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Datum: 04/2000
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Zeitung:
megafon / Bern
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Titel:
Informationsveranstaltungen zur Kriminalisierung antirassistischer
Initiativen
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Informationsveranstaltungen zur Kriminalisierung antirassistischer
Initiativen
Am 19. Dezember 1999 durchsuchten etwa 1000 Polizisten das Berliner
Anwesen MehringHof, Treffpunkt und Arbeitsplatz verschiedener
flüchtlings-, frauen- und kulturpolitischen Initiativen. Zeitgleich
verhaftete die Polizei drei Personen aufgrund des Paragrafs 129a
(Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung), die bis heute
festgehalten werden. Dies geschah aufgrund der in Deutschland genauso
umstrittenen Kronzeugenregelung, die notabene 11 Tage später ihre
Gültigkeit verloren haben. Den Verhafteten wird vorgeworfen den
revolutionären Zellen angehört zu haben und in den 80er Jahren
mehrere Anschläge verübt zu haben. Bereits einen Monat vor der
Razzia im Mehringhof wurde ein Mann in Frankfurt verhaftet, dem vorgeworfen
wird in den 70er Jahren in der RZ organisiert gewesen zu sein und im Januar
nahm die französische Polizei eine Frau und ein Mann in Paris fest,
die schon seit 1978 wegen angeblicher RZ-Mitgliedschaft auf den
Fahndungslisten der "Anti-Terror-Einheiten" auftauchten. Seit den
Verhaftungen solidarisierten sich Organisationen und Einzelpersonen aus
ganz Europa mit den Betroffenen und fordern lautstark deren Freilassung.
Vor allem die Festnahme von Harald G., einem Mitbegründer der
Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM) aus Berlin, hat dazu
geführt, dass etliche etablierte antirassistischen Initiativen,
darunter das Netzwerk UNITED, dem über 500 Gruppierungen aus ganz
Europa angehören, gegen die Verhaftungen protestieren.
Haralds Recherche- und Monitoring-Arbeit zu den mittlerweile bis hierher
berühmtgewordenen Taxifahrerprozesse in Zittau/Görlitz, mag
einigen unter Euch in böser Erinnerung geblieben sein. Harald zeigte
mit seiner geduldigen Arbeit auf, wie jegliche Handlung, die mit
Illegalisierten zu tun hat, schleichend kriminalisiert wird:
Entgegen Ihrem gesetzlichen Auftrag, jeden und jede zu befördern,
die dies wollen und bezahlen können, sind Taxifahrende seit
obgenannten Prozessen in Deutschland gezwungen, als Handlanger der Polizei
zu dienen und alle, die sie aufgrund Ihres Aussehens oder ihrer
Handlungen/Sprache der illegalen Einreise Verdächtigen, per Code an
den Bundesgrenzschutz zu melden.
Was hat das nun alles mit der Schweiz zu tun?", fragt Ihr Euch
bestimmt. Nun: Viel! Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen
Länder Europas sind Regierungen und Parlamente daran, ähnliche
Gesetze zu verabschieden. Zum Beispiel in Spanien, wo eine
Lastwagengewerkschaft mit Flugblättern dazu aufruft, sich diesen neuen
Regeln zu widersetzen.
Auch in der Schweiz findet sich ein entsprechender Paragraph im Entwurf
der Expertenkommission zur Totalrevision ANAG vom 14. Mai 1999 - Ein Gesetz
für Ausländerinnen und Ausländer (AuG)" -, das sogar
noch weiter geht und mit dem Entzug der Bewilligung droht: *Die
zuständigen Behörden des Bundes und der Kantone arbeiten mit den
Beförderungsunternehmen zusammen. Die Modalitäten der
Zusammenarbeit können in der Betriebsbewilligung (...) festgehalten
werden" (Art. 75, Abs.5AuG). Diese Verpflichtung zur Zusammenarbeit
mit Androhung von Zwangsmassnahmen, dieser Erpressungsversuch findet sich
im ganzen Entwurf wieder und wieder. So werden künftig alle
Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, aber auch
Arbeitgebende, Auftraggebende und selbst Familienangehörige gezwungen,
bei der Feststellung des für die Anwendung dieses Gesetzes
massgebenden Sachverhalts mitzuwirken".
Harald hat viel dazu beigetragen, dass wir diese schleichende
Kriminalisierung aller potentiellen Kontakte mit mutmasslichen
"Sans-Papiers" schon heute erkennen können, doch Harald
sitzt vorerst selbst in Untersuchungshaft. Harald und die anderen
Gefangenen müssen möglichst schnell raus. Die Asylkoordination
Schweiz, die seit Jahren mit der Forschungsgesellschaft Flucht und
Migration zusammenarbeitet, organisiert deshalb zusammen mit den
Infoläden im April eine "Freilassungstour" durch
verschiedene Schweizer Städte. Neben Informationen und Diskussionen
soll an den Veranstaltungen auch Geld für die Freilassungskampagne
gesammelt werden. Spendenkonto: Martin Poell, Kto.-Nr. 2705-104, BLZ 100
100 10, Postbank Berlin, Stichwort: Freilassung. Weitere Informationen,
Unterstützungserklärungen und Aktivitäten könnt Ihr
auch der Homepage http://www.freilassung.de entnehmen.
PROGRAMM, Freilassungstour.ch, 10.-15. April 2000
Bern: Montag, 10. April 2000, 20 Uhr: Breitschtreff, Breitenrainplatz 27
Luzern: Dienstag, 11. April 2000, 18.30 Vokü im Kauffmannweg 16, 20.00
Uhr Veranstaltung im Restaurant Parterre, Mythenstr. 7 Biel: Mittwoch, 12.
April 2000, 20.00 Uhr: Infoladen, Burg 4 Zürich: Donnerstag, 13. April
2000, 20 Uhr: Provitreff, Sihlquai 240
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