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RZ / Rote Zora

Interim 591, 25. März 2004

Der RZ- Prozess ist zu Ende, die Urteile sind gefällt.

Spätestens jetzt tut eine politische Einschätzung der ganzen Sache mehr als Not. Diskutiert wurde zum Prozess nur wenig und wenn, dann ganz zu anfangs. Das lag auch an der Marginalität der Solidaritätsbewegung. Doch diese Marginalität, sprich die mangelne Unterstützung seitens der linksradikalen autonomen Szene ist erklärungsbedürftig. Um so mehr, da dem Desinteresse an den von der Repression Betroffenen der nach wie vor große Hype um die RZ, nach dem Motto "weißte noch damals" gegenüber steht. Zu Beginn der Repression und der Solikampagne lief ja noch einiges. Dies lag zum einen an den konkreten Angriffen gegen die "Szene" , wie bei den zwei Mehringhofdurchsuchungen und zum anderen an einem konkret auszumachenden Feind: dem Kronzeugen Tarek Mousli. Toll waren eine lautstarke Demo durch die Friedrichsstrasse, die Plakataktion mit den Herzen und immerhin waren die Infoveranstaltungen im Kato mit Johannes Agnoli und an der TU brechend voll und der Zitronenfalter wurde breit verteilt. Auch gab es nach dem ersten Jahr noch eine Solikundgebung vor dem Knast in Berlin- Moabit. Doch das Interesse der BRD- Linksradikalen an ihren jüngsten Gefangenen flaute schnell ab. Die Texte der RZ werden immer wieder herangezogen, wenn es um das Verhältnis einer politischen Bewegung, die auf die Umstürzung dieser Verhältnisse und eine emanzipatorische Gesellschaft abzielt, zu militanten Aktionsformen geht. Ihre Aktionen werden als Lehrstücke autonomer, linksradikaler Kämpfe herauf beschworen, aber der UnterstützerInnenkreis zu dem Prozess, in dem ihre Geschichte verhandelt werden sollte, blieb auf FreundInnen und das konkrete Umfeld der Betroffenen beschränkt.

Doch was sind die Gründe dafür?

Ein immer wieder angeführter Grund ist der Generationsbruch. Für die direkte Unterstützung mag er gelten, aber für die marginale Solibewegung reicht die Erklärung nicht. Denn wo waren denn die damaligen GenossInnen?

Und schliesslich fanden sich viele junge Gesichter auf den Infoveranstaltungen am Anfang der Kampagne, die mit großer Neugier Fragen stellten, was die RZs denn alles gesagt und getan hätten. Stärker ins Gewicht gefallen ist unserer Meinung nach, das bereits relativ zu Beginn des Prozesses und der Solibewegung eine zu starke Identifizierung der Betroffenen mit der RZ vom engeren UnterstützerInnenkreis und den AnwältInnen als juristisch fatal eingeschätzt wurde. Es ging darum, dass Konstrukt RZ der BAW nicht auch noch selbst zu bestätigen um die Anklage nach 129a aufszuhebeln. Die Ansage an die UnterstützerInnen war explizit, die Soliarbeit nicht zu sehr mit einer Kampagne zu den RZ zu koppeln. Dieser Versuch hat sich unserer Meinung nach in der mangelnden politischen Unterstützung gerächt, ob er juristisch etwas gebracht hat, können wir nicht einschätzen. Die Trennung hat jedoch die beschriebene Diskrepanz zwischen der Sympatie für die RZ in der Szene und das Desinteresse für die Gefangenen nur verstärkt, wenn nicht sogar mitproduziert.

Wir können nicht beurteilen, ob es nicht anders gegangen wäre. Diese Strategie ist jedoch von Anfang an ein wichtiger Streitpunkt in der Soliarbeit gewesen und wir finden sie im Nachhinein mehr als überdenkenswert.

Vor dem Hintergrund des weiteren Prozessverlaufs, den Aussagen und Einlassungen ist auf jedenfall zu kritisieren, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt nicht noch einmal öffentlich zur Diskussion gestellt wurde. Die Aussagen und Einlassungen haben gerade weil sie auch politisch nicht verständlich gemacht worden sind, der Solibewegung ebenfalls extrem geschadet.

Anna und Athur halten`s Maul! Und wenn nicht, dann ist aber zumindest eine politische Erklärung fällig und zwar nicht nur intern, sondern öffentlich. Und wenn das aus prozesstaktischen Gründen nicht geht- kein Problem...wir können warten.

Wir finden es nicht sinnvoll, Inhaftierten oder irgend wie anders von Repression Betroffenen die Solidarität zu entziehen, weil sie Aussagen machen, wie es andere in diesem Heft bereits gefordert haben. Das kann im falschen Moment nur noch mehr schwächen und wir sind alle keine HeldInnen, wollen auch keine sein. Oftmals ist auch unsere mangelne Unterstützung verantwortlich dafür, dass Einzelne keinen anderen Ausweg mehr sehen. Und im Knast ist nichts heroisch! Doch wie gesagt, eine Erklärung ist mehr als nötig. Um so mehr weil nicht alle Aussagen machten und sich das jetzt in den Urteilen widerspiegelt. Und weil die Aussagen ziemlich zeitnah kamen mit den Aussagen der Festgenommenen in Genua, die diese ebenfalls machten, um aus dem Knast zu kommen- ziemlich spontan zwar und im Gegensatz zum RZ- Prozess ohne die geringste Möglichkeit einer politischen Verständigung oder gar nur irgendeiner Kommunikation der UnterstützerInnen. Doch auch noch im Nachhinein haben fast alle aus der Diaz- Schule aus der BRD Zeugenaussagen vor den bundesdeutschen und italienischen Bullen gemacht. Zwar gegen die prügelnden Bullen in Genua, doch dies zeigt nur: auch hier gab es zu wenig öffentliche Diskussionen und politische/ persönliche Unterstützung, die den Versuch, Wieder -gutmachung über eine Anzeige zu bekommen, vielleicht überflüssig gemacht hätte.

Anna und Arthur halten`s Maul?

Es geht uns nicht darum, die Diskussion über "Standards" über Aussageverweigerung zu wiederholen. Wir wollen auch keinen Einzelpersonen politisch unkorektes Verhalten vorwerfen.

Wir denken, dass dies unser aller gemeinsames Problem sein muss, die Kritik solidarisch sein sollte, aber auch das hier mehr als nur eine Infoveranstaltung nötig ist. Und dabei spielt auch der RZ- Prozess, das Verhalten von Teilen der Angeklagten, wie der Solibewegung und aller, die nur zugekuckt haben, eine wichtige Rolle. Es stellen sich aber noch mehr Fragen aus dem Verlauf des Prozesses, die politische Konsequenzen haben müssen, für die wir gemeinsame Antworten brauchen. Einiges ist mal rund um die Kronzeugengeschichte und Tarek Mousli diskutiert worden! Wie verhalten wir uns zu Leuten, mit denen wir Politik gemacht haben, die aber "ausgestiegen" sind, der "Szene"/ "Bewegung" den Rücken gekehrt haben und das alles als Jugendsünde abtun?

Zudem wenn noch jeder Kontakt von beiden Seiten abgebrochen ist? Eine andere Frage ist, wie verhalten wir uns, wenn andere für Sachen verknackt wrden sollen, die ich getan habe? Repression ist immer willkürlich und je weniger sie wissen, wie es wirklich war, desto besser.

Jede Aussage gefährdet immer auch andere und es wäre eine leichte Strtegie, wenn die Bullen einfach irgendwen mitnehmen und dann melden sich gleich alle, die es waren, freiwillig. Doch dabei zusehen, wie einer anderen das Leben zerstört wird?

Ihr seht, es tun sich anhand des Prozesses Fragen auf, die sich nicht nur auf eine (historische) Einschätzung der RZ und ihrer Aktionsformen beziehen, sondern hoch aktuell sind und mit jeder/m von uns konkret zu tun haben. Es bedarf der Diskussion...

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http://www.freilassung.de/div/texte/rz/bp/int591_250304.htm