Wenn die Sache irre wird -
werden die Irren zu Profis Infos und Texte zur Aussageverweigerung
und Beugehaft aus dem Jahr 1988.
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Gedankenfragmente
Die Frage, wie mit den Zeuginnenvorladungen umzugehen sei, ist
bislang rigoros auf die generelle Aussageverweigerung reduziert
worden.
Die Leichtigkeit, mit der Aussageverweigerung propagiert wurde,
und deren Konsequenzen nicht diskutiert wurden, erinnert eher an
die VoBo- Debatte. Dies scheint die erste gravierende Fehleinschätzung
gewesen zu sein.
Es geht in diesem Fall um die Verfolgung von flüchtigen Personen,
die der Mitgliedschaft in der RZ und konkreter Taten beschuldigt
werden. Die Beweisnöte und Schwierigkeiten bei den Ermittlungen
sind offensichtlich. Also ist eigentlich davon auszugehen, daß
BKA und BAW bei der Verfolgung von "Terroristlnnen" jeden
Spielraum, der ihnen durch Gesetze, StPo u. ä. geboten wird,
auch nutzen.
Die Repressionsmöglichkeit der Beugehaft trifft jede Einzelne
in ihrer gesamten Lebenssituation:
Sie ist nicht nur mal eben ein halbes Jahr weg vom Fenster, sondern
sie hat weitreichende Konsequenzen zu tragen. An diesem Punkt stellt
sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit zwischen
dem Preis, der für die Verweigerung zu zahlen ist, (nämlich
Knast,) und dem Schaden, den eine Aussage anrichten kann. Es gibt
kein.Patentrezept, was diese Frage eindeutig lösen könnte,
denn jede Zeugin ist in einer unterschiedlichen Situation, was ihre
persönliche Lebenssituation und den möglichen, von ihr
gestifteten Schaden angeht.
Diese Auseinandersetzung ist für die einzelne Zeugin eine
ganz entscheidende. Die Fixierung auf Aussageverweigerung als einzig
mögliche Verhaltensweise hat eine rechtzeitige und gründliche
Auseinandersetzung aber eher unmöglich gemacht. Deshalb unmöglich
gemacht, weil niemand (außer den Betroffenen?) diese Frage
ernsthaft zulassen wollte.
Mit den Widersprüchen haben sich die Betroffenen geplagt,
wobei diese jedoch nicht zur Diskussion gestellt wurden - Welchen
Sinn macht eine solche Forderung (Auss.Verw.) an das Verhalten jeder
einzelnen Zeugin, wenn dies dazu führt, daß sie allesamt
in den Knast wandern? Ist denn tatsächlich die politische Situation
so, daß eine Chance gesehen wird, dies verhindern zu können?
Ist es ein sinnvoller Akt der Solidarität mit den §129a
Verfolgten, selbst in den Knast zu gehen? Wird sich daran der große
gesellschaftliche Aufschrei entzünden?
Eine solche Herausforderung kann nur dann sinnvoll sein, wenn eine
ernsthafte Möglichkeit gesehen wird, auch gewinnen zu können
oder selbst wenigstens keinen großen Schaden zu erleiden.
(wie beispielsweise beim VoBo). Trotzdem von allen Zeuglnnen weiterhin
ein Gleichverhalten (generelle Aussageverweigerung bis in den Knast)
zu fordern heißt: entweder die realen Machtverhältnisse
zu ignorieren oder nicht wahrhaben zu wollen, oder aber durch die
Schaffung von "Heldlnnen" weiterhin eine Ideologie hochzuhalten,
die einer realen Basis entbehrt.
Dies führt zu einer Situation, die nur das Verhalten der Zeuglnnen
in den Mittelpunkt rückt und nicht mehr deutlich macht, wer
denn eigentlich Menschen zu Zeuglnnen machen kann, wer denn eigentlich
den Allzweckparagraphen 129a mit welchen Zielen einsetzt, welches
Instrumentarium zur Verfügung steht, politische Gegnerschaft
als "Terorrismus" zu definieren und zu verfolgen.
Nur wenn alle Seiten/Standpunkte in der Diskussion zugelassen werden,
ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Zeuglnnenvorladungen möglich.
Kollektives Handeln kann nicht zum Ziel haben, ein einzig mögliches
Verhalten für alle als Ideal zu propagieren, sondern muß
sich vielmehr an den Möglichkeiten der Einzelnen orientieren
und diese zur Diskussion stellen.
Außerdem:
Die Zeuglnnenvorladung ist nur eine Methode, Informationen zu gewinnen.
Dies sollte bei der ganzen Diskussion nicht außer Acht gelassen
werden.
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