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Datum:
Dezember 2000
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Zeitung:
interim
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Titel:
Tarek Mousli - der Verräter als schlechter Mathematiker
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Tarek Mousli - der Verräter als schlechter Mathematiker
Wenn sich aus dem Verrat des Tarek Mousli eine Bedrohung für die
Szene ablesen läßt, dann sicher nicht die, daß es
"unter uns" zu viele großmäulige Typen gibt, die
verantwortungslos in der Gegened rumvögeln und so ihre unverbindliche
Verräterstruktur vermeintlich schon immer im Gepäck haben. Nein,
das Problem, das Tarek Mousli für die autonomen Bewegungen darstellt,
ist, sie mit den fatalen Konsequenzen hochgelobter linker Tugenden zu
konfrontieren, wenn es der Gegenseite gelingt, sie für sich dienstbar
zu machen.
Tarek vor Gericht muß man erlebt haben. Nicht
"aalglatt", sondern sachlich, nicht "servil", sondern
höflich, nicht großmäulig, sondern bemüht, eigne
Interpretationen und Schlußfolgerungen aus Gehörtem
sorgfältig von teilnehmend Erlebtem zu differenzieren. Nicht
geschwätzig, sondern beredt, nicht kalt, sondern cool, ein
Verräter, um Sorgfalt bemüht, der offensichtlich vorhat, einen
"guten" Kronzeugen abzugeben, so wie er ein "guter"
Genosse gewesen sein mag: genau, klug, verbindlich, unaufgeregt,
vertrauenswürdig, so der Eindruck, den er erwecken will. Er
könnte hauptberuflich auch ein guter Werbegrafiker, ein guter Chirurg,
ein guter Manager sein, was viele ehemalige Linke inzwischen ja auch sind.
Pech für ihn und andere, daß da noch der Sprengstoff im Keller
lag...
Was er tut, bemüht er sich, souverän zu tun und so versucht er
nicht ohne Eleganz, quasi nebenbei, seine - nach eigenen Angaben -
ehemaligen GenossInnen aus den RZ ans Messer zu liefern. Der im
OPEC-Prozeß angeklagte Rudolf Schindler sei "der Schütze
der RZ" gewesen, denen Tarek Mousli seit 1985 angehört haben
will, auf diese Formulierung kommt er nach kurzem Nachdenken, der
"Hardliner", der Gewalt gegen Personen befürwortete und
entsprechende Aktionen dann auch durchführte, "oben" in der
Hierarchie der Gleichen, wobei Mousli nicht versäumt, darauf
hinzuweisen, daß "oben" viel bedeuten kann. Rudolf
Schindler habe auf Hollenberg und Korbmacher geschossen. Das kommt Tarek
Mousli locker von den Lippen und er übersieht, daß die RZ selbst
in Erwiderung einer Kritik ihrer Organisation als Mackerstruktur 1987
erklärt haben, daß es "schließlich eine Frau"
war, die dem Leiter der Berliner Ausländerbehörde Harald
Hollenberg ins Knie geschossen habe, eine Angabe, die Hollenberg selbst
übrigens bestätigt hat.
Und Tarek Mousli "weiß" noch mehr: Einem angeblichen
Streit zwischen Gerd Albartus einerseits und Rudolf Schindler sowie Sabine
Eckle andererseits, in denen Gerd Albartus den beiden vorgeworfen haben
soll, "Karry" sei "glatter Mord" gewesen, will Mousli
entnommen haben: "Die war'n dabei." Hier legt er wieder mehr
Wert auf die Genauigkeit der Feststellung, das habe er
geschlußfolgert, keiner habe gesagt: "ich habe geschossen".
Denn an Genauigkeit, dieser im Kontext von Verratsdebatten oftmals als
fehlend in linksradikalenZusammenhängen eingeforderten Tugend will
Tarek es nicht fehlen lassen.
Was war das für ein Linker?
Was ist das für ein Verräter?
Was treibt den um?
Um die "Lebensbeichte" scheint es dem nicht zu gehen, zu stark
kontrastiert Tarek Mouslis ruhige Kontrolliertheit mit der Haltlosigkeit
eines Hans-Joachim Klein. Klein gibt in seiner Verzweiflung und
Widersprüchlichkeit keinen guten Kronzeugen ab, wie er da im Laufe des
OPEC-Prozesses immer mehr in Lethargie versinkt. Kein guter Kronzeuge, wie
er schon kein guter Linker war? "Ein Psychopath, ein kranker
Mensch", bringt Tarek Mousli die interne Debatte über Klein auf
den Punkt. Ein Looser. Demgegenüber Tarek, dem offensichtlich am
Erfolg gelegen ist, der es sich nicht nehmen läßt, sich von
Staatsanwalt Rath, diesem Oberarschloch mit einem saloppen
"Tschüs, schönen Tag noch", zu verabschieden, als er in
der Mitte seiner Zeugenschutzeskorte den Gerichtssaal verläßt.
Ein Gruß, der freundlich erwidert wird. Wenn's einem nicht so
kalt den Rücken runter liefe und man zunächst eher mit der
Kälte als mit der Wut zu kämpfen hätte, könnte man
Mordphantasien bekommen. Doch auch da ist vorgebaut: unter dem grauen Rolli
trägt Tarek Mousli offensichtlich eine kugelsichere Weste. Naja, bei
dem ginge es wohl auch weniger ums Herz, als vielmehr um den Kopf. Was ging
darin vor? Hans-Joachim Klein, den 70ern verhaftet, leistete sich den
atavistischen Luxus eines (wie auch immer verbeulten) Gewissens, das ihn
immerhin nach dem unter seinem Namen veröffentlichten Buch über
seine "Abkehr vom Terrorismus" 21 Jahre lang das Exil ertragen
und das Maul halten ließ. Tarek Mousli hingegen, ganz sicher kein
"Psychopath", erweist sich als moderner Pragmatiker. Der hat
besser gerechnet, als Klein, so scheint es zumindest auf den ersten Blick:
Der hat sich ausgerechnet, was ein Verrat für ihn bedeuten würde,
was ein Schweigen für ihn bedeuten würde. Der hat geschaut, wohin
die Waage sich neigt und sich entschieden. So, wie er sich vermutlich gut
und genau überlegt hat, zu den RZ zu gehen. Nicht gut genug
allerdings, wenn er heute interne RZ-Differenzen über den Umgang mit
Anschlägen auf Menschen vor Gericht breit treten muß.
Differenzen, die letztlich auch der Grund der Beendigung seiner aktiven
Mitgliedschaft in den Zellen gewesen sein sollen, 1992 angeblich, immerhin
5 Jahre nach dem Anschlag auf Korbmacher! Das ist nicht der einzige
Widerspruch in seinen Aussagen. So behauptet er, Rudolf Schindler und
Sabine Eckle seien bis auf einen einmaligen Aufenthalt Schindlers 1981 oder
1982 in Berlin beide (vermutlich in Frankreich) im Exil gewesen und erst
1984 nach Berlin gekommmen. Gleichzeitig versucht er, ihnen den
tödlichen Anschlag auf den hessischen Wirtschaftsminister Karry im Mai
1981 in die Schuhe zu schieben. Karry wurde in seinem Haus in
Mörfelden-Walldorf erschossen, das bekanntlich nicht in Frankreich
liegt.
Tarek Mousli, du smarter Blender, so einfach wird das nicht werden, in
den folgenden Prozessen in denen 115 Aktenordner deiner Aussagen
justiziabel gemacht werden sollen, diese Aussagen widerspruchsfrei aufrecht
zu erhalten, wenn sich schon beim ersten Auftritt solche Rechenfehler
einschleichen!
Was ist aus dem Auftritt dieses (schlechten) Mathematikers als
Verräter für die Szene zu schließen? Sollen wir jetzt den
zuverlässigen, verbindlichen GenossInnen nicht mehr trauen, sondern
lieber den unpünktlichen Großmäulern, weil die
"guten" Genossen solch fürchterlich verlogene Renegaten
werden? Wohl kaum. Sicher ist aber einmal mehr, daß der Weg zum
Verrat vielfältig ist und zuweilen auch über den ebenso
vielfältigen "Weg zum Erfolg" führen kann.
Judith David
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