungen, Erinnerungen und Wünschen, die als verzerrtes und verdichtetes Gemisch das Denken und Empfinden erblindeter Menschen bestimmen. - Es erinnert sich auch keiner der Gutachter an Paul Federn, einen der bedeutendsten Psychiater der Nachkriegszeit, der die Folgen einer solchen vorübergehenden Persönlichkeitsauflösung wie folgt beschreibt:

"Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auch das Vergehen eines Augenblicke ist unbestimmt; (. . .) Zu dieser Unbestimmtheit gesellt sich Ungewißheit der Zeitfolge von Erinnerungen (!), häufig verbunden mit einen getrübten Gefühl dafür, ob man etwas selber erlebt hat, oder ob es nicht eine andere Person gewesen sein könnte.

Oder aber es wird Ungewißheit im Bezug darauf geführt ob man Erlebnisse, von denen man weiß, daß sie die einer anderen Person gewesen sind, in eigener Person durchgemacht hat oder nicht. Diese Person kann ein lebender Mensch oder eine Gestalt aus Dichtung und Geschichte sein ... "

All dies hätte natürlich 'rechtliche Konsequenzen und steht deshalb nicht in den abgelegten Gutachten.

Nach zweieinhalb Jahren können diese 'Gutachter' fast auf den Tag genau angeben, wann Hermann Feiling wieder vernehmungsfähig gewesen sein soll: damit die Absprache nicht zu deutlich wird, differieren sie um einen Tag: 6. Oder 7. Juli. Ansonsten gibt es keinerlei Angaben über Unsicherheitsträume, und begründet wird das Datum 'Vernehmungsfähigkeit' mit dem alles klarstellenden Hinweis auf die 'wiedereintretende Stabilisierung'. Man beachte: es heißt nicht' wiedereingetretene Stabilität', so daß offensichtlich demnächst auch der bewußtlose, der gerade zum ersten Mal wieder die Augen öffnet, voll vernehmungsfähig sein wird, denn dies ist ja ein Hinweis auf eine wiedereintretende Stabilisierung.

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http://www.freilassung.de/div/texte/rz/kassiber/feiling/re_beu.htm