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Redebeitrag von Axel anläßlich der ersten zentralen
Soli-Veranstaltung in Berlin am 24. März
"Ich grüsse Euch von hier ganz herzlich!"
Ich danke allen, die hier anwesend sind,von den beruflich verpflichteten
natürlich abgesehen, und die damit oder in anderer Form ihre
politische und / oder persönliche Verbundenheit mit mir zum Ausdruck
bringen wollen. Es sei Euch versichert, das macht den harten Schnitt
erträglicher!
Alles was ich hier äußere, ist entweder Ergebnis subjektiven
Erlebens oder sind Überlegungen, die ich viel lieber mit Euch,
vielleicht nicht mit allen auf einmal, besprechen, als hier in die
Öffentlichkeit posaunen würde.
Diejenigen, die mich persönlich von Treffen, Versammlungen,
Terminen oder auch vom Tresen kennen, wissen, daß ich immer eher
"guter Zuhörer" als der große "Redner"
gewesen bin. Daran hat sich auch jetzt nichts geändert, und die
Vorstellung, daß ich hier ja jetzt Zeit genug zum Nachdenken,
Studieren und entwickeln und so weiter habe, stimmt nur bedingt.
Ich beschreibe Euch einfach mal einen normalen Tagesablauf hier im
Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt Wuppertal.
Übrigens: ich bin nicht automatisch, also auf Weisung, hier
gelandet, sondern erst nach Absprache mit dem Verantwortlichen für
Sicherheit und Ordnung. Ich habe mich auf seinen Vorschlag eingelassen, mit
Widerrufsrecht, da mich die Drogensituation und der Süff in den ersten
Tagen auf der anderen Station abgestoßen haben.
Der Trakt ist innerhalb des Knastes nochmal extra abgeschottet und hat
circa dreizehn Haftplätze. Die Flure und der Freizeitraum sind Kamera
überwacht. Die Zellen, circa 10 Quadratmeter, haben dreifach
vergitterte Fenster. Das äußerste Gitter ist eine Art
Fliegendraht. Das Klo ist abgeteilt und alles ist einigermaßen frisch
gestrichen.
Wecken mit Frühstücksausgabe ist gegen sechs Uhr, das lasse
ich aus, die Schließer begnügen sich mit einem Lebenszeichen,
und ich schlafe bis circa acht Uhr dreißig weiter. Nach dem
Frühstück, Frühsport vorm offenen Fenster und den
Waschungen, jeder Tropfen Warmwasser muß mit einem Tauchsieder
bereitet werden, ist's schnell zehn Uhr. Das bedeutet Hofgang, also
ödes Runden drehen auf einem öden Hof aber in frischer Luft.
Alternativ gibt es ein bis zwei mal die Woche Sport, - für mich joggen
um einen Sportplatz, leider auf Beton. In der Regel bekomme ich danach
meine vier Tageszeitungen und beginne deren Studium. Gegen 12 Uhr kommt das
Mittagessen.
Von dreizehn Uhr dreißig bis sechzehn Uhr dreißig geht's
in den Freizeitraum. Dort besteht Kochmöglichkeit, jeder hat ein
individuelles Kühlfach, es gibt eine Tischtennisplatte, einen Kicker
und diverse Gesellschaftsspiele. Renner ist ein Kartenspiel namens Klammern
und Backgammon. Manchmal spiele ich eine Zeitlang Karten mit, zumeist lese
ich weiter Zeitung, beim Kickern liege ich auch ganz gut im Rennen, oder
ich rede mit jemand, so denn einer Lust hat. Oft kochen sich Leute was,
auch in kleinen Gruppen, ich komme noch ganz gut mit dem Anstaltsfraß
klar, bin erstmal nur beim Kuchen Backen mit eingestiegen.
Gegen sechzehn Uhr dreißig, auf dem Weg zurück zur Zelle ist
Postausgabe, da ernte ich oft neidische Blicke, danach kommt das Abendbrot.
Ab siebzehn Uhr dreißig gibt's nochmal die Möglichkeit in
den Freizeitraum zu gehen, bis zwanzig Uhr dreißig, darauf verzichte
ich, da ich die erfreulich zahlreiche Post von Euch auch beantworten will.
Damit und dem Lesen von Büchern und nervigen Akten verbringe ich meine
Abende.
Als Zuckerbrot gibt es hier im Trakt auch noch Radio und TV auf den
Zellen. Dem kann ich mich auch nicht immer entziehen, natürlich nur
ausgewählt gute Beiträge! Leider gibt es neben ARD, ZDF und WDR
nur RTL, RTL 2 und SAT1, - was Knacki halt so sehen mag. Am Wochenende ist
das Freiteitprogramm eingeschränkter.
Duschen ist zwei mal die Woche, Einkauf für insgesamt 350 Mark
monatlich, alle vierzehn Tage.
Nicht zu vergessen die Höhepunkte: Besuche! Offiziell drei mal eine
halbe Stunde im Monat. Mit den zwei Überwachern vom BKA hatte ich mich
auf zwei mal eine Stunde geeinigt. Das haben sie aber runtergefahren eine
Stunde gibt es nur noch bei meiner Lebenspartnerin. Anwaltsbesuch ist
"unüberwacht", dafür mit Trennscheibe, ist
obligatorisch bei Paragraf 129a Beschuldigten. Beim Letzten Mal haben sie
mir jetzt auch bei Privatbesuchen Trennscheibe plus Überwachung
aufgedrückt, außer bei meiner Freundin und Tochter. Das lehne
ich ab, will mich nicht wie ein Raubtier hinter Panzerglas vorführen
lassen!
Zur Situation mit den Mitgefangenen:
Der Trakt ist mit sogenannten schweren Jungs belegt. Die meisten bzw.
der harte Kern, es gibt nur eine geringe Fluktuation, kommen aus dem
Rotlicht- bzw. Drogenbeschaffungsmilieu, alle sind U-Häftlinge und mit
hohen Haftstrafen bedroht. Die Zusammensetzung ist international.
Bei meinem Auftauchen hier, ich bin mit dem Vorwurf gegen mich im
Gegensatz zu anderen ganz offen umgegangen, war ich mit einer ziemlich
geschlossenen "Affenfelsenstruktur" konfrontiert. Es gibt den
Bestimmer, Typ ältere Rocker mit ausgeprägtem Geschäftssinn
und Führungsanspruch, unter ihm ordnen sich die Anderen ein.
Unverständnis, Belächeln waren die ersten Reaktionen auf mich.
Auf Grund des Aufwandes, der um mich betrieben wurde und wird, aber auch
ein gewisses Maß an Respekt.
Ich bin auf alle zugegangen, mit dem einen oder anderen gab es
Gesprächsansätze, andere reagierten abweisend, teilweise
provozierend (zum Beispiel mit) Sieg-Heil Gebrüll bei Spielen und so
weiter. Erschreckend ist Rassismus und Frauenfeindlichkeit bei durchweg
allen tief verankert. Und wenn ich glaubte, bei dem einen oder anderen
Gespräch auf eine Seelenverwandtschaft gestoßen zu sein, kamen
im nächsten Satz wieder Argumente, die mir die Luft abdrehten.
Beispiele, erspare ich Euch!
Auch nichtdeutsche Herkunft schließt aus diesem Chor nicht
aus, es gibt ja noch Juden und Schwarze.
Machen wir uns also nichts vor, die Männer, die ich hier kenne,
sind rechtsgewickelt, wenn auch nicht politisch so artikuliert, die
Köpfe sind es. Antistaatlich selbstverständlich, an jeder Ecke
bekomme ich Hinweise, "wo wir die Bomben hätten legen
sollen". Daß die Umgangsweise hier auf der Station nicht von
körperlicher Gewalt bestimmt ist, hat es mir wohl erleichtert, meine
mittlerweile akzeptierte Position als Exot, Außenseiter und Linker
einzunehmen. Mein solidarischer Umgang läßt zu, das ich als
Dummheit benennen kann, was Dummheit ist, wenn sie mir direkt
gegenüber tritt. Wenn sie am Nebentisch mal wieder "so richtig
vom Leder ziehen", höre ich weg. Einige äußern jetzt
sogar Sympathie, Sympathie in dem Sinn, daß sie sich an Brüder
erinnern, die als Linke in der Türkei bestialisch gefoltert worden
sind, oder an Väter und Großväter, die immer schon in der
kommunistischen Partei waren. Übrigens will kein Gefangener von dieser
Station weg, außer raus natürlich.
Nicht unerwähnt lassen will ich auch die zwei, drei richtig
"Bösen Finger", die hier auch auf der Station sind, jedoch
sich freiwillig oder erzwungenermaßen in Totalisolation befinden. Ich
sehe höchstens mal jemanden, wenn er gerade weggeschlossen wird. Sie
führen ein "Gespensterdasein" neben uns anderen her,
unsichtbar. Die anderen Gefangenen lassen ihre Phantasie spielen
darüber, was sie mit ihnen machen würden, falls sie ihnen in die
Hände fallen würden. Ich selber weiß nicht wie ich mich
verhalten sollte, so ich mit ihnen konfrontiert wäre.
Ein Satz noch zu den Schließern: Die hier Dienst machen sind wie
die Gefangenen ausgesucht, ich empfinde sie als durchweg korrekt, teilweise
bemüht. Einer hat mir den konkret- Artikel über uns und
Zeitungsausschnitte über die Kundgebung hier angeschleppt, ein anderer
hat sich mal die Mehringhof Broschüre ausgeliehen.
Wies mir geht? : ALSO RAUS ALLEMAL, so schnell wie möglich!!!
Wie oben abzulesen, ist die Situation aber bedingt lebbar. Am meisten zu
schaffen macht mir das überwiegend fremd bestimmt sein. Hier drin ist
das ja Struktur, schließt aber auch in anderer Form das
Verhältnis nach draußen mit ein. Nicht mehr an Prozessen
beteiligt zu sein, sich nicht mehr spiegeln zu können, mehr oder
weniger nur noch mit Ergebnissen und Entweder-Oder Entscheidungen
konfrontiert zu sein.
Gefühlsmäßig lebe ich hier in einem labilen Gleichgewicht,
das aber oftmals auch heftig ausschlägt, und um das ich mich
immer wieder, teilweise angestrengt bemühen muß. Das
unterscheidet sich erstmal nicht grundsätzlich von draußen,
aber die Mittel zum Ausgleich sind hier viel eingeschränkter,
außer in kleinen Ansätzen bei einzelnen Mitgefangenen,
nur bei sich selber zu finden. -
Und natürlich in Euren Briefen und anderen solidarischen
Aktivitäten!"
Bis gleich,
Axel
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