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Datum: 03/2000
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Zeitung:
Libertad!-Zeitung So oder so
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Titel: Akte RZ ungelöst - Weitere Verhaftungen und Aussagen
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Akte RZ ungelöst
Weitere Verhaftungen und Aussagen
Verhaftung in Paris
Paris, im Februar: 300 Leute protestieren dagegen, daß zwei alte
ergraute untergetauchte Revolutionäre , so associated press, am 16.
Januar vom französischen Pendant zur GSG 9, die Direction Central des
Renseignements Généraux, verhaftet und der Staatsanwaltschaft
überstellt worden waren. Der 59jährige Christian G. und die
67jährige Sonja S. N wurden nach ersten Verhören in die
Gefängnisse Sante´ und Fleury gebracht: auf Antrag der
Bundesanwaltschaft in Auslieferungshaft. Laut französischen
Polizeiquellen waren zwei deutsche Beamte bereits während der
Festnahmeaktion als Beobachter anwesend. ap meldet weiter, daß beide
längere Zeit in Lille unter anderen Namen gelebt haben und ihre
Verhaftung bei einer Geburtstagsfeier Sonjas in Paris erfolgte, zu der auch
Gäste aus Deutschland angereist waren. Laut FOCUS unter Observation
von Zielfahndern des BKA.
Christian G. und Sonja S. hatten 1978 die BRD verlassen, nachdem sie
durch Aussagen belastet wurden. Der Haftbefehl stammt aus dem Jahr 1978 und
führt mehrere Sprengstoffanschläge auf. So sollen sie u.a.
geplant haben das Heidelberger Schloß zu verwüsten. Einen
weiteren Haftbefehl lieferte der ehemalige RZ-Aktivist H.J. Klein. Nach
seiner Rückkehr aus seinem Exil in der französischen Bretagne
erklärte Klein u.a., Sonja S. habe die OPEC-Aktion im Dezember 1975
logistisch unterstützt .
Wien 1975: Die Besetzung der OPEC-Konferenz
Im Dezember 1975 besetzte ein Kommando internationaler
Revolutionäre das Gebäude der Organisation der
erdölexportierenden Länder (OPEC) in Wien. Die Konferenz der
OPEC-Minister, ein einflußreicher und milliardenschwerer Kreis, wurde
gefangenen genommen. Es kam zur Schießerei mit dem
österreichischen Wachpersonal und den Leibwächtern der Minister.
Die Verhandlungen dauerten mehrere Tage. Der damalige österreichische
Kanzler Kreisky verhandelte direkt mit Carlos , dem Führer des
Kommandos. Die Besetzung endete mit dem freien Abzug der Gruppe, die zum
Eigenschutz mehrere Minister mitnahm und diese später freiließ.
Wichtigste Forderung der Aktion war, eine Umschichtung der
Erdölgewinne zugunsten der ärmeren nichterdölproduzierenden
Staaten des Südens durchzusetzen. Die sog. Erdölkrise , die
künstliche Drosselung des Rohölexports durch die Erzeugerstaaten,
lag nur wenige Jahre zurück. Er führte in Westdeutschland zu
autofreien Sonntagen und dem drastischen Anstieg der Benzin- und
Heizölpreise. Weitaus dramatischer aber war der Preisanstieg für
die Volksökonomien der Länder des Trikonts. Die OPEC konnte die
westlichen Ölmultis zwar kurzfristig kaltstellen und die Kontrolle des
Ölpreis in die Souveränität der Produzentenländer
zurückführen, bezahlen mußten dafür aber nicht nur die
reichen Industriemetropolen, sondern mit weitaus katastrophaleren Folgen
auch der Süden. An die arabischen Regime waren weitere Forderungen
gerichtet: die palästinensische Revolution sollte stärker
unterstützt und palästinensische Gefangene in deren
Gefängnissen freigelassen werden. Bis auf die Freilassung einiger
Gefangener konnte keine der Forderungen durchgesetzt werden. Bis heute
hält sich das Gerücht, der damalige saudi-arabische
Erdölminister Jamani, wichtigster und einflußreichster Vertreter
der reaktionären arabischen Regime, hätte sich von Carlos
für mehrere Millionen Dollar sein Leben erkauft. H. J. Klein wurde bei
der Schießerei verletzt, konnte aber gemeinsam mit dem Kommando
ausreisen. Anderthalb Jahre später setzte er sich ab und begann mit
Hilfe des SPIEGEL und Daniel Cohn-Bendit sowie Teilen der damaligen
frankfurter Sponti-Scene seine Karriere als Aussteiger in Form
verschiedener Interviews und seines Reue-Buches Rückkehr in die
Menschlichkeit . Später wurde die inzwischen verstorbene Gabi
Kröcher-Tiedemann, die durch die Lorenz-Entführung der
Stadtguerilla Bewegung 2. Juni ein dreiviertel Jahr vor der OPEC-Aktion
befreit wurde, zu 15 Jahren Knast verurteilt.
Heidelberg 1978: Hermann Feilings Aussagen
Für Christian G. und Sonja S. ist in Deutschland ein alter
Bekannter zuständig: BAW-Bundesanwalt Pfaff war bereits 1978 mit den
sogenannten Ermittlungen gegen Hermann Feiling betraut. Hermann Feiling war
1978 Opfer eines schrecklichen Unfalls: ein Sprengsatz explodierte ihm beim
Zusammenbauen auf dem Schoß. Er verlor beide Augen, die Beine
mußten ihm amputiert werden. Bereits einen Tag später - der
behandelnde Arzt sprach noch von Lebensgefahr - begannen LKA-Beamte die
Verhöre. Viereinhalb Monate dauerten die Befragungen, ohne Haftbefehl
und ohne Anwalt - unter Einwirkung starker Schmerzmittel und Psychopharmaka
hielt Hermann Feiling den verhörenden Staatsanwalt für seinen
Rechtsanwalt. In seiner Prozeßerklärung im September 1980 sagte
er dazu: Den jahrelang (..) frustrierten Fahndern kam mein
lebensgefährlicher Zustand, die Traumatisierung nach der Erblindung,
meine völlige Hilfs- und Orientierungslosigkeit gerade richtig. 1300
Seiten Vernehmungsprotokolle, die von mir stammen sollen, sind Ergebnis
dieser Situation. Da werden dann auch Personen aus meiner damaligen
phantastischen Traumwelt in RZ-Zusammenhänge gebracht, bzw. es werden
Personen belastet, die ich nie kannte. Das Verfahren gegen Hermann Feiling
wurde später eingestellt. Die illegalen Vernehmungsprotokolle aber
hatten Bestand: eine Frau wurde zu 15 Monaten auf Bewährung zu
verurteilt, im Prozeß gegen Gerd Albartus und Enno Schwall wegen
Brandanschlägen auf Kinos, die den Film Unternehmen Entebbe zeigten,
führten sie zu Verurteilungen von 4 Jahren und 9 Monaten bzw. 6
Jahren. Heute treffen die damals erpreßten Aussagen Sonja S. und
Christian G.
Berlin/Frankfurt 1999: Vier Verhaftungen und zwei Verräter
Axel H. und Harald G. aus Berlin, sowie Sabine E. und Rudolf S. aus
Frankfurt (M) sitzen weiterhin in Untersuchungshaft wegen Mitgliedschaft in
den Revolutionären Zellen (siehe So oder So Nr. 5). Aussagen machte
niemand von ihnen. Der Haftbefehl gegen Axel H. wurde inzwischen erweitert:
neben der Betreuung eines Sprengstoffdepots, das vergeblich im Mehringhof
in Berlin gesucht wurde, werden ihm jetzt noch der versuchte Anschlag auf
die Siegessäule in Berlin (Februar 199)1 und ebenso wie Harald G. und
Sabine E. der Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für
Asylbewerber (ZSA) in Berlin am 6.2.87 vorgeworfen. Alle sollen Mitglieder
der RZ gewesen sein, die mindestens bis 1995, dem Jahr der Aktion der Roten
Zora gegen die Luerssen-Werft in Bremerhaven, bestanden haben soll. Die
Knieschüsse auf den damaligen Chef der Ausländerbehörde
Hollenberg (28.10.86) und BGH-Richters Korbmacher (1.9.87) sind im
Gegensatz zu den anderen Vorwürfen verjährt. Rudolf S. wird
aufgrund der Aussagen von H.J. Klein logistische Unterstützung bei der
Opec-Aktion vorgeworfen. Harald und Axel waren bis zu ihrer Verhaftung am
19.12.99 in Berlin politische Aktivisten. Harald arbeitete vor allem in der
Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM), die er 1994
mitbegründete. Im Rahmen des FFM entwickelte er politische Beziehungen
zu Asylrechts- und Kirchengruppen, die weit über das autonome Spektrum
hinausgingen. Er initiierte mit anderen die Dokumentationsstelle
Menschenrechtsverletzungen an der Grenze und die Dokumentation
Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen . In
einem neuen Projekt wollte er dazu beitragen, daß das rassistische
Polizeiverhalten gegenüber Flüchtlingen an der östlichen
Schengener Außengrenze von international anerkannten
Menschenrechtsgruppen beobachtet wird. Axel gehört dem Initiativkreis
gegen den Schlußstrich an, der sich dagegen wendet, daß mit dem
Holocaust-Mahnmal in Berlin unter die Auseinandersetzung mit den Verbrechen
des Nationalsozialismus der staatliche Schlußstrich gezogen wird. Es
sind vor allem auch diese Aktivitäten, die dazu führten,
daß in Berlin sehr schnell eine Solidaritätsarbeit zustande kam
und sich das Berliner Bündnis für die Freilassung von Axel H.,
Harald G. und Sabine E. gründete. Die Haftbedingungen von Harald und
Axel sind unterschiedlich - Harald hat in der JVA Düsseldorf
täglich eine Stunde Hofgang und keinen Umschluß, in der JVA
Wuppertal hingegen, schreibt Axel, hat er Umschluß mit schweren Jungs
. Bei Harald hat bei Besuchen generell die Trennscheibe, bei Axel nur bei
Anwälten. Beide erhalten viel Post und das soll auch so bleiben. Laut
seinem Anwalt will Rudolf keine Unterstützung. Sabine möchte
nicht, daß ihr Nachname veröffentlicht wird, daher: wer ihr
schreiben will, schicke seinen Brief an das Berliner Bündnis
(Gneisenau 2a, 10961 Berlin), von dort wird die Post weitergeleitet. Die
Anwälte von allen haben noch keine Akteneinsicht erhalten.
Die Diskussion um die Kampagne
Seit einigen Wochen beginnt innerhalb der Solidarität die
Diskussion um den Charakter der Mobilisierung. Harald schreibt dazu,
daß es Staat und Justiz nur vordergründig um die Aufklärung
lange zurückliegender Aktionen der RZ ginge, die zudem zum Teil
verjährt und die meisten RZ´s sich offiziell aufgelöst
hätten. Das Interesse der Staatsschützer liege woanders:
Strukturen sollen durchleuchtet und ein Zeichen gesetzt werden, daß
Widerstand sich nicht lohnt.Wie er sagt, haben sich die Bedingungen
gegenüber den 80er Jahren so grundsätzlich verändert,
daß er der Vorstellung widerspricht, die Verhaftungen zum Anlaß
einer rückblickend-nostalgisch gerichteten Aufarbeitung der
RZ-(Flüchtlings)-Politik zu nehmen. Relevanter ist für ihn, sich
für eine aktuelle Solidarität mit den Flüchtlingen
einzusetzen: Allein hierin scheint mir auch eine in die Zukunft weisende
politische Perspektive zu liegen , so ein Brief aus dem Januar. Aber Harald
weist auch darauf hin: Ein Problem ist und bleibt natürlich, inwieweit
sich diese Fokussierung auf Flüchtlingspolitik zwar auf mich und meine
jüngere politische Geschichte bezieht, aber es den anderen oder ihrer
Geschichte nicht gerecht wird . Er trifft hier einen wichtigen Punkt. Nicht
alle Gefangenen sind über Tarek Mousli allein belastet, sondern zum
Teil reicht ihre Geschichte bis vor Berlin in die Siebziger
zurück.
Verräter und keine politische Bewertung
Grundlage der Verhaftungen sind großteils aktuelle Aussagen
künftiger Kronzeugen: Bei Sonja ist es Klein, bei Rudolf Klein und
Mousli, bei den anderen nur Mousli. Beide rutschten noch so eben in die zum
Jahresende 1999 ausgelaufene Kronzeugen-Regelung. Überrascht bei Klein
nach seiner Hochzeit Ende der 70er als reuiger Ex-Kämpfer und
SPIEGEL-Star gegen den bewaffneten Kampf nichts mehr, und spekulierte die
BAW bereits bei Festnahme Kleins - der via Anwalt schon mit Karlsruhe
über einen Stellungstermin verhandelt hatte - auf konkrete Aussagen,
liegt die Sache bei Mousli anders. Er war langjähriger Aktivist der
berliner Szene. Darüber spricht er in aller Ausführlichkeit.
Seine Aussagen erstrecken sich nicht nur auf vermeintliche
RZ-Zusammenhänge. Er redet, so die ersten Informationen, über
alles, was er in den Jahren meint erfahren und mitgekriegt zu haben. Und
das kühl berechnend: gewissenhaft soll er bereits gemachte
Aussageprotokolle auf Fehler und Erinnerungslücken korrigiert haben.
Ein kaltblütiges ans Messer liefern also und keiner, der in einer
Situation der Bedrängnis durch Bullen die Nerven verliert und sich um
Kopf und Kragen redet. Soviel steht fest. In Berlin allerdings, genauer im
Solidaritäts-Bündnis gibt es bislang so gut wie keine
öffentliche Diskussion darüber, wie ein Verrat dieser Kategorie
möglich sein konnte. Mit oberflächlichen Charakterisierungen
erschien in der interim eine dürre Seite zur Person Mousli. Mousli
aber kannte die Anna und Arthur -Kampagne nicht nur von Plakaten. Aber wo
es keine Auseinandersetzung gibt, wo eine öffentliche politische
Bewertung der bislang vorliegenden Informationen über Aussagen und
Umstände Mousli's Festnahme nicht erfolgt, blüht nur das
Gerücht und die informelle info-connection. Das verspricht spannenden
Stoff am autonomen Stammtisch, mit verantwortungsvollem politischen Handeln
hat es nichts zu tun. Das Berliner Bündnis sprach sich bislang mit
großer Mehrheit dagegen aus, dem Gewirr aus Halbwahrheiten,
interpretierenden Vermutungen und Gerüchten mit den ihnen bekannten
Fakten auf einer Vollversammlung oder in der Kampagnen-Zeitung
Zitronenfalter die Basis zu entziehen. Es ist zu hoffen, das darüber
noch einmal nachgedacht wird. Es geht nicht darum, Mousli's Storys Satz
für Satz nachzuerzählen oder vermeintliche personelle Zuordnungen
des Typen zu veröffentlichen. Was fehlt ist eine politische Bewertung
und Einordnung der bislang vorliegenden Infos. Darum aber geht es. Nur das
schafft die Basis, in der nächsten Zeit ohne Paranoia zu
einigermaßen verläßlichen Einschätzungen zu kommen.
Die Solidarität mit den Gefangenen ist das erste, keine Frage, aber
ebenso braucht es eine politische Gegenkampagne, die die Basis für den
notwendigen politischen Schutz für möglicherweise weitere durch
Mousli gefährdete Genoss/innen entwickelt. Spätestens wenn die
Bullen vermeintlich viel wissen, hat die Politik der vorgehaltenen Hand,
informell, ohne verantwortlichen Absender und so ohne Möglichkeit der
Überprüfung, noch nie geklappt. Schlechte Erfahrungen damit
wurden in Berlin schon im Kaindl-Verfahren (1994) gemacht. Und auch im
Zusammenhang mit der Rolle des VS-Agenten Steinmetz in der tödlichen
GSG 9-Operation von Bad Kleinen 1993 gegen die RAF erwies sich im
Rhein-Main-Gebiet die informelle connection als politisches Desaster.
Bei allen Differenzen? Keine Spaltung - Solidarität!
Seit den Verhaftungen gibt es in Berlin ein Plakat. Vom Berliner
Bündnis ist es nicht. Sicherlich ist es sehr plakativ und sehr auf die
RZ bezogen. Im Text heißt es: Die RZ haben - AKW-Betreiber sabotiert,
- Rassistische Richter bestraft, - Soziale Bewegungen unterstützt, und
mit vielen anderen Aktionen Leuten aus dem Herzen gesprochen . Und weiter:
Unsere Solidarität gilt den vier Genossen und Genossinnen, die seit
Ende 1999 als angebliche RZ-Mitglieder im Knast sitzen. Bei allen
Differenzen: Ihr Widerstand ist auch unser Widerstand. Und Aussagen bleiben
Verrat . Beim Nachdenken über Differenzen , die nicht genannt werden,
drängt sich der Widerspruch einer Trickserei auf: denn nichts im Text
deutet auf eine Differenz hin, die erwähnten Aktionen sprechen aus dem
Herzen - wer will ernsthaft diesen Aktionslinien nach Rostock,
Abschiebeterror und Castor-Transporten widersprechen? Ein anderes Problem
soll umgangen werden, das in Zeiten antinationaler Diskursgewalt
vorauseilend distanzierend nur angedeutet wird, damit die RZ im aktuellen
autonomen Gedächtnis auch weiter eine runde Sache bleibt. In Zeiten
der Krise vollzieht sich so eine Rückwärtsbesinnung auf einen
wichtigen Strang sozialrevolutionärer Praxis und militanter
Organisierung, die bruchstückhaft plakativ sich das aneignet, was
heute politisch pc erscheint. Der konkrete Widerspruch liegt in der
Geschichte der RZ und ihren Brüchen. Im Revolutionären Zorn Nr. 1
stehen ebenfalls drei Aktionslinien, mit denen die RZ den Leuten damals aus
dem Herzen sprach . Ihre Bestimmungen waren allerdings andere: Die Aktionen
der RZ lassen sich in drei Bereiche unterteilen: antiimperialistische
Aktionen (...) - Aktionen gegen die Filialen und Komplizen des Zionismus in
der BRD - Aktionen, die den Kämpfen von Arbeitern, Jugendlichen,
Frauen weiterhelfen sollen, die ihre Feinde bestrafen und angreifen. (Mai
1975) Es geht nicht darum, in Zeiten der Verfolgung und des Nachschlags
durch Kronzeugen 25 oder 15 Jahre später, jede Aktionslinie im
nachhinein legitimieren zu müssen. So einen Quatsch meinen wir nicht.
Fatal wird es nur dann, wenn von Staatsseite die Geschichte der 80er und
70er Jahre parallel und personell verknüpft zur Anklage kommen soll.
Das uneingeschränkte Einstehen für alle Worte und Taten im
Zusammenhang RZ ist nicht der Punkt, allerdings die Forderung nach einem
korrekten Umgang mit einer revolutionär-militanten Politik und Praxis,
die in ihrer Vergangenheit - nicht zu Unrecht - zumindest tendenziell eine
Massensympathie innerhalb der radikalen Linken behaupten konnte. Alles
andere, die Aufteilung in gute und böse RZ (wobei das böse
ungenannt bleibt) wird über kurz oder lang zum Objekt von
Distanzierungszwängen. Politische Erinnerung im guten Sinne ist es
auch nicht, eher Politiksurrogat und Reminiszenz an Ausschnitte einer Zeit,
in der angeblich alles besser war. Letztlich werden nur Mythen so
geschrieben, aber keine Politik gemacht. Das verlangt auch eine
grundsätzliche Eindeutigkeit im politischen Begriff der
Solidarität. Und dies gilt unabhängig davon, ob einzelne
Gefangene genannt oder unterstützt werden wollen.
Die Sache wird nicht besser
Die BAW erklärte vor kurzem, in Berlin demnächst Johannes
Weinrich wegen der Erschießung des RZ-Militanten Gerd Albartus 1987
im Nahen Osten anklagen zu wollen. Bereits Ende der 90ziger war Magdalena
Kopp, eine ehemalige Aktivistin der Gruppe Internationaler
Revolutionäre (oder: Carlos-Gruppe ) mittels des VS-Spezialisten
für Aussteiger Benz aus ihrem Exil in Venezuela in die BRD
zurückgeführt worden. Der FOCUS berichtete von umfassenden
Aussagen Kopps, die sich auch auf den Tod von Gerd Albartus bezogen. Laut
Kopp's Version sei Gert von einem Volksgericht der Carlos-Gruppe wegen
angeblicher Agententätigkeit angeklagt und dann per Kopfschuss
liquidiert worden. Unglaubwürdig klingt das nicht. Der Tod von Gerd
ist in jedem Fall eine absolut kriminelle Aktion. Die Verantwortlichen
für diese Schweinerei gehören prinzipiell zur Verantwortung
gezogen, das ist auch eine Kategorie emanzipatorischer Moral. Allerdings
nicht vor einem bundesdeutschen Staatsschutzsenat, das ist das Dilemma.
Dazu gehört aber auch, daß eine RZ 1991 in ihrem
vieldiskutierten Papier Gerd Albartus ist tot seinen Tod benutzte, sich von
der internationalistischen Aktionslinie ihrer Politik in den 70ern als
antisemitisch zu distanzieren. Die Mörder Gerds wurden politisch
offengelassen. Schlimmer, es wurde suggeriert, Gerd wäre das Opfer
einer ominösen (und homophoben) Palästinensergruppe geworden. Das
passte vielleicht ungewollt-gewollt gut in den argumentativen Zweck, und
bediente entsprechende Ressentiments in der Linken, scheint aber so einfach
vielleicht doch nicht zu stimmen.
Die Geschichte geht also weiter. Der Staatsschutz orientiert sich nicht
am Zeitgeist des linksradikalen Diskurses. Solidarität sollte dies
allerdings auch nur bedingt tun. Das zeigt sich nicht nur in den aktuellen
RZ-Verfahren.
Freiheit für alle politischen Gefangenen! Freiheit für Sabine,
Axel, Harald, Rudolf, Sonja und Christian!
Berlin/Frankfurt, Ende Februar Spendenkonto für die Gefangenen:
Martin Poell, Kto-Nr. 2705-104 Stichwort Freilassung , BLZ 100 100 10,
Postbank Berlin
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